„Ich bin einfach nur unendlich dankbar, dass ich hier bin, dass ich Weihnachten mit meiner kleinen Tochter erlebe. Das ist das Allergrößte!“ Das sind die Worte von Rebecca Kranich, der jungen Frau, deren Schicksal im vergangenen Jahr die Region bewegte, wie kaum ein anderes.

Rückblick: Rebecca Kranich ist 31 Jahre alt, als sie die Diagnose Leukämie (Blutkrebs) erhält. Ihre kleine Tochter ist damals gerade ein Jahr alt. Nur mit einer Stammzellspende hatte die junge Frau überhaupt eine Chance zu überleben. Die Suche nach Rebecca Kranichs Lebensretter beginnt und damit ein Wettlauf gegen die Zeit. Eine große Welle der Anteilnahme und Hilfsbereitschaft entwickelt sich von Bad Säckingen aus, wo die Familie damals lebt.

Die DKMS-Typisierungsaktion für Rebecca Kranich am 27. Juli 2019 im Bad Säckinger Stadtteil Wallbach.
Die DKMS-Typisierungsaktion für Rebecca Kranich am 27. Juli 2019 im Bad Säckinger Stadtteil Wallbach. | Bild: Olheide, Monika

Tausende lassen sich als Stammzellspender registrieren, unterstützten mit Spenden die DKMS und machen mit unterschiedlichsten Aktionen auf das Schicksal von Rebecca Kranich aufmerksam. In vorderster Reihe: Die engsten Freunde und Rebecca Kranichs beste Freundin Anne Steinebrunner. Ein Einsatz, der Rebecca Kranich noch heute sehr bewegt: „Es hat mir unheimlich viel Kraft gegeben, wie die Menschen an meinem Schicksal Anteil genommen haben. Ich habe für all die gekämpft, die ich liebe. Vor allem für meine Tochter und meinen Mann, für meine Familie und für meine Freunde.“

Stammzellspende

Mehr als 1000 Menschen ließen sich bei der DKMS-Aktion im Juli 2019 in der Flößerhalle in Wallbach als Stammzellspender registrieren. „Was mich sehr gefreut hat: Zwei der Teilnehmer dieser Aktion haben mittlerweile bereits Stammzellen gespendet.“ Weitere rund 6500 Onlineregistrierungen bei der DKMS kamen hinzu. Wie Rebecca Kranich die Situation damals erlebte? „Ich war 600 Kilometer entfernt – und bin es noch – und ich kann mich erinnern, wie aufgeregt ich am Tag der DKMS-Aktion war“, sagt die junge Frau. „Es war wahnsinnig überwältigend und ich hätte nie damit gerechnet. Es ist mein ganz großer Wunsch, allen zu danken. Meinen Freunden, den Vereinen, die so viel bewegt und auf die Beine gestellt haben, zahlreichen Firmen für die ganze Unterstützung, jedem einzelnen, der sich als Spender hat registrieren lassen und jedem, der an meinem Schicksal Anteil genommen hat. Ich bin allen so unendlich dankbar!“

Sommer 2019: Ein Teil des Organisationsteams, das hinter der Typisierungsaktion für Rebecca Kranich steht (von links): Angelika Müller, ...
Sommer 2019: Ein Teil des Organisationsteams, das hinter der Typisierungsaktion für Rebecca Kranich steht (von links): Angelika Müller, Sandra Schlachter mit Sohn und Anne Steinebrunner. Der 25-jährige Student Moritz Reinhard war mehrere Wochen mit seinem Rad unterwegs, um Spenden für Krebsstationen und Forschungszentren zu sammeln. | Bild: Marcel Jud

Die Suche ist erfolgreich: Es wird ein geeigneter Spender für die junge Mutter gefunden, doch bis zur Transplantation ist es ein weiter Weg. Insgesamt 33 Wochen wird Rebecca Kranich im Krankenhaus behandelt. Nur zwei mal in dieser Zeit darf sie es für wenige Tage verlassen. Ihr Mann darf sie auf der Station besuchen. Ihre kleine Tochter sieht sie nur draußen vor der Klinik – in den Phasen, in denen sie überhaupt körperlich in der Lage ist, die Klinik kurz zu verlassen. Die Zeit, die hinter ihr liegt, nennt sie heute „unfassbar hart“. Mehr als einmal steht es schlecht um die heute 32-Jährige. „Den schlimmsten Moment erlebte ich vor dem ersten Transplantationstermin im Oktober 2019. Denn bei der Kontrolle waren noch Krebszellen nachweisbar.“ Das Aus für die geplante Transplantation. Rebecca Kranich erhält ein neues Krebsmedikament, eine Antikörpertherapie. „Es war ein Studienpräparat. Niemand wusste, ob es helfen würde.“ Doch dann die erlösende Nachricht: Das Medikament hatte angeschlagen. Die Krebszellen waren weg. „Ich habe nur noch geweint. Ich kann nicht annähernd beschreiben, wie glücklich ich in diesem Moment war.“

