Lange Wartezeiten bis zum Termin oder sogar Patientenaufnahmestopp, überlastete Praxen, zu wenige Ärzte, fehlendes medizinisches Fachpersonal – im ländlich geprägten Landkreis Waldshut gibt die medizinische Versorgung immer wieder Anlass für Unzufriedenheit und Diskussionen.

Was ist die Kommunale Gesundheitskonferenz?

Die Kommunale Gesundheitskonferenz im Landkreis Waldshut ist ein Gremium, in dem verschiedene Akteure aus dem Gesundheitswesen, dem Sozialbereich und der Politik zusammenkommen, um über Gesundheits-Themen zu diskutieren und auszuloten, wohin „die Reise“ gehen könnte, um unbefriedigende Zustände zu verbessern. Vorsitzender des Gremiums ist Landrat Martin Kistler. Vor ein paar Tagen kam die Gesundheitskonferenz zum siebten Mal im Landratsamt Waldshut zusammen.

Um welche Themen ging es bei der aktuellen Gesundheitskonferenz?

Es ging um die ambulante medizinische Versorgung im Landkreis, neben „Gesundheitsförderung und Prävention“, das zentrale Arbeitsfeld der Kommunalen Gesundheitskonferenz. Rund 50 Personen, darunter Ärzte, Kreisräte, Vertreter von Landkreis, Kommunen und verschiedener Institutionen und interessierte Bürger waren anwesend.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie ist die Situation im Landkreis Waldshut?

Johannes Fechner, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), beleuchtete in seinem Vortrag konkret die Situation im Landkreis Waldshut. Die fachärztliche Versorgung im Landkreis Waldshut ist nach KVBW-Erhebungen noch ausreichend. Während bei den Fachärzten „erst“ rund 38 Prozent älter als 60 Jahre alt sind, zeichnet sich bei den Hausärzten eine Verschärfung der ohnehin angespannten Situation ab. 50 Prozent der Hausärzte im Landkreis Waldshut sind über 60 Jahre alt und Nachwuchs ist laut Fechner, nicht vorhanden. Nach der Bedarfsplanung, die genau festlegt, wie viele Ärzte sich wo ansiedeln können, dürften sich im Landkreis Waldshut 16 Hausärzte niederlassen.

Wie kommen neue Ärzte und neues Fachpersonal in den Landkreis Waldshut?

Was kann helfen, damit junge Ärzte und das ebenso fehlende medizinische Fachpersonal in den Landkreis kommen und dort auch bleiben, war Kernfrage der Konferenz. Der Trend geht nach Aussage von Fechner eindeutig hin zu Gemeinschaftspraxen, Ärztezentren und Kooperationen, weil junge Ärzte geregelte Arbeitsbedingungen wollen, eine Anstellung einer eigenen Praxis vorziehen, weil sie den Verwaltungs-aufwand und das wirtschaftliche Risiko der Selbständigkeit scheuen und die eigene Lebensplanung offen halten wollen.

Welche Rolle spielen für junge Ärzte die Gegebenheiten vor Ort?

Nach einer KVBW-Befragung fallen Gegebenheiten vor Ort wie Kinderbetreuung, Schulangebote, allgemein eine gute Infrastruktur, ebenso bei Entscheidungen für oder gegen einen Landkreis ins Gewicht. Landrat Martin Kistler forderte dazu auf, nicht nachzulassen bei den gemeinsamen Anstrengungen für die Gewinnung von medizinischem Fachpersonal. „Wir müssen die Leute unterstützen, es muss jemand da sein, der sich um ihre Aufnahme kümmert und der sie willkommen heißt und wir müssen ein Stück weit Werbung für unsere schöne Gegend machen, dann ist schon viel gewonnen“, sagte Kistler. Er hob hervor, dass es nichts bringen würde, sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben, dass nur in einer konstruktiven Zusammenarbeit, in der man sich gegenseitig motiviert, Verbesserungen bei der medizinischen Versorgung erreicht werden können.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie schätzen die niedergelassenen Ärzte und die Ärzte des Klinikums Hochrhein die Lage im Landkreis Waldshut ein?

