Weihnachten im Gefängnis sei für viele Häftlinge die schwerste Zeit während ihrer Haftstrafe, wissen Konrad Sieber und Jürgen Bendig, die beiden katholischen und evangelischen Gefängnisseelsorger der Justizvollzugsanstalt (JVA) Waldshut. „Viele vermissen ihre Familie, vor allem auch ihre Kinder. Manche haben ihr Baby noch nie gesehen“, sagt Konrad Sieber, der seit Jahrzehnten im Gefängnis tätig ist.
Gefangene können bei Seelsorgern Schwäche zeigen
Die Advents- und Weihnachtszeit ist deshalb auch die Zeit, in der die Häftlinge besonders viel Gesprächsbedarf haben. In der Regel führe er drei bis fünf Gespräche pro Woche, im Dezember seien es bis zu zehn. Konrad Sieber: „Es geht nicht immer um christliche Themen, sondern vor allem auch um Persönliches, um Selbstfindung, um die Familie. Aber natürlich beten wir auch zusammen.“
Jürgen Bendig: „Und seitdem wir nach Corona auch wieder in die Hafträume dürfen, nehmen immer mehr Insassen unser Angebot an.“ Bei den Seelsorgern können die Insassen Schwäche zeigen, die sie sonst verbergen müssen. „Sonst gehen sie dort unter. Schwache Menschen haben es im Gefängnis schwer“, weiß Sieber.
Gottesdienst wird am 27. Dezember auf gefliestem Gang gefeiert
An den Weihnachtsfeiertagen gibt es dieses Jahr keinen Gottesdienst, dafür am 27. Dezember einen ökumenischen. Der wird mitten auf einem gefliesten Gang gehalten, sagen die Seelsorger. „Die Insassen können sich einen Stuhl aus ihrer Zelle mitbringen. Wir versuchen auch, etwas zu dekorieren und stellen einen kleinen Altar auf“, erzählt Jürgen Bendig, der Diakon in Todtmoos ist und seit 2009 als Seelsorger arbeitet. Auch einen kleinen Weihnachtsbaum auf dem Gang soll es geben, genauso wie Weihnachtsmusik.
„Am ersten Weihnachtsfeiertag bekommen alle Inhaftierten ein kleines Geschenk überreicht. Da ist ein Kalender, Tabak und das Weihnachtsevangelium drin.“ Speziell über den Kalender oder Karten würden sich die Insassen am meisten freuen. „Das können sie dann in ihrer Zelle aufstellen“, weiß Sieber, der seit 1987 als katholischer Gefängnisseelsorger arbeitet.
Seelsorger erfüllen manchmal kleine Wünsche
Auch das Jahr über dürfen die Gefangenen bei den Seelsorgern kleine Wünsch äußern. „Wir sind die einzigen, die etwas ins Gefängnis mitbringen dürfen. Wenn sich jemand zum Beispiel einen besonderen Stift oder Block wünscht, machen wir das, soweit es geht, möglich“, sagt Sieber.
Früher waren noch kleine Pakete erlaubt
Der Seelsorger kann sich noch gut daran erinnern, als es in Waldshut noch erlaubt war, kleine Pakete zur Weihnachtszeit zu schicken. „Da sind die Leute aber teilweise auf illegale Ideen gekommen“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Da wurden zum Beispiel Drogen in Orangen gespritzt. Und genau aus solchen Gründen wurde das verboten, was auch richtig ist.“
67 Gefangene sind derzeit in der JVA Waldshut – die meisten sind männlich
Insgesamt 67 Gefangene gibt es in Waldshut derzeit. Die meisten sind Männer, die eine Strafhaft von bis zu 15 Monaten dort absitzen. „Die, die zu einer längeren Strafe verurteilt werden, kommen in ein anderes Gefängnis“, erzählt Konrad Sieber. „Das Gefängnis in Waldshut ist klein“, sagt er weiter, weshalb es dort auch nicht genügend Platz gebe.
Aber dennoch können dort auch schwere Jungs einsitzen, nämlich die, die sich gerade in Untersuchungshaft befinden. Das können übrigens auch Frauen sein. Insgesamt sechs Plätze gibt es für die weiblichen Insassen, wobei die räumlich von der Männern getrennt untergebracht sind. „Und auch die Gottesdienste werden getrennt voneinander gehalten“, informiert Jürgen Bender.

Keine Unterschiede zwischen den Menschen
„Für mich sind auch die Insassen Brüder und Schwestern im Herzen“, sagt Jürgen Bendig. „Ich mache da keine Unterschiede.“ Und Konrad Sieber ergänzt: „Tat und Mensch werden nicht gleich gestellt. Für die Tat kommt ein Mensch ins Gefängnis, trotzdem ist er ein Geliebter Gottes.“
Haben die Seelsorger Angst vor Übergriffen?
Nein, sagen beiden überzeugend. Jürgen Bendig: „Ich bin auch noch nie in eine Situation gekommen, die bedrohlich war. Als Seelsorger habe man bei den Gefangenen Pluspunkte und werde anders wahrgenommen. Aber: „Bei den Wärtern sieht es anders aus, da gibt es einige, die schon Gewalterfahrung gemacht haben“, weiß Bendig.
Generell habe die Gewaltbereitschaft in den vergangenen Jahren zugenommen. „Das liegt auch daran, dass die psychischen Belastungen bei den Gefangenen zunehmen“, sagen die Seelsorger. Ursache dafür sei unter anderem, dass die Insassen immer öfter aus Kriegsgebieten kämen und hohen Stressfaktoren ausgesetzt gewesen waren.
Doch trotz allem üben beide Seelsorger ihren Beruf voller Leidenschaft aus. Und so lange es möglich ist, wollen sie auch weiter im Gefängnis tätig sein, um den Gefangenen Mut und Hoffnung zu schenken oder auch nur, um ein offenes Ohr für ihre Sorgen zu haben.