Wenn im Familien- oder Bekanntenkreis über politische Gremien geredet wird, geht es meist um den Bundestag in Berlin, seltener um den Landtag in Stuttgart, häufiger um den Gemeinderat im Heimat- oder Wohnort, kaum aber um den Kreistag. Er führt ein Schattendasein. Zu Unrecht. Am 9. Juni sind im Kreis Waldshut mehr als 120.000 Menschen aufgerufen, den Kreistag für die kommenden fünf Jahre zu wählen.

Welche Bedeutung hat der Kreistag

Der Kreistag, so heißt es in der Landkreisordnung für Baden-Württemberg, ist „die Vertretung der Einwohner und das Hauptorgan des Landkreises. Er legt die Grundsätze für die Verwaltung des Landkreises fest und entscheidet über alle Angelegenheiten des Landkreises, soweit nicht der Landrat kraft Gesetzes zuständig ist oder ihm der Kreistag bestimmte Angelegenheit überträgt.“

Das ist im Alltagsgeschäft nur höchst selten so spektakulär und öffentlichkeitswirkam wie der Beschluss im Jahr 2017 zur Schließung des Krankenhauses in Bad Säckingen. Das hat aber fast immer direkte Auswirkungen auf das Leben der Kreisbewohner.

Welche Entscheidungen werden im Kreistag Kreistag getroffen?

So ist der Kreis und damit letztlich der Kreistag unter anderem zuständig für die Abfallbeseitigung, der Kreis ist Träger der beruflichen Schulen in Waldshut und Bad Säckingen sowie einiger sonderpädagogischer Einrichtungen; der Kreis unterhält ein verzweigtes Netz an Kreissstraßen; er fördert den Breitbandausbau und den Ausbau des öffentlichen Personalverkehrs. Und schließlich: der Kreistag bestimmt über den Haushalt des Landkreises und damit darüber, wie viel jede einzelne Gemeinde pro Jahr zur Finanzierung des Landkreises an Kreisumlage zu bezahlen hat.

Wie wird der Kreistag gewählt?

Den Begriff „echte Teilortswahl“ kennt das baden-württembergische Wahlrecht nicht. Und doch beschreibt er das Wahlverfahren bei der Kreistagswahl treffend. So eine „echte Teilortswahl“ unterscheidet sich von der „unechten Teilortswahl“, wie es sie in vielen Städten und Gemeinden noch gibt, dadurch, dass die Vertreter eines Wahlbezirks nur von den Wahlberechtigten gewählt werden, die auch in diesem Wahlbezirk leben.

Bei der „unechten Teilortswahl“ dürfen alle Wahlberechtigten einer Stadt oder Gemeinde die Vertreter aller Teilorte wählen. Bei der Kreistagswahl wird zunächst das Ergebnis in den einzelnen Bezirken ermittelt; dann das Ergebnis auf Landkreisebene. Kommt es dabei zu einer Diskrepanz, stünden einer Partei oder Wählervereinigung im Gesamtergebnis mehr Mandate zu als sie in den Wahlbezirken erhalten hat, gibt es sogenannte Überhangmandate. Im noch amtierenden Kreistag hat die AfD zwei Überhangmandate erhalten.

Wie sieht es im aktuellen Kreistag aus?

Dem noch amtierenden Kreistag gehören 50 Kreisrätinnen und Kreisräte an. Stärkste Fraktion ist die CDU mit 18 Sitzen vor den Freien Wählern mit elf Sitzen. Die Grünen stellen acht Kreisräte und Kreisrätinnen, die SPD deren sieben, die FDP gewann vor fünf Jahren vier Mandate und die AfD deren zwei.

In welche Wahlkreise ist der Landkreis eingeteilt?

Wegen der Überhangmandate lässt sich erst nach Vorlage des Endergebnisses sagen, wie groß der Kreistag künftig sein wird. Mindestens 48 Mitglieder werden ihm angehören. Der Kreis Waldshut ist in sieben Wahlbezirke eingeteilt, die unterschiedlich viele Sitze im Kreistag haben.