Die lebensrettende Transplantation erfolgte dann am 23. Dezember 2019. Wieder eine extrem harte Zeit für Rebecca Kranich. „Sieben Tage vorher wird damit begonnen, das Immunsystem komplett herunterzufahren, von da an zählt man rückwärts. Jeden Tag geht es einem schlechter. Dann kommt Tag 0. Die Transplantation.“ Ein recht unspektakulärer Vorgang: „Man bekommt Infusionen, der Geruch ist etwas eigenartig. Das war es.“ Doch wenn die Beutel leer sind, ist es mit Schmerzen und Einschränkungen längst nicht vorbei: „Man kann nichts essen, sich nicht waschen, nicht zur Toilette. Man liegt nur da.“ Normalerweise dauert es etwa zehn bis 20 Tage, bis die neuen Zellen ihre Arbeit aufnehmen, dann geht es den Patienten langsam jeden Tag wieder ein kleines bisschen besser. Doch bei Rebecca Kranich war das nicht so. „Ich hatte eine Virusinfektion und musste bis zum Sommer künstlich ernährt werden.“ Sechs Monate dauerte es, bis das neue Immunsystem den Erreger endlich besiegt hatte. Noch immer ist die Krankheit nicht ganz ausgestanden, da sie immer wieder mit Nebenwirkungen und Komplikationen zu kämpfen hat.

Mit diesem Foto von Rebecca Kranich und ihrer kleinen Tochter rief die DKMS im Sommer 2019 zur Stammzellspende auf.
Mit diesem Foto von Rebecca Kranich und ihrer kleinen Tochter rief die DKMS im Sommer 2019 zur Stammzellspende auf. | Bild: privat/Rebecca Kranich

Dennoch: „Es geht mir gut!“, versichert Rebecca Kranich. Wie sie es sagt, lässt keinen Zweifel aufkommen, dass sie es genauso meint. „Das Wichtigste ist, dass die Leukämie weg ist. Den Rest schaffe ich auch noch!“ Das Rückfallrisiko ist ihr bewusst. „Daran will ich aber gar nicht denken. Ich lebe jetzt und ich bin einfach dankbar dafür, dass ich lebe.“ Mit ihrem Spender hat sie zwischenzeitlich Kontakt aufgenommen und sich bedankt: „Wir dürfen uns Briefe schreiben, allerdings komplett anonym. Ich weiß also nicht, wer mein Lebensretter ist, oder wo er herkommt. Nur dass er männlich ist.“ Erst nach zwei Jahren wird sie erfahren, wer ihr Lebensretter ist. So sehen es die Statuten der DKMS vor.

Der Weihnachtsbaum der Familie in diesem Jahr ist aus Plastik. Ein echter Baum wäre zu riskant. Rebeccas Immunsystem ist noch nicht stark genug, um Keime und Bakterien bekämpfen zu können. Mit der Corona-Pandemie verschärfte sich die Situation der jungen Frau weiter. „Das Virus ist auch für mich eine tödliche Gefahr. Ich weiß auch noch nicht, ob ich überhaupt in absehbarer Zeit geimpft werden darf.“ Kaum Kontakte und größtmögliche Isolation: „Die einzigen Ziele außerhalb der Wohnung sind mein Arzt und die Klinik. Das ist nicht schön, aber das Einzige, das ich tun kann.“

Und eine weitere Veränderung schmerzt die junge Frau: „Meine Familie und ich werden nicht mehr nach Bad Säckingen zurückkommen. Das tut mir sehr weh, aber in unserer Situation ist es so wichtig, Unterstützung direkt vor Ort zu haben.“ Denn auch wenn Rebecca Kranich nun endlich auf dem Weg der Besserung ist – von dem Zustand vor der Leukämie-Erkrankung ist sie weit entfernt. „Hier haben wir die Hilfe meiner Eltern, was vor allem für meine Tochter so wichtig ist. Ohne meine Eltern und ihren immensen Einsatz, würde das alles nicht gehen.“

Blutspende

Rebecca Kranich wünscht sich, dass auch während Corona all die Leukämieerkrankten nicht vergessen werden, die derzeit um ihr Leben bangen müssen und gegen den Krebs kämpfen. „Leukämie an sich ist furchtbar, aber wenn jetzt auch noch Besuche nur sehr eingeschränkt oder gar nicht möglich sind, wenn man als Patient nicht mal nach draußen darf, das kann ich mir kaum vorstellen. Ich bewundere all jene für ihre Kraft.“ Einen dringenden Appell richtet Rebecca Kranich an alle gesunden Menschen: „Bitte lasst euch als Stammzellspender registrieren und bitte nutzt auch alle möglichen Gelegenheiten, um Blut zu spenden. Nur damit können die, die auf eine Transplantation warten, bis dahin überleben.“

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