Dröhnend donnert ein Motorrad das Tal zwischen Bernau und St. Blasien hinauf. Der Polizeibeamte am Straßenrand hebt den Kopf und blickt dem flitzenden Zweirad entgegen.
Mit Tempo 129 den Berg hinauf
„Rotes Motorrad, gelbe Warnweste, 129 Km/h“, scheppert es aus seinem Funkgerät. Das ist ein Zeichen seines Kollegen, der ein paar hundert Meter die L149 aufwärts mit einem Lasermessgerät Geschwindigkeitsverstöße prüft.

Schon hebt der Beamte die rot-weiße Polizeikelle, um den Temposünder in die Kontrolle zu winken. Elf Polizisten von der Verkehrspolizei Waldshut-Tiengen und dem Revier Bad Säckingen haben sich an diesem Sonntag, dem 9. Mai 2021, auf dem Parkplatz „Glashofsäge“ positioniert.

„Wir befinden uns hier auf einer beliebten Ausflugsstrecke“, erklärt Polizeisprecher Mathias Albicker und zeigt mit dem rechten Arm in Richtung Bernau, „gleich da vorne liegt das Äulemer Kreuz – eine kurvige Strecke mit Auf und Ab, die viele Motorradfahrer als turbulente Rennstrecke nutzen.“ Das Wetter ist heute perfekt: Sonnenschein, rund 25 Grad und in den höheren Lagen Weitsicht bis auf die schneebedeckten Alpengipfel der Schweiz.

Beinahe im Minutentakt schwingt der Beamte an der Straße seine Kelle, um Kawasakis, Suzukis, BMWs und röhrende Harley Davidsons auf den Hof zu winken. „Fahrzeugpapiere und Führerschein bitte“, begrüßen die Beamten die Zweiradfahrer und -fahrerinnen aller Altersklassen.

Sie prüfen die Papiere, dann schauen sie sich die Fahrzeuge mit gezückten Taschenlampen und Kameras unter vollem Körpereinsatz genauer an.

Ein Polizist legt sich unter eine Maschine und beleuchtet die Auspuffanlage genauer, ein anderer drückt die auffällig golden schimmernden Bremshebel einer anderen Maschine.
Prävention und Lärmschutz
Sind die Maschinen verkehrssicher?
„Die Kollegen schauen, ob alle nachträglich eingebauten Fahrzeugteile eine EU-Zulassung haben oder in den Papieren eingetragen sind“, sagt Albicker, „das ist wichtig, weil nur so die Verkehrssicherheit sichergestellt ist.“ Bei einem Auspuff auf dem in stylischem Design der Schriftzug „Racing“ steht, ist das nicht der Fall. Der Fahrer muss seine Maschine in ein paar Wochen dem TÜV vorführen.

Während sich ein Polizist, der offensichtlich auch selbst Hobby-Motorradfahrer ist, angeregt mit einem Fahrer über seine Maschine unterhält, winkt der Beamte an der Straße das erste Auto hinaus: Einen roten Flitzer, der abzüglich Toleranz rund 25 Stundenkilometer zu schnell war. Später folgt ein Mercedes AMG, der ebenfalls zu schnell und mit dröhnenden Motorgeräuschen den Parkplatz erreicht.

Um die Nachmittagszeit wird es etwas ruhiger. Goran Luksa ist Polizeikommissar der Verkehrsdienst Außenstelle Waldshut-Tiengen und hat 2017 dazu beigetragen, dass der wohl waghalsigste Raser des Hochrheins geschnappt wurde: Der Motorradfahrer, der auf der Strecke zwischen Eggingen und Eberfingen auf seiner BMW S 1000 RR mit 299 km/h auf dem Tacho fuhr und seine mit Helmkamera gefilmte Temporausch-Fahrt samt lebensgefährlicher Überholmanöver auch noch stolz ins Internet stellte.
„Damals verbreitete sich das Video in Windeseile über Facebook und WhatsApp“, erinnert sich Luksa, „uns erreichten unzählige Anrufe aus der Bevölkerung und wir haben begonnen zu ermitteln.“ In Kooperation mit der Kantonspolizei Zürich, konnte der in der Schweiz wohnhafte Fahrer gefunden werden und wurde gerichtlich zu einer Strafe von 40 Tagessätzen und einem Fahrverbot verdonnert.
Ein Gutes hatte dieser Fall: „Wir arbeiten seither noch intensiver mit den Schweizer Kollegen zusammen“, sagt Luksa, „und wir haben mittlerweile Dutzende Instagram- und Facebook-Accounts im Blick.“ Neben illegalen Rennen und dem durchdrehen lassen von Reifen sei das sogenannte „Knieschleifen“, bei dem Motorradfahrer den direkten Kontakt mit der Straße suchen, besonders beliebt in der „Poser-Szene“, um Likes und Kommentare in Sozialen Medien zu erhaschen. „Alles, was andere Verkehrsteilnehmer gefährdet, verfolgen wir“, sagt Goran Luksa.

