Die Bahnsteige sind voll. Schüler und Pendler wollen in den Zug einsteigen. Dabei kommt es vor, dass Fahrgäste zu den Stoßzeiten, im Schüler- und Berufsverkehr, in den überfüllten Zügen keinen Platz bekommen, auf dem Bahnsteig stehen bleiben und mitunter eine Stunde lang auf den nächsten Zug warten müssen. Morgens kommen Schüler zu spät zum Unterricht, nachmittags kommen sie später nach Hause.

Die Beschwerden häufen sich

Die Beschwerden häufen sich. Exemplarisch dafür sind zwei E-Mails, die auch unser Redaktion vorliegen. In einem Fall geht es um Schüler, die morgens um 7.30 Uhr in Murg in die Regionalbahn (RB) einsteigen wollten. Der zweite Fall betrifft Schüler, die nach dem Unterricht um 13.14 Uhr in Waldshut auf dem Bahnsteig stehen blieben, weil im Interregio-Express (IRE) kein Platz mehr war. In Zeiten von Corona verschärfen überfüllte Züge das Problem.

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In beiden Fällen gab es einen schlichten Grund: An den angesprochenen Bahnhöfen kam nur eine Zugeinheit an. Das darf nicht sein. Planmäßig sollten zu den Stoßzeiten zwei Doppeltriebwagen fahren. Die Bahn spricht von Doppeltraktionen.

So sind die Züge vom Land bestellt

Von der Pressestelle der Bahn in Stuttgart gab es auf Nachfrage zu den Problemen auf der Hochrheinstrecke keine präzise Antwort. Fakt ist: Das Land als Aufgabenträger bestellt und bezahlt die Leistungen, die Eisenbahnunternehmen auf den Regionalstrecken in Baden-Württemberg erbringen. Laut dem uns vorliegenden Bestellplan müssten die Züge zur ersten und nach der sechsten Schulstunde in der Doppeltraktion (zwei Triebwagen) fahren. Mit Ausnahme der Regionalbahn 13.08 Uhr ab Bad Säckingen in Richtung Basel und der Regionalbahn aus Richtung Erzingen nach Waldshut (Ankunft: 7.34 Uhr). Da kommt laut Bestellplan jeweils nur eine Zugeinheit.

Doppeltraktionen sind vorgesehen

In einer Doppeltraktion stünden in der RB der Baureihe 644 laut der uns vorliegenden Information 318, in der Baureihe 641 (“Walfisch“) 160, im IRE 290 Sitzplätze, dazu nicht bezifferte Stehplätze zur Verfügung. Das Landesverkehrsministerium bestätigt auf Nachfrage: „Das Land hat im Rahmen der Fahrplanbestellung, insbesondere im Schülerverkehr, Doppeltraktionen vorgesehen. Das gilt für IRE und RB.“

Das Land gibt Vorgaben ab

Das Land gebe verbindliche Vorgaben ab, welche Züge an welchen Tagen in welcher Kapazität verkehren müssen. Die infrastrukturellen Rahmenbedingungen wie Bahnsteiglängen müssten dabei berücksichtigt werden. Weil also einige Bahnsteige entlang der Hochrheinschiene nicht lang genug sind, können nicht x-beliebig viele Züge – zumindest aber zwei – aneinander gekoppelt werden. Im Schülerverkehr sollten zumeist zwei Einheiten zur Verfügung stehen. So weit die Theorie.

In der Praxis klappt es oft nicht

Tatsächlich schickt die Bahn, wie viele Fahrgäste berichten, oft nur eine Einheit statt der bestellten Doppeltraktionen. Somit stehen auch nur die Hälfte aller Plätze im Zug zur Verfügung. Das führt dazu, dass die Züge, wenn die Schülermassen am Bahnsteig einsteigen wollen, hoffnungslos überfüllt sind. Manche müssen sogar draußen bleiben.

Fahrzeugprobleme und technische Störungen

Warum hält sich die Bahn nicht an die Vorgaben des Landes? Dem Land seien die aktuellen Probleme auf der Hochrheinstrecke bekannt. Das Ministerium schreibt weiter: „Die Hochrheinstrecke ist seit Schulbeginn verstärkt von Fahrzeugproblemen beziehungsweise technischen Störungen bei der DB Regio betroffen, die die Fahrzeugtypen des IRE und der RB betreffen.“ Deshalb komme es in letzter Zeit häufiger zu Kapazitätsminderungen. Sodass die vom Land bestellten Doppeltraktionen von der DB Regio teilweise nur in Einzeltraktionen gefahren werden könnten.

Diese Züge verkehren auf der Hochrheinstrecke

Die Baureihe 641, der Alstom Coradia A TER, mit dem Spitznamen „Walfisch“ hat 80 Sitzplätze (eine Einheit).
Die Baureihe 641, der Alstom Coradia A TER, mit dem Spitznamen „Walfisch“ hat 80 Sitzplätze (eine Einheit). | Bild: Markus Vonberg
Die Regionalbahn der Baureihe 644: Der Bombardier Talent mit 159 Sitzplätzen.
Die Regionalbahn der Baureihe 644: Der Bombardier Talent mit 159 Sitzplätzen. | Bild: Juliane Schlichter
Der Interregioexpress (IRE) der Baureihe 612 mit dem namen „Regio Swinger“ hat in einer Zugeinheit 145 Sitzplätze.
Der Interregioexpress (IRE) der Baureihe 612 mit dem namen „Regio Swinger“ hat in einer Zugeinheit 145 Sitzplätze. | Bild: Juliane Schlichter

Was tun Land und Bahn? Das Ministerium verweist darauf, dass im Netz 19 (Singen-Schaffhausen), wo das gleiche Problem besteht, ein zusätzliches Fahrzeug eingesetzt worden ist. Auf der Hochrheinstrecke, im Abschnitt zwischen Bad Säckingen und Lauchringen, waren vor den Herbstferien vier zusätzliche Busse in acht Zusatzfahrten im Einsatz.

Entlastungsbusse sollen Problem mildern

„Die Entlastungsbusse tragen auf der Hochrheinstrecke dazu bei, dass Kapazitätsprobleme im Schülerverkehr abgemildert werden“, erklärt das Ministerium. So sollte verhindert werden, dass einzelne, aufgrund von kurzfristigen Problemen mit geringerer Kapazität verkehrende Züge, massiv überfüllt verkehrten.

Schüler nutzen das Angebot kaum

Aber: Das Angebot wurde, wie bereits berichtet, nach den Ferien von acht Fahrten auf eine reduziert. „Bis auf eine Ausnahme waren die Busse in aller Regel leer“, berichtete Nikolaus Albiez von der Südbadenbus (SBG) schon vor einigen Tagen vom Ergebnis der vor den Ferien durchgeführten Zählungen. Die Bereitschaft, die Entlastungsbusse zu nutzen, sei gering gewesen.

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Viele Beschwerden gehen immer wieder beim Landratsamt und dem Waldshuter Tarifverbund (wtv) ein, wie Lothar Probst, Geschäftsführer des wtv, berichtet, „aber das Verkehrsministerium und die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) bestellen. Wir können immer nur darauf hinweisen.“

Die Hoffnungen ruhen auf der Elektrifizierung der Hochrheinbahn. Wenn die vollendet ist, soll alles besser werden, sagen die Planer. Bis dahin dauert es jedoch noch eine ganze Weile.