Die Europa- und die Kommunalwahl 2024 im Kreis Waldshut – die Schlacht ist geschlagen. Aber der Urnengang wird in Erinnerung bleiben. Das sind die drei Hauptaspekte, warum es so speziell war.

  1. Späte Auszählung durch hohe Briefwahl-Anteile: „Ja, wir waren die Letzten, ja wir hatten im Landkreis die rote Laterne“, sagt Klettgaus Hauptamtsleiter Andreas Mosmann. Erst gegen 22.40 Uhr am Wahlabend des 9. Juni konnte die Gemeinde Klettgau das vorläufige Endergebnis der Europawahl offiziell durchgeben, eigentlich schon nach Ablauf der Melde-Deadline.

Grund für die Verzögerung bei der Auszählung war der hohe Anteil von Briefwahlunterlagen – für die Europawahlen wie für die Kommunalwahlen. Und deren Zahl ist im Vergleich zu den Kommunal- und Europawahlen 2019 geradezu explodiert. Hatte sie laut Mosmann vor fünf Jahren für beide Wahlen bei 781 gelegen, war sie jetzt auf 1159 hochgeschnellt – fast 50 Prozent mehr. Und wie prall gefüllt die Urne war, konnte die Gemeinde nur bedingt wissen. „Uns war die Zahl der beantragten Briefwahlunterlagen bekannt, jedoch nicht, wie viele sie dann auch tatsächlich abgeben“, erklärt Mosmann.

Bei Briefwahlunterlagen war vieles vertauscht

Die schiere Menge an Briefwählenden war ein Grund. Sie rechtzeitig in den Blick zu nehmen, kam hinzu. Bisher hatte die Gemeinde die Briefwahlunterlagen am Wahlsonntag um 15 Uhr einer Prüfung unterzogen: Alles vorhanden? Alles richtig einkuvertiert? Bisher war das frühzeitig genug für den Briefwahlvorstand, nicht in Stress zu geraten. Aber dieses Jahr wohl nicht. Auch weil sich herausstellte, dass bei den Unterlagen vieles vertauscht war, manches fehlte und Stimmzettel teils in falschen Umschlägen steckten.

Faktor Nummer drei für den Auszählungsstress in Klettgau: Dass die Europawahl 2024 für den amtierenden Briefwahlvorstand eine Premiere war. Aber Mosmann will den Blick jetzt nach vorne richten und daraus für 2029 lernen: Früher mit der Sichtung der Briefwahlunterlagen beginnen oder die Zählgruppen personell aufstocken. Den Anstieg der Zahl an Briefwählenden findet er bemerkenswert. Er sagt: „Früher haben das nur die gemacht, die am Wahltag abwesend sind. Heute machen es viele, weil sie keine Lust haben, ins Wahllokal zu kommen.“

Zwar nicht ganz so lange, aber auch bis etwa 21.45 Uhr dauerte die Auszählung der Briefwahlunterlagen für die Europawahl in Waldshut-Tiengen. Denn auch in der großen Kreisstadt ist der Anstieg der Briefwählenden groß, wenn er auch – von 2500 auf 2850 – nicht so krass angestiegen wie in Klettgau. Das erklärt Julia Ritz, Leiterin der Geschäftsstelle Gemeinderat bei der Stadtverwaltung.

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  1. Überhang- und Ausgleichsmandate: Bei einer Kreistagswahl stehen jedem Wahlbezirk eine fixe Zahl an Sitzen im Kreistag zu. Grundlage dafür ist der Anteil der Bevölkerung im Wahlbezirk. Entsprechend hat der Wahlkreis Waldshut zehn Kreistagssitze, der Wahlkreis Bad Säckingen fünf. Nach Abgabe aller Stimmen im Wahlkreis findet ein Verhältnisausgleich statt. Damit möchte man sicherstellen, dass die gewählten Parteien oder politischen Vereinigungen auch entsprechend der im gesamten Wahlkreis abgegebenen Stimmenzahl im Kreistag vertreten sind. Die abgegebenen Stimmen werden deshalb für jede Partei in jedem Wahlkreis gleichwertig gemacht und über den gesamten Landkreis addiert.

AfD mit 11,3 Prozent Stimmen und 14,6 Prozent Sitzen

Nach dem Verfahren Sainte Laguë/Schepers wird dann festgestellt, wie viele Sitze einer Partei oder Wählervereinigung im Kreistag zustehen. Hat eine Partei mehr Sitze erhalten, als ihr nach Betrachtung der Gesamtstimmen im Landkreis zustehen, was aktuell für die AfD gilt, darf sie die Mehrsitze behalten. Die AfD hat 11,3 Prozent der Stimmen geholt. Sieben gewonnene Kreistagssitze wären bei 48 Gesamtsitzen regulär aber 14,6 Prozent.

Um das Ungleichgewicht auszugleichen, bekommen die anderen Ausgleichsmandate. Auch 2019 war das schon so. Vor fünf Jahren wurde die Zahl der Kreisrätinnen und Kreisräte von 48 auf 50 aufgestockt. Beide Ausgleichssitze, einer für den Wahlkreis Waldshut und einer für Wutöschingen, gingen damals an die AfD. Wie viele dem Waldshuter Kreistag für die kommenden fünf Jahre angehören, steht noch nicht fest. Derzeit wird von 57 ausgegangen. Es sind vier Ausgleichssitze für die CDU, zwei für die SPD, zwei für die Freien Wähler und einer für die FDP.

  1. Leere Listen bei Ortschaftsratswahlen: Das ist ein Phänomen, das vor allem Waldshut-Tiengen kennt. In den fünf Ortsteilen – Aichen/Gutenberg, Breitenfeld, Detzeln, Krenkingen und Gaiß-Waldkirch – können die Wählerinnen und Wähler die Namen der Wahlberechtigten auf den Wahlzetteln selbst eintragen und so Stimmen vergeben – wilde Wahlen. Förmliche Wahlvorschläge gibt es keine. Wer ausreichend Stimmen bekommt, muss die Wahl dann auch annehmen, es sei denn, sie oder er kann sehr gute Gründe dagegen angeben.

Keine Ortschaftsrätinnen und -räte wider Willen

Besonders häufig werden bei wilden Wahlen Vereinsvorsitzende oder Feuerwehrleute auf die Liste geschrieben. Auch Ritz sagt, dass Interessenten für die Ehrenämter durchaus feststünden und sie im Ort auch bekannt seien. Dass wirklich jemand gegen seinen Willen Ortschaftsrat wird, komme selten vor. Es mache ja auch keinen Sinn, ihn oder sie dazu zu zwingen. Aber auch klar: Keine förmlichen Wahlvorschläge macht die Auszählung der Stimmen aufwendiger: Namen entziffern, Wählbarkeit prüfen, Fantasienamen aussortieren – das kostet Zeit.

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