Die Bilanz der Kontrolle
An diesem Kontrolltag ist es verhältnismäßig ruhig. Vielleicht auch, weil landesweite Motorradkontrollen über Radio, Zeitung und Fernsehen angekündigt worden waren. Das Fazit des Tages: 102 Motorräder und zwei Pkw wurden kontrolliert, 13 Ordnungswidrigkeiten festgestellt, darunter fünf Geschwindigkeitsverstöße: Der schnellste war mit 129 Stundenkilometern abzüglich Toleranz bei erlaubtem Tempo 100 unterwegs. Außerdem war an drei Motorrädern die Betriebserlaubnis erloschen, weil technische Veränderungen nicht in den Papieren vermerkt waren.

Fünf Schweizer wurden zudem dabei ertappt, aus touristischen Zwecken durch den Schwarzwald zu kurven. Sie verstießen dabei gegen die Corona-Verordnung und müssen ein Bußgeld zahlen. „Alles in allem war es ein eher ruhiger Tag, ohne gravierende Verstöße oder Straftatbestände“, resümiert Mathias Albicker, „zu laut war keiner unterwegs und die Fahrer waren überwiegend einsichtig.“
Steven Wieland aus Albbruck war beispielsweise mit seiner Kawasaki ZX6 auf Motorradtour und sah der Kontrolle gelassen entgegen: „Grundsätzlich finde ich es gut, dass kontrolliert wird, die Kontrollen finden ja zum Wohle aller Verkehrsteilnehmer statt und machen die Straßen sicherer“, sagt er, „wer nicht trickst, hat nichts zu befürchten.“
„Motorradunfälle enden oft tödlich“
Mathias Albicker ist Polizeihauptkommissar und als Pressesprecher des Polizeipräsidiums Freiburg für den Landkreis Waldshut zuständig. Im Interview verrät er, warum speziell Motorradfahrer im Visier der Kontrollen sind und wie sich die Beamten darauf vorbereiten.
Herr Albicker, wie oft finden die Motorradkontrollen statt?
Noch mindestens bis Oktober, also so lange die Motorradsaison in etwa dauert, sind an jedem Wochenende solche und ähnliche Kontrollen an unterschiedlichen Orten im Bereich des Regierungspräsidiums Freiburg geplant. Es kommt auch vor, dass wir an einem Tag zwischen zwei bis drei Kontrollstellen wechseln, weil sich die Kontrollen schnell herumsprechen. Hinzu kommen spontane Kontrollen der Verkehrspolizei an allen Wochentagen.
Warum sind speziell Kontrollen von Motorradfahrern wichtig?
Während die Unfallzahlen in den letzten Jahren in nahezu allen anderen Bereichen zurückgegangen sind, haben schwere Motorradunfälle zugenommen. Ziel der Kontrollen ist es daher, die Unfallursachen zu bekämpfen.
Worauf achten Sie und Ihre Polizeikollegen besonders?
Neben Verstößen gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit und überhöhten Lärm, achten wir natürlich darauf, ob mit Fahrer und Fahrzeug alles stimmt, ob zum Beispiel der TÜV abgelaufen ist. Besteht Verdacht auf Alkohol- oder Drogeneinfluss testen wir mit Alkomaten und Drogenschnelltests auch das vor Ort. Motorräder wurden häufig umgebaut. Alle Tuning-Fahrzeugteile müssen eine EU-Zulassung haben oder in den Papieren eingetragen sein. Das Problem: Billigteile nehmen durch den Onlinehandel enorm zu. Wenn Teile wie die Auspuffanlage, Bremshebel, Spiegel oder Lenkerteile nicht den europäischen Standards entsprechen, sie können beispielsweise verbiegen und brechen, und so die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden. Motorradunfälle enden oft tödlich.
Es gibt Hunderte, wenn nicht sogar Tausende verschiedene Motorradmodelle. Woher wissen die Polizisten vor Ort, was an einem Fahrzeug verändert wurde?
Die Beamten der Verkehrspolizei sind technisch versiert, oft selbst Motorradfahrer und besuchen regelmäßig Weiterbildungen. Oft erkennt man Nicht-Originalteile an einem auffälligen Design. Im Zweifelsfall wird im Nachgang am Schriebtisch recherchiert oder das Smartphone gezückt und gegoogelt.
Was für Strafen winken bei Verstößen?
Wenn die Verkehrssicherheit gefährdet ist, können wir das Fahrzeug an Ort und Stelle aus dem Verkehr ziehen. In den häufigsten Fällen werden Bußgelder verhängt oder Mängel beanstandet, die behoben werden müssen und dann beim TÜV nach der Mängelbeseitigung noch einmal vorgeführt werden müssen.
Sie haben in diesem Jahr auch schon einige Verstöße gegen die Corona-Verordnung geahndet. Wie sahen diese aus?
Das ist korrekt. Das waren alles Schweizer, die ungeimpft oder ungenesen zu touristischen Zwecken Motorradtouren durch den Schwarzwald machten.
Kommen die Schweizer hier her, um ungebüßt Gas zu geben?
Es ist kein Geheimnis, dass die Strafen im Straßenverkehr in der Schweiz wesentlich höher sind – bis hin zu Freiheitsstrafen. Aber ganz so einfach wie früher ist es nicht mehr: Wesentliche Veränderungen an den Fahrzeugen werden grenzüberschreitend an die Kollegen in der Schweiz gemeldet. Nach der Corona-Pandemie planen wir auch wieder gemeinsame Kontrollen mit unseren Schweizer Kollegen, wie es noch bis 2019 regelmäßig auf beiden Seiten des Rheins der Fall war.
Fragen: Sira Huwiler-Flamm