Der Landrat äußerte sich im Rahmen einer Podiumsdiskussion, die neben dem Vortrag im Mittelpunkt der Gesundheitskonferenz stand und von der Ärztin Ines Zeller moderiert wurde. Die teilnehmenden Ärzte machten deutlich, dass vieles im Argen liegt, sie unzufrieden sind, weil die Belastungen, mit verursacht durch die Pandemie und bürokratische Vorgaben und Abläufe, zunehmen würden. Mehr Eigenverantwortung wurde von der Ärztin Paulina Hauck auch von den Patienten eingefordert. Nicht immer sei gleich ein Arztbesuch nötig. Mehr Eigenverantwortung mahnte auch Chefarzt Stefan Kortüm mit Blick auf die Notaufnahme des Klinikums Hochrhein an: Nicht mal die Hälfte aller 25000 Patientenkontakte im Jahr würden zu einer stationären Aufnahme führen, was aber die eigentliche Aufgabe der Notaufnahme wäre.

Wie beurteilen Experten die aktuelle Situation?

Johannes Fechner, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden Württemberg: „Wir müssen generell mit weniger Ärzten auskommen, sie sind nicht da, wir müssen neue Wege gehen, der Trend geht zu Gemeinschaftspraxen und Kooperationen, immer weniger wollen selbständig werden.“

Johannes Fechner, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden Württemberg.
Johannes Fechner, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden Württemberg. | Bild: Ursula Freudig

Adrian Probst, Bürgermeister von St. Blasien: „Wir müssen bei der medizinischen Versorgung offen sein für Neues, als Team unterwegs sein und in allen Bereichen, in denen Mangel ist, was tun wie bei Wohnraum oder der Kinderbetreuung, es braucht alles für eine allgemeine Lebensqualität.“

Adrian Probst, Bürgermeister von St. Blasien
Adrian Probst, Bürgermeister von St. Blasien | Bild: Ursula Freudig

Paulina Hauck, Allgemeinmedizinerin mit Praxis in Lauchringen: „Ich bin mit Leib und Seele Ärztin und versorge über 2000 Patienten und jeden Tag wollen 10 oder 20 neue zu mir kommen, ich komme an meine Grenzen, die Politik macht in der Pandemie nichts für uns, wir sind allein gelassen.“

Paulina Hauck, Allgemeinmedizinerin mit Praxis in Lauchringen.
Paulina Hauck, Allgemeinmedizinerin mit Praxis in Lauchringen. | Bild: Ursula Freudig

Stefan Kortüm, Chefarzt Notaufnahme Klinikum Hochrhein: „Die Notaufnahme steht an der Grenze von ambulanter und stationärer Versorgung, wir müssen an dieser Grenze zu vernünftigen, intelligenten Lösungen kommen, sonst gehen wir zusammen unter.“

Stefan Kortüm, Chefarzt Notaufnahme Klinikum Hochrhein.
Stefan Kortüm, Chefarzt Notaufnahme Klinikum Hochrhein. | Bild: Ursula Freudig

Matthias Franki, Kinder-und Jugendarzt mit Praxis in Laufenburg: „Es gibt keine Kinderabteilung im Landkreis Waldshut und beim Neubau des Klinikums ist keine geplant, man hat eine große Chance verpasst, junge Kinderärzte in den Landkreis zu holen.“

Matthias Franki, Kinder-und Jugendarzt mit Praxis in Laufenburg.
Matthias Franki, Kinder-und Jugendarzt mit Praxis in Laufenburg.

Christian Gehringer, Arzt in Weiterbildung zum Facharzt Allgemeinmedizin in Jestetten: „Es ist hier eine attraktive Gegend für die Familie mit guten beruflichen Perspektiven und Hausarzt ist ein toller Beruf, aber man braucht viel Zeit für die Bürokratie, das finde ich frustrierend und bringt mich eher von einer eigenen Praxis ab.“

Christian Gehringer, Arzt in Weiterbildung zum Facharzt Allgemeinmedizin in Jestetten.
Christian Gehringer, Arzt in Weiterbildung zum Facharzt Allgemeinmedizin in Jestetten. | Bild: Ursula Freudig

Landrat Martin Kistler in Anlehnung an das Online-Projekt „Patient Hochrhein“ der Kommunalen Gesundheitskonferenz: „Der Landkreis Waldshut ist noch Patient, aber alles, was wir miteinander auf den Weg bringen, zeigt, dass wir auf keinem schlechten Weg sind.“

Landrat Martin Kistler
Landrat Martin Kistler | Bild: Ursula Freudig
Das könnte Sie auch interessieren