Die Hochreinstrecke ist und bleibt ein Sorgenkind in Baden-Württemberg. Ob von Basel in Richtung Lauchringen oder Friedrichshafen oder in die andere Richtung. Dass die Züge Verspätungen haben oder gar komplett ausfallen, ist keine Seltenheit. Erst am Sonntagabend konnte der IRE 3 von Friedrichshafen in Richtung Basel in Singen nicht weiterfahren, weil zu viele Menschen im Zug waren. Sogar die Bundespolizei begleitete, wie sie auf Nachfrage mitteilte, die Räumung des Zugs, damit dieser weiterfahren konnte. 20 Reisende und fünf Fahrradfahrer mussten den Zug auf Anweisung eines Zugbegleiters verlassen, bevor dieser mit zehn Minuten Verspätung weiterfahren konnte.

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Gerade dieser Fall zeigt, dass das Neun-Euro-Ticket eine Belastungsprobe für die Deutsche Bahn wird und dies nicht nur während des Pendelverkehrs. Dennoch können nicht alle Probleme nur auf das Ticket zurückgeführt werden.

Wenn der Zug zu voll ist

Der Fall von Sonntagabend mit dem IRE 3 sei kein Einzelfall im Land, wie Malte Decker von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (nvbw) auf Anfrage des SÜDKURIER erklärt. Die nvbw führt regelmäßige Qualitätschecks auf den Strecken im Land durch. Von der Deutschen Bahn (DB) werden sie dafür informiert, wenn es Ausfälle oder Verspätungen gibt, so auch im Fall vom Sonntag.

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„Da das vergünstigte Ticket deutschlandweit gilt und damit in allen Regionen gleichzeitig Kapazitätsprobleme entstehen, sind die Reserven an zusätzlich einsetzbaren Fahrzeugen und Personal leider sehr gering“, so Decker in Bezug auf den überfüllten Interregio-Express. Auch dass das Ticket so kurzfristig kam, sei ein Problem. „Die Herstellung neuer Fahrzeuge und die Ausbildung neuer Triebfahrzeugführer benötigen deutlich mehr Zeit, als zur Verfügung stand“, so Decker.

Gerade an Wochenenden viel los

Wie eine Sprecherin der DB erklärt, seien durch das Ticket vor allem touristische Strecken am Wochenende besonders beliebt. Die Hochrheinstrecke sei so eine Strecke. „Gerade dann ist es wichtig, aufeinander Rücksicht zu nehmen“, sagt sie und bittet um Verständnis. Man habe die Kapazität schon deutlich erhöht. Dennoch sei es schwer, diese Anstürme zu bewältigen. Für unter der Woche empfiehlt die Sprecherin: „Wenn man keinen Termin hat, dann sollte man die Rushhour am besten meiden.“

Hochrheinbahn kämpft nicht nur mit dem neuen Ticket

Im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres belegte die Hochrheinstrecke (Basel – Waldshut – Erzingen) den vorletzten Platz im Qualitätscheck der nvbw. Auf die Pünktlichkeit bezogen, lag die Hochrheinbahn von den 28 getesteten Strecken allerdings auf dem 9. Platz. Bis zum Mai konnte die Hochrheinbahn in Sachen Pünktlichkeit sogar nachbessern. Von knapp 90 Prozent im zweiten Halbjahr 2021 auf ungefähr 92 Prozent (Januar bis Mai).

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Nun das große Aber: In den Monaten Juni und Juli nahm die Pünktlichkeit drastisch ab – um gut zehn Prozent, wie Decker erklärt. Zum Vergleich: Bei der Regionalbahn zwischen Schaffhausen und Erzingen nahm die Pünktlichkeit auch ab, aber nur zwischen ein und zwei Prozentpunkten. So scheint die Hochrheinstrecke dem Neun-Euro-Ticket-Boom nicht gewachsen zu sein.

Auch die Ausfälle häufen sich

Zwei Prozent weniger Ausfälle gab es in den Neun-Euro-Ticket-Monaten Juni und Juli, im Vergleich zu den Durchschnittswerten in den Monaten Januar bis Mai. Dort sind ungefähr 9,5 Prozent der geplanten Zug-Kilometer ausgefallen. Auch wenn das nach einer Verbesserung aussieht, trügen die Zahlen. Denn aufgrund der Pandemie und der schwierigen Personalsituation fuhr die Hochrheinbahn dieses Jahr im Winter mit einem reduzierten Fahrplan. Die Züge, die durch diesen Fahrplan weggefallen sind, wurden als Ausfälle verbucht.

Im zweiten Halbjahr 2021 lag die Ausfallquote bei unter 2,5 Prozent. Mit 7,5 Prozent in den Monaten Juni und Juli in diesem Jahr ist der Anteil an ausgefallenen Kilometern also immer noch deutlich zu hoch. Die Verbesserung zu den Vormonaten kam nur zustande, weil die Hochrheinbahn wieder mit dem normalen Fahrplan fährt und damit weniger Ausfälle sozusagen eingeplant sind.

Nicht nur das Neun-Euro-Ticket ist schuld: Viele Probleme bleiben

Ja, das Neun-Euro-Ticket ist ein Teil des Problems, warum es auf der Hochrheinbahn, aber auch auf anderen Strecken zu einer Häufung von Verspätungen und Ausfällen kommt. Decker von der nvbw macht aber auch klar, dass es viele weitere Gründe gibt: „Andere Ursachen, wie zum Beispiel Störungen der Infrastruktur (Verantwortungsbereich von DB Netz), die hohe Zahl an Fahrzeugstörungen (teilweise bedingt durch sehr hohe Temperaturen) oder der hohe Krankenstand beim Personal tragen ebenfalls zur unbefriedigenden Lage bei“, schreibt Decker in seiner Antwort. Die Effekte dieser Probleme würden durch das Neun-Euro-Ticket verstärkt. Das bedeutet aber auch, dass die Probleme mit dem Auslaufen des Neun-Euro-Tickets zum Ende des Monats nicht verschwinden werden.