Eine gute Nachricht vorneweg: Laut externem Gutachten sinkt die Lärmbelastung durch die Elektrifizierung der Hochrheinbahn. Und das, obwohl in Zukunft mehr Züge fahren sollen.

Der Grund seien die elektrisch betriebenen Züge, die 2027 die Dieselmotoren ablösen sollen. Außerdem sollen doppelstöckige Züge, die starke Erschütterungen verursachen, entfallen.

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Damit all das aber so eintreten kann, sind umfangreiche Baumaßnahmen notwendig, um die Strecke zu elektrifizieren. Diese bringen freilich Eingriffe in die Natur mit sich und betreffen Eigentumsverhältnisse und andere Interessen entlang der Strecke.

Welche Vorbehalte dies auf Seiten der Anrainer mit sich bringt und welche Sorgen bestehen, das war Gegenstand eines Erörterungstermins in Grießen, bei dem vor allem der Bauabschnitt zwischen Waldshut und Erzingen in den Blick genommen wurde.

Kleinere Arbeiten sollen schon 2024 beginnen

Anwesend waren bei dem Verfahren Vertreter der Deutschen Bahn, der Stadt Waldshut-Tiengen, Der Gemeinde Klettgau, des Regierungspräsidiums Freiburg und Privatpersonen.

„Wir möchten jeder Frage mit einer möglichst kompetenten Antwort begegnen“, erklärte Ronald Heil, Projektleiter, das elfköpfige Team der Deutschen Bahn zum Anhörungsverfahren in Grießen. Der Plan sehe vor, dass bereits 2024 mit kleineren Arbeiten begonnen werden kann. Wann welcher Abschnitt der Hochrheinbahn in der Hauptbauzeit von 2025 bis 2027 an die Reihe komme, stehe noch nicht fest.

Ronald Heil, Projektleiter der Deutschen Bahn für die Elektrifizierung der Hochrhein-Strecke, informiert die Mitglieder des Gemeinderats ...
Ronald Heil, Projektleiter der Deutschen Bahn für die Elektrifizierung der Hochrhein-Strecke, informiert die Mitglieder des Gemeinderats Waldshut-Tiengen über die geplanten Umbaumaßnahmen am Bahnhof Waldshut. Hier eine Aufnahme vom 27. September 2021. | Bild: Schlichter, Juliane

Stellvertretend für das Regierungspräsidium Freiburg leitete Maria-Franziska Jüling das Anhörungsverfahren. Sie ist es auch, die das Verfahren im kommenden Jahr mit einer abschließenden Stellungnahme beenden wird.

Das Paket der Fragen, Anregungen und Forderungen war umfangreich. Es ging um Bedenken wegen möglicher Eingriffe in den Straßenverkehr, um Ausgleichsmaßnahmen und die Sorge vor drohender Enteignung.

Schranken in Erzingen verursachen auch in Zukunft Stau

Ozan Topcuogullari, Bürgermeister von Klettgau, war der erste, der die Belange seiner Gemeinde vorstellte. Im Mittelpunkt stand die Stausituation an den drei Bahnübergängen in Erzingen. „Schon jetzt gibt es, jedes Mal wenn die Schranke unten ist, einen Rückstau der wartenden Autos bis auf die B34“, sagte er.

Ozan Topcuogullari, Bürgermeister Klettgau
Ozan Topcuogullari, Bürgermeister Klettgau | Bild: Oldenburg; Kaii

Vor allem der Bahnübergang zum Industriegebiet sei betroffen. „Neben den Lastwagen fahren hier auch alle entlang, die einkaufen gehen möchten.“ Weitere Autofahrer, die durch den Stau an der Weiterfahrt auf der Bundesstraße behindert werden, würden dann riskante Überholmanöver in Kauf nehmen. Er befürchte, dass die Problematik künftig noch zunehmen könnte, so Topcuogullari.

Ronald Heils Antwort: „Die Züge sollen sich in Zukunft im Bahnhof treffen, sodass in einer Stunde lediglich zwei Mal fünf Minuten die Schranken schließen müssen.“ Zu viel findet Topcuogullari. „Zehn Minuten innerhalb von 60 Minuten ist eine enorm lange Zeit.“

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Auch den Lösungsvorschlag von Heil, zwischen der Ein- und Ausfuhrzeit der Züge, für eine Minute die Schranken zu öffnen, schlug Topcuogullari aus. „Bis sich der Stau bewegt, stehen die Autos mitten auf den Gleisen, wenn die Schranken dann wieder schließen.“ Zu einer Lösung, die für beide Parteien praktikabel ist, sind die beiden Parteien während des Anhörungsverfahrens nicht gekommen.

Barrierefreiheit – ein großes Anliegen der Stadt Waldshut-Tiengen

Auch in Tiengen sind die Schließzeiten des Bahnübergangs am Bahnhof Thema. Die Stadt fordert deshalb, im Rahmen der Elektrifizierung eine zusätzliche Überführung einzurichten. „Wir müssen dafür sorgen, dass niemand mehr die Gleise passiert, während die Schranken schon unten sind“, erklärte Ralph Albrecht, Waldshut-Tiengener Ordnungsamtsleiter.

Ralph Albrecht, Leiter des Ordnungsamts Waldshut
Ralph Albrecht, Leiter des Ordnungsamts Waldshut | Bild: privat

Das gelinge nur, wenn Fahrgäste sicher über den Gleisen die Seite wechseln können. Außerdem sei der bisherige Bahnübergang zu weit vom Bahnhof entfernt. „Barrierefreiheit hat auch etwas mit Entfernungen zu tun“, betonte Albrecht. Die Vertreter der Deutschen Bahn hingegen sehen keinen Bedarf für eine zusätzliche Personenüberführung. Die bisherige würde auch in Zukunft ausreichen und sei gut zu erreichen.

Ebenfalls auf Granit biss die Stadt beim Thema Wetterschutzhäuser am Bahnhof Tiengen. Im Plan der Deutschen Bahn seien zwei Stück davon vorgesehen. Zu wenig, findet Albrecht. An den Plänen sei aber nicht zu rütteln, da sich der Bedarf an mehreren festgesetzten Parametern wie etwa der Fahrgastdichte orientiere. Selbst das Argument der vielen Kinder und Jugendlichen, die in Tiengen zur Schule gehen, zog nicht.

In Waldshut gibt es einen Aufzug statt einer Rampe

Philipp Frank, Oberbürgermeister von Waldshut-Tiengen, wünscht sich am Bahnhof Waldshut für die Zukunft eine Rampe zwischen Gleis zwei und drei, um die Barrierefreiheit zu gewährleisten. Die Pläne der Deutschen Bahn sehen allerdings einen Aufzug vor.

„Wir fänden eine Rampe sinnvoller. Gerade weil Aufzüge in den Verruf geraten sind, häufig defekt zu sein“, sagte Frank. Außerdem fragte sich der Oberbürgermeister, wie Fahrgäste mit großen Elektrofahrrädern zu den Gleisen kommen können, wenn diese nicht in den Aufzug passen.

Philipp Frank, Oberbürgermeister Waldshut
Philipp Frank, Oberbürgermeister Waldshut | Bild: privat

Die Antwort des Projektleiters der Deutschen Bahn: „Wir haben das Anliegen geprüft, können an der Stelle aber keine Rampe anbringen.“ Es gebe schlicht zu wenig Platz für eine Rampe mit entsprechenden Richtlinien. „Wir könnten die Rampe in der Länge zwar realisieren, aber in der Breite fehlen uns 1,20 Meter“, erklärte Heil anhand einer Skizze.

Die Spaltung von Nord- und Süd-Waldshut

Die Arbeiten am Bahnhof Waldshut würden unter anderem dazu führen, dass die Fußgängerunterführung ins Ziegelfeld so wie bisher nicht mehr bestehen könne. Sie müsse im Zuge der Umbaumaßnahmen verfüllt werden und sei damit nicht mehr zugänglich.

Oberbürgermeister Philipp Frank sprach in dieser Sache sogar von einer Spaltung der Nord- und Südstadt. Und auch Thomas Kuhn, stellvertretender Leiter des Tiefbauamts, schloss sich an: „Wir sind dabei, den Fahrradverkehr in den kommenden Jahren besser auszubauen.“ Da ist die Verfüllung dieser Unterführung ein herber Rückschlag. Die Stadt suche weiter nach einer Lösung.

Landwirte fürchten um ihre Felder

Neben den Kommunen brachten auch Privatpersonen ihre Belange am Anhörungsverfahren hervor. Darunter zwei Landwirte. Doch von vorne: Die Deutsche Bahn benötige für für das geplante Vorhaben der Elektrifizierung zwingend Ausgleichsflächen. Diese würden wegen des Artenschutzes notwendig, müssten sich in unmittelbarer Nähe der Gleise befinden und würden mit Büschen, Hecken und anderen Pflanzen bepflanzt.

Das Feld gegenüber des Bahnhofs Grießen wurde von der Deutschen Bahn als Ausgleichsfläche für den Artenschutz in Betracht gezogen.
Das Feld gegenüber des Bahnhofs Grießen wurde von der Deutschen Bahn als Ausgleichsfläche für den Artenschutz in Betracht gezogen. | Bild: Nico Talenta

Im Vorhaben wurden bereits Flächen von Landwirten mit in die Überlegungen einbezogen. Das Problem: Die Flächen würden für die landwirtschaftliche Nutzung unbrauchbar werden. Ronald Heil: „Wir brauchen eine Lösung und könnten die Flächen erwerben. Alternative Flächen sind quasi nicht vorhanden.“ An einem Verkauf haben die Landwirte aber kein Interesse.

Die beiden Parteien konnten sich auf keine Lösung einigen, in der beide Interessen vertreten sind, würden aber noch mal ein Gespräch suchen, um sich zu verständigen. Eine Zwangsenteignung sei laut Maria-Franziska Jüling immer der letzte Ausweg, aber nicht undenkbar.