„Ich bin stolz, das Böse gestoppt zu haben. Mein Bruder und meine Familie sind das Böse – sonst hätte ich sie ja nicht umgebracht“: Sätze wie diese aus dem Mund eines 19-Jährigen, der seine Mutter, seinen Vater und seinen Bruder getötet und seine Schwester mit einem Messer schwer verletzt haben soll, lassen die Zuhörer im großen Sitzungssaal des Landgerichts in Waldshut erschaudern.

Gefallen sind diese Sätze wenige Tage nach der Bluttat Ende März vor dem Haftrichter. Jene Verhandlung und die Vernehmung der Nachbarn, die unmittelbar nach der Tat der 36 Jahre alten Schwester und dem 34 Jahre alten Bruder des Beschuldigten zu Hilfe kamen, standen im Mittelpunkt des zweiten Verhandlungstags vor der Ersten großen Jugendkammer des Landgerichts in Waldshut.

Als Kamera und Mikrofon aus sind

Erschreckender noch als der knapp halbstündige Mitschnitt der Vernehmung des 19-Jährigen vor dem Haftrichter war das, was nach übereinstimmender Darstellung von Oberstaatsanwalt Christian Lorenz und Strafverteidiger Urs Gronenberg an jenem Tag geschah, unmittelbar, nachdem Kamera und Mikrofon wieder ausgeschaltet waren. Gronenberg und Lorenz waren da Zeugen jener plötzlichen Wesensänderungen des Beschuldigten, wegen derer er sich jetzt nicht in einem Strafverfahren des dreifachen Totschlags und eines versuchten Totschlags verantworten muss, sondern in einem sogenannten Sicherungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft geht von Schuldunfähigkeit des Beschuldigten aus. Oberstaatsanwalt Lorenz sprach am ersten Verhandlungstag von „einer seelischen Störung, einer Art Schizophrenie“.

„Ich bin der Engel Azrael“

Ruhig und entspannt wirkend beantwortete der Beschuldigte im März vor dem Haftrichter zunächst dessen Fragen und sagte: „Ich bin der Engel Azrael, der gefallene Engel, der gegen Luzifer gekämpft hat. Mein Bruder ist das Böse“. Auf die Frage, wie sich dieses Böse artikuliere, rang er vergebens nach Formulierungen und meinte schließlich: „Ich will einfach nicht reden; ich habe diese Tat gemacht.“

Dann wurde er richtig aggressiv

Nach seiner Vernehmung vor dem Haftrichter bat der Beschuldigte, man möge ihm das Büchlein mit Gebeten von Pater Pio wiedergeben, das man ihm abgenommen habe. Dabei, so Gronenberg, sei sein Mandant „richtig aggressiv“ geworden, sodass es der Verteidiger mit der Angst zu tun bekam und erst mal einen halben Meter von seinem Mandanten wegrückte.

Er betet und bekreuzigt sich

Die Veränderung der Gesichtszüge und der Person seines Mandanten seien dabei sehr extrem gewesen, sagte Gronenberg. Sein Gesicht, so ergänzte Oberstaatsanwalt Lorenz, sei dabei „fast schon zu einer Fratze“ geworden. Als er das Büchlein erhalten hatte, habe der Beschuldigte eine bestimmte Seite gesucht, ein Gebet laut gebetet und sich dabei immer wieder bekreuzigt. „Damit habe ich Druck abgebaut“, sagte der Beschuldigte jetzt vor dem Landgericht und sowohl sein Verteidiger als auch die Staatsanwaltschaft bestätigen, dass sein Verhalten im März vor dem Haftrichter nach der Gebetsszene plötzlich wieder völlig unauffällig gewesen war.

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Im weiteren Verlauf der Verhandlung am zweiten Tag schilderten fünf Nachbarn, was in der Wohnsiedlung in Lienheim nach der Tat bis zum Eintreffen von Polizei und Rettungsdienst geschah und wie sie der schwer verletzten Schwester des Beschuldigten und dem noch schwerer verletzten Bruder zur Hilfe eilten.