Der größte Wahlkreis ist der Wahlkreis Waldshut-Tiengen, dem noch die Gemeinden Dogern, Weilheim und Lauchringen angehören. Ihm stehen zehn Sitze zu. Acht Sitze stehen dem Wahlkreis Wutöschingen zu, dem noch die Städte und Gemeinden Bonndorf, Wutach, Grafenhausen, Ühlingen-Birkendorf, Stühlingen und Eggingen angehören.

Je sieben Sitze entfallen auf die Wahlkreise Laufenburg mit Albbruck und Murg sowie Klettgaumit Küssaberg, Hohentengen, Dettighofen, Jestetten und Lottstetten. Sechs Sitze stehen dem Wahlkreis St. Blasien mit Görwihl, Herrischried, Todtmoos, Bernau, Ibach, Dachsberg. Häusern und Höchenschwand zu. Je fünf sind es für die Wahlkreises Wehrmit Rickenbach und Bad Säckingen. Bad Säckingen ist folglich die einzige Stadt im Kreis, die einen Wahlbezirk nur für sich hat. Mindestens fünf Mandate sind der Trompeterstadt damit garantiert.

Welche Rolle spielen die Bürgermeister im Kreistag?

Dem Kreistag wird nachgesagt, ein von Bürgermeistern dominiertes Gremium zu sein. Die Bürgermeister sind zwar stark vertreten, von einer Dominanz kann aber keine Rede sein. Aktuell gehören dem Kreistag 21 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister an; darunter sieben Gemeindeoberhäupter außer Dienst.

Zur Kreistagswahl am 9. Juni treten 25 der insgesamt 32 amtierenden Oberbürgermeister und Bürgermeister im Landkreis auf einer der Wahllisten an. Dabei ist jetzt schon klar, dass nicht alle Bürgermeister in den Kreistag einziehen können. Im Wahlkreis St. Blasien gehören acht Bürgermeister zu den Kandidaten für die sechs Sitze.

Spannend dürfte es in der Kreisstadt werden, wo Oberbürgermeister Martin Gruner für die Freien Wähler kandidiert und die Erste Beigeordnete Petra Dorfmeister bei der CDU.

Und in Wehr kommt es abermals zu einem Duell zwischen dem amtierenden Bürgermeister Michael Thater und seinem Vorgänger Klaus Denzinger. Letzterer hatte die Wahl 2014 in Wehr und Rickenbach mit 4010 Stimmen klar für sich entschieden. Auf Michael Thater entfielen 2548 Stimmen. In Bad Säckingen gilt Bürgermeister Alexander Guhl als gesetzt. Er tritt wieder für die SPD an.

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Wie viele Kandidaten treten bei der Kreistagswahl 2024 an?

In den sieben Wahlbezirken treten 331 Kandidatinnen und Kandidaten an. Das sind zwei weniger als bei der Wahl 2019. Diese 331 Kandidatinnen und Kandidaten verteilen auf sechs Parteien und Wählervereinigungen. CDU, Freie Wähler, SPD, Grüne, FDP und AfD haben in allen Wahlbezirken Listen gebildet. Eine Übersicht über alle Kandidaten finden Sie hier. 

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Wann steht das Ergebnis fest?

Auf das Ergebnis der Kreistagswahl muss auch in diesem Jahr gewartet werden. Nach Schließung der Wahllokale wird am Sonntag in den 32 Städten und Gemeinden zunächst die Europawahl ausgezählt. Die Gemeinderats-, Kreistags- und Ortschaftsratswahlen folgen später. Vielerorts wird erst am Montag mit der Auszählung dieser Wahlen begonnen. Das Landratsamt erwartet das Endergebnis der Kreistagswahl denn auch nicht vor Montagabend.

Rund um die Kommunalwahl

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Wer will in den Gemeinderat?

Hier die Übersicht der 32 Gemeinden im Kreis Waldshut von Albbruck bis Wutöschingen:

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Wer kandidiert für den Ortschaftsrat?

Es gibt nicht in jeder Gemeinde Ortschaftsräte, aber dort, wo es sie gibt, wird auch dieses Gremium am 9. Juni 2024 gewählt. Hier der Überblick:

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Und wer will in den Kreistag?

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