In Deutschland sollen zwei Millionen verwilderte Katzen leben. Niemand kümmert sich um sie. Werden sie aufgegriffen, landen sie oft in Tierheimen. Ihre Pflege verursacht dort hohe Kosten. Jetzt schlagen immer mehr Tierheime Alarm und fordern von den Kommunen, von denen sie Fundtiere aufnehmen, Präventionsmaßnahmen ein. Katzenschutzverordnungen sollen das Elend mit den herrenlosen Miezen beenden helfen. Sollen Unterernährung, Krankheiten, Verwahrlosung eindämmen. Es gibt sie jetzt in sechs Gemeinden im Kreis Waldshut, in St. Blasien, Ühlingen-Birkendorf, Grafenhausen, Hohentengen, Waldshut-Tiengen und Jestetten. In Lottstetten hat sie der Gemeinderat im März indes abgelehnt.

Die jüngste Katzenschutzverordnung hat der Gemeinderat Waldshut-Tiengen auf den Weg gebracht, in Kombination mit einem Fundtierpauschalvertrag. Das Kalkül: Dass sich mit der Katzenschutzverordnung die Zahl der Fundtiere deutlich reduziert. Sind damit doch Halterinnen und Halter verpflichtet, die Tiere, sofern freilaufend, kastrieren zu lassen.

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Tun sie das nicht, können sie dank des implantierten Chips ausfindig gemacht und zur Begleichung der Kosten für den Eingriff herangezogen werden, notfalls auch mit Bußgeld. So kommen weniger Jungtiere auf die Welt und landen erst gar nicht im Tierheim.

Sorgen vor Bevormundung

Aber: Einstimmig war das Ja des Gemeinderats Waldshut-Tiengen dafür nicht. Ist es die Sorge, dass jetzt ein „Katzensheriff“ durch die Gemeinden zieht und Bußgelder verteilt? Johannes Linnemann von der Freiburger Musella-Stiftung hat Katzenschutzverordnungen in Südbaden vorangebracht und auch im Kreis Waldshut Gemeinden bei ihrer Einführung beraten und begleitet. Er sagt: „Hinter einem Nein stecken oft Sorgen vor einer Bevormundung der Bürger.“

Tatsächlich sind damit Eingriffe in das Eigentumsrecht von Katzenhalterinnen und Katzenhaltern verbunden. Nur noch reine Wohnungskatzen dürfen unkastriert sein. Nur noch kastrierte Tiere aber dürfen ins Freie, so auch ab 1. Juni in Hohentengen, wo die Katzenschutzverordnung im Gemeinderat auch nicht nur Freunde hatte. Seitdem kann die Ortspolizeibehörde nach dem Aufgreifen der Tiere deren Kastrierung anordnen und das sowie Kosten für Unterbringung den Halterinnen und Haltern in Rechnung stellen.

Schon Kastrationen veranlasst

Laut Annette Tschentscher vom Ordnungsamt sind solche behördlichen Kastrationen auch schon veranlasst worden. Sämtliche auf Gemeindegebiet lebende Katzen mussten bis 1. Mai beim Rathaus gemeldet werden. So kennt Hohentengen jetzt erstmals deren Zahl ganz genau. Auf eine Meldepflicht hat Grafenhausen verzichtet. Aber auch dort ist die Gemeinde mit der neuen Rechtslage ausgestattet schon zwei Mal tätig geworden, sagt Franziska Dietsche vom Bau- und Ordnungsamt

Gerade in landwirtschaftlichen Gebäuden im ländlichen Raum vermehren sich Katzen oft unkontrolliert. Das ist auch in Ühlingen-Birkendorf der Fall, wo seit Frühjahr eine Katzenschutzverordnung gilt. „Wir haben daraus aber noch keine Ordnungsmaßnahme verfügt, dafür ist es noch zu neu“, sagt Alexandra Ruf von der Gemeindeverwaltung.

Ühlingen-Birkendorf arbeitet neuerdings auch mit dem Tierheim Steinatal zusammen. Aus der Gemeinde stammende Fundtiere kommen jetzt dorthin. Hohentengen hat laut Tschentscher eigene Möglichkeiten zur Unterbringung. Fundkatzen aus Bonndorf kommen ins Tierheim Löffingen. Laut Linnemann, der auch Vorsitzender des Tierschutzvereins Löffingen ist, könnte die nächste Katzenschutzverordnung im Kreis Waldshut in Bonndorf kommen.

Mit Interesse blickt die Region gerade auch in den Aargau, wo jetzt alle Katzen obligatorisch einen Chip erhalten sollen. Das beschloss jüngst der Große Rat, das Kantonsparlament, wenn auch mit 75:62 Stimmen knapp. Die Regierung muss nun ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten.