Güterzüge mit bis zu mehreren hundert Metern Länge ratterten noch in den 70er und 80er Jahre in großer Stückzahl über die Hochrheinstrecke, faszinierten dabei den unbedarften Betrachter ebenso wie sie für Anwohner der Bahngleise zur Belastung wurden. Denn mit ihnen ging nicht zuletzt ein erheblicher Lärm einher.
Die Pläne zur Elektrifizierung der Hochrheinbahn schüren nun insbesondere bei vielen Menschen in Waldshut-Tiengen Ängste, dass damit auch der Güterverkehr auf der Schiene im großen Stil ausgebaut werden könnte. Denn unter anderem werden zwischen Tiengen und Erzingen an den Bahnhöfen Kreuzungsgleise gebaut. Aber sind die Sorgen berechtigt? Wir haben bei der Bahn nachgefragt.
Plant die Deutsche Bahn einen Ausbau des Güterverkehrs?
Hier gibt es seitens der Bahn Entwarnung – aber unter einem Vorbehalt: „Die Verlagerung von durchgehendem oder auch langlaufendem Güterverkehr auf die Schiene am Hochrhein ist nicht wahrscheinlich, da die Hochrheinstrecke sich nicht an einer Güterverkehrsachse befindet“, erklärt eine Bahnsprecherin.
Außerdem sei es ja Ziel der Deutschen Bahn, dass insbesondere tagsüber das Nahverkehrsangebot ausgeweitet werde und am Ende so dicht belegt sei, dass gar keine freien Zeitfenster für weiteren Güterverkehr übrig bleiben, heißt es auf Nachfrage unserer Zeitung weiter.
Allerdings: Die Sache kann ganz anders aussehen, wenn ein anderer Anbieter die Konzession für den Streckenbetrieb übernimmt. Als ein Kandidat für den Streckenbetrieb nach der Elektrifizierung wird in diesem Zusammenhang die Schweizer SBB gehandelt.
Das Unternehmen hat unter Verweis auf eigene Ausbauprojekte auf Schweizer Staatsgebiet, insbesondere in der Region Basel, bereits vor einigen Jahren auf Nachfrage Abstand von einer möglichen Nutzung der Hochrheinstrecke für Gütertransporte genommen.
„Generell steht der Zugang zum Schienennetz allen Eisenbahnverkehrsunternehmen offen. Deshalb kann die DB den Güterverkehr per Gesetz nicht ausschließen“, so die Sprecherin der Bahn. Es gehe hier um den Grundsatz des diskriminierungsfreien Zugangs zur Infrastruktur.
Welche Defizite hat die Hochrheinstrecke?
Es sei auch davon auszugehen, dass sich die Strecke auch nach dem Ausbau „nur sehr bedingt für einen wirtschaftlich interessanten durchgehenden Güterverkehr, z.B. mit langen Zügen“ eigenen werde, sagt die Bahnsprecherin.
Auch nach der Elektrifizierung werden demnach keine ausreichend langen Überholungs- oder Kreuzungsgleise vorhanden sein. Darüber hinaus bleibe der Abschnitt zwischen Waldshut und Erzingen außerhalb der Bahnhöfe eingleisig, während in den Bahnhöfen jeweils Kreuzungsgleise installiert werden, die eine Nutzung beider Bahnsteige ermöglichen.

Erschwerend kommt etwa der Rappenstein-Tunnel bei Laufenburg hinzu, der auch zukünftig keine großen Containerprofile zulasse, so die Bahnsprecherin.
„Im Hinblick auf den regionalen Güterverkehr geht die DB davon aus, dass sich das Aufkommen in heutigem Umfang bewegt“, betont die Bahn. Gleisanschlüsse und bahnaffine Industrie seien lediglich in Grenzach, Rheinfelden und in geringem Maß im Murger Güterbahnhof vorhanden.
Könnte die Elektrifizierung die Nutzung der Strecke für Güterverkehr erleichtern?
Zumindest in der Theorie auf jeden Fall. Eine elektrifizierte Strecke an sich sei für Güterverkehr grundsätzlich von Vorteil, wenn hierdurch sogenannte „Dieselinseln“ überbrückt und das Umspannen der Lokomotive vermieden werden könne, erklärt die Bahnsprecherin.
Allerdings würden die Kapazitäten und die generellen Bedingungen der Strecke für den Güterverkehr nicht verbessert. Es sei nämlich nicht vorgesehen, die dargestellten baulichen und topografischen Einschränkungen zu beseitigen, betont die Bahnsprecherin.
Außerdem hätten auch alle Untersuchungen ausschließlich die Zielsetzung der Ausweitung des Personennahverkehrs als Basis gehabt. Das gelte auch mit Blick auf die damit verbundenen Lärmschutzmaßnahmen, die bei Güterverkehr natürlich anders bemessen sein müssten.
Ist dennoch mit Behinderungen durch Güterverkehr in Teilbereichen zu rechnen?
„Die einzelnen Güterzüge mit dem Ziel der Industrie am Hochrhein sind im Zukunftsszenario berücksichtigt“, betont die Bahn. Auf denjenigen Streckenabschnitten, wo Güterverkehr aktuell fährt und zukünftig erwartet wird – vorwiegend im Bereich zwischen Basel und Rheinfelden – sei die Strecke seit vielen Jahren bereits zweigleisig ausgebaut.
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