Die Bilder, die uns nach dem Erdbeben aus der Türkei und Syrien erreichen, sind schockierend. Ganze Städte wurden durch die Katastrophe zerstört. Die Zahlen der Toten und Verletzten haben die zehntausend längst überschritten und werden ständig weiter nach oben korrigiert. Und ein Ende ist längst nicht absehbar, denn noch immer sind zahllose Menschen vermisst.

Doch mit der Bestürzung geht auch in der Region zwischen Hochrhein und Bodensee eine große Hilfs- und Spendenbereitschaft einher. Das zeigt sich aktuell am deutlichsten in der Tennishalle in Waldshut-Tiengen, wo Angehörige von Opfern des Erbebens eine Sammelstelle für Hilfsgüter aller Art eingerichtet haben.

Private Initiative aus Angehörigen von Erdbebenopfern

Neslihan Kaya gehört zu den Mitinitiatoren der Hilfsaktion. Alle Beteiligten seien Angehörige von Betroffenen aus dem Erdbebengebiet, ...
Neslihan Kaya gehört zu den Mitinitiatoren der Hilfsaktion. Alle Beteiligten seien Angehörige von Betroffenen aus dem Erdbebengebiet, sagt sie. | Bild: Nico Talenta

Die Aktion habe sich relativ spontan entwickelt, schildert Neslihan Kaya, Sprecherin der privaten Initiative, gegenüber unserer Zeitung: „Wir alle sind Angehörige und haben uns durch persönliche Kontakte und über die sozialen Netzwerke organisiert.“ Über viele unterschiedliche Kanäle, teils auch durch persönliche Ansprache von Menschen machte das so formierte lose Netz aus Privatpersonen und Geschäftsleuten in der ganzen Region auf ihr Anliegen aufmerksam.

Begonnen habe die Sammelaktion am Montag auf dem Gelände einer Mietwagen- und Taxifirma in Rheinfelden, in der Sport Arena am Lonzaring in Waldshut-Tiengen wurde ein zweiter Sammelpunkt geschaffen. Inzwischen, so Kaya, habe auch in Radolfzell ein Standort ins Leben gerufen werden können.

Der Erfolg sei durchschlagend und überraschend zugleich gewesen, sagt Kaya: „Wir sind einfach nur überwältigt von der Solidarität.“ Längst seien nicht mehr nur Landsleute oder Angehörige an Bord. Spenden kämen von Menschen zwischen Hochrhein und Schwarzwald bis in die Bodenseeregion. Auch überraschend viele Waren würden von Menschen aus der Schweiz in die Waldshut-Tiengener Tennishalle gebracht.

Was wird benötigt?

An die 500 Kartons wurden allein in Waldshut-Tiengen bereits angeliefert. Noch immer gebe es Bedarf ab bestimmten Waren wie Babynahrung ...
An die 500 Kartons wurden allein in Waldshut-Tiengen bereits angeliefert. Noch immer gebe es Bedarf ab bestimmten Waren wie Babynahrung und warmen Kleidern. | Bild: Nico Talenta

„In der betroffenen Region ist tiefster Winter mit Temperaturen um Minus 10 Grad“, schildert Neslihan Kaya. Da die meisten Menschen ihre Häuser verloren hätten, seien Zelten und Schlafsäcke natürlich besonders wichtig. Dazu auch Babynahrung, Windeln und haltbare Lebensmittel, bestenfalls auch Kleider.

„Babys, Kinder und Alte haben für uns erst einmal Priorität“, sagt Kaya. Wichtig sei jedenfalls, dass die Ware qualitativ einwandfrei sei. Das sei eine Maßgabe des türkischen Konsulats, und die Helfer in der Region haben dafür zu sorgen, dass diese eingehalten werden. Andernfalls erhalten die Transporte keine Genehmigung.

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Die bürokratischen Hürden seien schon hoch, räumt sie ein. Die türkischen Behörden versuchten allerdings, einen geordneten Ablauf in die Krisengebiete zu ermöglichen und die eingehenden Waren möglichst zielgerichtet zu verteilen. Dazu benötigten sie einen Überblick. „Einfach spontan mit einer Ladung Waren loszufahren, ist sicher keine gute Idee.“

Die Helfer hierzulande versuchten derweil, ihren Teil beizutragen, um den Helfern in der Türkei und in Syrien das Leben möglichst zu vereinfachen: „Wir selektieren und sortieren vor Ort alles, natürlich auch, damit die Kisten in den Notstandsgebieten besser weiterverteilt werden“, so Kaya weiter. Leider tauche dabei auch immer wieder Müll auf, den die Helfer entsorgen müssten.

Bereits zwei LKW-Ladungen Material

Ein unscheinbares Schild vor der Halle weist auf die Sammelstelle hin. Trotzdem verzeichnen die Helfer regen Zulauf.
Ein unscheinbares Schild vor der Halle weist auf die Sammelstelle hin. Trotzdem verzeichnen die Helfer regen Zulauf. | Bild: Nico Talenta

In Rheinfelden sei bereits Material genug zusammengekommen, um zwei Lastwagen damit zu füllen. Auch in Waldshut-Tiengen sind schon 500 Kisten voll mit dringend benötigten Waren eingegangen: „Wir werden noch in dieser Woche einen eigenen Lastwagen damit füllen können“, so Neslihan Kaya. Untereinander werden bereits die nötigen Geldmittel eingesammelt, um die Fahrt des LKWs zu finanzieren.

Spätestens am Freitag soll dieser LKW aufbrechen, bestenfalls sogar schon am Donnerstag, so Neslihan Kaya. Maximal eine Woche werde er für seine Fahrt ins Katastrophengebiet benötigen, wenn es einigermaßen reibungslos laufe.

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Wie geht es weiter?

Die Lagerkapazitäten in Waldshut-Tiengen erreichten derweil langsam aber sicher ebenfalls ihr Limit. Dennoch werden die Helfer sicherlich auch in den nächsten Tagen zwischen 10 und 21 Uhr Waren entgegennehmen. „Wir können momentan nur noch kleinere Lieferungen annehmen“, so die Sprecherin der Hilfsinitiative.

Und dennoch werde viel von einer langfristigen Hilfe für die Menschen in der betroffenen Region abhängen: „Man kann sich das Ausmaß kaum vorstellen. Das wird viele Jahre dauern, bis auch nur das Notwendigste aufgearbeitet ist“, sagt Neslihan Kaya. Immer stärker werde daher nach der Ersthilfe die finanzielle Unterstützung sein.

Organiationen wie die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC) sind hier bereits tatkräftig am Werk und haben Spendenkonten eingerichtet.