Der mit den Geistern
Schaurig wie in seiner Achterbahn könnte Nicolai Böhm aus Ulm auch werden, wenn er an die vergangenen Monate denkt. „Uns geht es ganz schlecht“, sagt der Schausteller. Von Dezember 2019 hat er noch ein paar Rücklagen. Doch: „Es wird Zeit, dass wieder was reinkommt.“ Einige seiner Verwandten seien auf der Chilbi in Bad Säckingen als Schausteller mit dabei. Das Wochenende sei noch gut gelaufen. Doch dass nun nur noch 100 Personen gleichzeitig auf das Gelände kommen dürften, sei zu wenig über den Tag verteilt. „Da kommen wir gerade noch aus den Unkosten raus“, sagt der Betreiber der Geisterbahn. Er fügt hinzu: „Die Corona-Zeit war sehr heftig für uns, so ganz ohne Einnahmen, wir können gerade noch so leben.“
Die Frau am Mikro
Felicitas Högerle-Mai aus Heilbronn ist in dritter Generation Schaustellerin. Sie sagt: „Dafür muss man geboren sein.“ Die Leidenschaft merkt man ihr sofort an. Doch auch den Frust. Die letzten großen Einnahmen gab‘s für die Familie im Dezember 2019 beim Weihnachtszauber in Triberg. Im März folgte dann in Rheinfelden der Abbruch direkt nach dem Aufbau. Es folgten schwere Monate der Ungewissheit und der Depression. „Uns wurde den ganzen Sommer über der Beruf untersagt“, sagt sie. „Es war für uns eine Erleichterung, dass wir nach Bad Säckingen kommen konnten. Wir halten uns an das Hygienekonzept, denn das, was jede Wirtschaft kann, können wir auch“, sagt die junge Frau. An die Hygienemaßnahmen erinnert Högerle-Mai per Mikro die Besucher ihres Autoscooters immer wieder. Und sie betätigt auch die Pedale, mit denen die Scooter starten und die Sirene oder andere Soundeffekte ertönen. Sie ist die Frau für die Technik. Wenn die Familie nun ihre eigentliche Route fahren würde, wäre sie überwiegend in Rheinland-Pfalz unterwegs, hätte zwischen Aufbau, Abbau und Weiterfahrt ständig ein stressiges Programm. „Doch das ist das, was wir wollen, brauchen und was wir gewohnt sind.“
Der Sockenverkäufer
Schon seit 35 Jahren kommt Rainer Streblow aus Gengenbach mit seinem Stand auf den Chilbi-Markt nach Bad Säckingen. Er verkauft Strumpfwaren. „Die Krämermärkte sterben im Kampf gegen den Onlinehandel aus“, sagt er. „Und jetzt kam auch noch Corona, fast alle Märkte wurden abgesagt, das war für uns schon existenzbedrohend“, sagt er mit ernster Miene. Normalerweise ist er an 120 bis 150 Tagen im Jahr mit seinem Stand auf Märkten vertreten. Dieses Jahr waren es nur zehn. Die Unterstützung vom Staat habe dem Verkäufer zwar geholfen, aber auch nur, weil er und seine Frau sehr anspruchslos leben würden. In Bad Säckingen auf dem Markt habe es all die Jahre ein gutes Publikum gegeben. Nur in diesem Jahr sind weniger Leute unterwegs. „Die Menschen sind verunsichert“, erklärt er sich das.
Die Glücksfee
Mit einem Verlosungswagen, einer Schießbude und dem Kettenkarusell präsentiert sich die Schaustellerfamilie Vogel aus Bad Säckingen auf der Chilbi. Altersbedingt seien sie nur noch im Frühjahr und im März und zwar ausschließlich in ihrer Heimatstadt präsent. „Es läuft wirklich schlecht“, sagt Anita Vogel, die vor all den Kuscheltieren im Verlosungswagen steht. Viel ist sie hier noch nicht los geworden. „Sie sehen, es hat kaum Lücken“, sagt sie mit Blick auf die Tiere. Das Geschäft mache dieses Jahr nur 25 Prozent aus, erzählt sie. „Wir zahlen auch viel Platzgeld, das ist jetzt noch nicht wieder drin, sonst war es schon nach einem Tag wieder in der Kasse“, sagt sie. Sie und ihr Mann führen den Schaustellerbetrieb schon in fünfter Generation. Doch da sie keine Kinder haben, können sie den Betrieb nicht weitergeben.
Der Süßwarenhändler
Auch für Oliver Hirschberg von der Gierens GbR aus Weil am Rhein sei die Chilbi in Bad Säckingen die erste Veranstaltung seit März. Er ist mit einem Süßwarenstand und dem Kinderkarussell vor Ort. „Das war ein verlorenes Jahr, wir haben nichts verdient“, sagt Giersberg. „Wir haben staatliche Hilfe bekommen, aber wir hätten unser Geld schon lieber selbst verdient“, so der Verkäufer am Süßwarenstand umrahmt von vielen Lebkuchenherzen. Das vergangene Wochenende sei so gut gewesen, wie er es gewohnt sei. Doch wie es sich weiterentwickeln werde mit der Begrenzung der Besucher auf 100 Personen gleichzeitig, sei ungewiss.
Der Gürtelverkäufer
Statt wie im Durchschnitt 25 Markttage im September, waren es für Daniel Walter aus Offenburg in diesem Jahr nur drei. Das Hauptgeschäft zu Ostern und Pfingsten sei weggefallen. Walter bietet Lederwaren an, hauptsächlich Gürtel und Geldbeutel und das seit 22 Jahren. In diesem Jahr sei das Geschäft für ihn nicht gut gelaufen. Denn: „Es wurden nur Märkte veranstaltet, wo ohnehin nicht viel los ist. Der Offenburger sei auch viel in den Landkreisen Waldshut und Lörrach unterwegs. In diesem Jahr nehme er alles mit, was stattfindet, und dafür auch weite Wege auf sich. „Eigentlich geht man so nur für die Unkosten arbeiten“, sagt er. Die Leidenschaft als Verkäufer merkt man ihm an. „Ich mache es halt einfach gern, aber wenn es so weiter geht, geht‘s halt nicht mehr.“
Wie ein Chilbi-Besuch unter Einhaltung der aktuellen Corona-Regeln abläuft, sehen Sie in dieser Visual Story: