Herr Lahl, wie sehen die Lage im Bahnverkehr am Hochrhein?

Zunächst einmal: Verspätungen sind ein schlechtes Aushängeschild für den Schienennahverkehr. Die Hochrheinstrecke ist eine Strecke mit einer zurzeit wenig erfreulichen Performance. Es kommt immer wieder zu Fahrzeug- und Managementproblemen. Das zugehörige Netz ist vor allem wegen der Züge mit der Neigetechnik sehr störungsanfällig. 2019 sind auf der Hochrheinbahn im Jahresmittel nur 84,4 Prozent der Interregio-Express (IRE)-Züge pünktlich gekommen. Die Bahn sieht jeden Zug, der innerhalb von knapp sechs Minuten ankommt, als pünktlich. Bei der Regionalbahn sieht es mit 94,2 Prozent deutlich besser aus. Für eine gute Qualität erwarten wir zwischen 94 und 95 Prozent Pünktlichkeit.

Warum kommen nun, obwohl speziell zu den Stoßzeiten Doppeltraktionen bestellt sind, oft nur kurze Züge?

Wir sehen den IRE mit der Baureihe 612, die mit Neigetechnik ausgestattet ist, als Sorgenkind. Deshalb fahren diese Züge oft nicht in Doppeltraktion – entgegen des Bestellplans. Daher bietet der Zug dann zu wenig Kapazitäten. In den Fahrzeugen wird es dann eng. In Zeiten der Pandemie ist das nicht tragbar.

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Woher resultieren also die vielen Verspätungen und Zugausfälle?

Dafür sind vor allem die erwähnten Probleme mit der Technik verantwortlich. Aber das Management spielt auch eine Rolle – nämlich, wie die Bahn bei solchen Problemen gegensteuert. Manches ist nämlich menschengemacht. Zum Beispiel, wenn ein Lokführer krank wird und zeitnah kein Ersatz zur Verfügung steht.

Mit der Elektrifizierung soll ja alles besser werden. Aber das ist noch lange hin. Wie will das Land die bestehenden Probleme lösen?

Am Hochrhein fanden, auch auf Initiative von Bundestagsabgeordneten Felix Schreiner, mit Landrat Martin Kistler und weiteren örtlichen Akteuren Arbeitssitzungen in Hinblick auf die Qualität statt. Für den Fahrplanwechsel im Dezember 2021 ist für das Fahrzeugmaterial Ersatz in Sicht. Wir werden die Diesel-Doppelstockzüge aus der Südbahnlinie rekrutieren. Sie werden auf der Strecke Friedrichshafen-Basel im Zweistundentakt fahren. Dadurch werden Züge der Baureihe 612 frei.

Die Bahn will ihr Instandhaltungsprozedere verbessern. Wir erwarten eine deutliche Stabilisierung. Die modernen Doppelstockzüge der Baureihe 245 haben ein höheres Fassungsvermögen, auch für Fahrräder. Es wird auch einen anderen Fahrplan geben. Das bedeutet dann eine wirkliche Verbesserung.

Ende 2021 soll die Südbahn zwischen Ulm, Friedrichshafen (im Bild) und Lindau elektrifiziert sein. Dann sollen bis zur Elektrifizierung, ...
Ende 2021 soll die Südbahn zwischen Ulm, Friedrichshafen (im Bild) und Lindau elektrifiziert sein. Dann sollen bis zur Elektrifizierung, spätestens bis 2026, diese Doppelstockwagen auf der Hochrheinstrecke zwischen Friedrichshafen und Basel verkehren. | Bild: Georg Wex,

Warum dauert das so lange?

Die Elektrifizierung der Südbahn muss fertiggestellt sein, damit die Diesel-Doppelstockzüge frei werden und zur Verfügung stehen. Zudem braucht es Zeit, um das alles umzusetzen. Das Personal, etwa die Lokführer, müssen für die neuen Fahrzeuge geschult werden. Wir beginnen 2020/21, zu testen.

Wie geht es bis dahin weiter?

Wir hatten bis zu den Herbstferien Entlastungsbusse organisiert. Wegen mangelnder Nachfrage wurden diese Busse wieder abbestellt. Aber wir machen das Angebot, sie erneut einzusetzen – sofern die Schulen es schaffen, die Unterrichtszeiten zu staffeln und die Schüler zu animieren, diese Entlastungsbusse auch zu nutzen. Auch die Eltern sind da gefragt. Der Bus braucht etwas länger für die Strecke, er fährt aber früher los. Wir verstehen, wenn sich die Eltern um die Abstände in den öffentlichen Verkehrsmitteln sorgen. Daher müssten die Eltern jetzt zu ihren Kindern sagen: Nehmt den Bus. Wenn es dazu kommen würde, setzen wir die Busse gerne wieder ein – weil sie dann ausgelastet sind.

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Die Elektrifizierung der Hochrheinbahn soll alles besser machen. Wie sehen Sie das?

Die Hochrheinbahn ist für das Land, ein zentrales Anliegen. Wenn der Ausbau erfolgt ist, wird vieles funktionieren. Ganz klar: Die Strecke liegt uns am Herzen. Es ist nicht mehr nur eine Elektrifizierung, sondern wir reden auch über einen Ausbau. Der geschätzten Kosten gehen auf 300 Millionen Euro zu. Die Finanzierung wird mit Hilfe des Bundes geschafft. Es entstehen unter anderem echte Kreuzungsbahnhöfe in Tiengen und Lauchringen mit zwei Gleisen zum Ein- und Aussteigen. Wir ändern die östliche Bahnhofeinfahrt in Waldshut. Ein Zug muss nicht warten, bis der andere einfährt, sie können gleichzeitig ein- und ausfahren. Das soll einen pünktlichen und stabilen Betrieb bringen.

Im ganzen Land gibt es nach jetziger Planung 2025/26 zudem einen großen Austausch von Fahrzeugen. Die Hochrheinbahn bekommt gemäß dieser Planung im Zuge der Elektrifizierung viel jüngere und modernere Fahrzeuge.

Wie läuft das Projekt? Wie ist der Stand?

Der Planfeststellungsantrag soll noch in diesem Jahr gestellt werden. Dafür ist dann das Regierungspräsidium Freiburg zuständig. Deshalb kommen wir zu einer schnelleren Planfeststellung. Mein Wunsch ist, dass der Ausbau 2025 fertig sein sollte. Sollte es 2026 werden, ist das nicht schön, aber noch vertretbar. Aber später sollte es nicht werden. Der Planfeststellungsantrag ist der erste Schritt. Und wie gesagt: Die Hochrheinbahn liegt uns am Herzen.

Fazit: Die Fahrgäste müssen zumindest noch bis zum Fahrplanwechsel Geduld haben?

Wir bitten um Verständnis bei allen Nutzern. Die Pandemie macht eben auch nicht vor dem Öffentlichen Personennahverkehr halt. Wir achten darauf, dass das Personal gesund ist, alle Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) haben dazu klare Vorgaben. Bei den EVU ist immer mehr Personal in Quarantäne. Das muss man berücksichtigen, denn es kann in den nächsten Wochen zu Zugausfällen führen. Auch in den Werkstätten kann es zu Engpässen kommen. Um nicht die Enge in den Zügen zu haben, ist die Nutzung der zusätzlichen Busse das Sicherste.

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