Hochrhein und Südschwarzwald sind nicht gerade bekannt für Gemüseanbau. Doch immerhin auf 34 Hektar – das sind umgerechnet knapp 48 Fußballfelder – wird im kreis Waldshut gewerblich Gemüse angebaut. Seit einigen Jahren liegen alte Sorten wie Pastinake, lila Kartoffeln, gelbe Beete, Stängelkohl oder Mangold deutschlandweit wieder im Trend. Wir haben uns in der Region umgehört.
Gemüsebauern sehen Vor- und Nachteile
Zu den größten Anbauern alter Gemüsesorten in der Region zählt die Bioland-Gemüsegärtnerei Eulenhof in Dogern. Frisch geernteter Schwarzkohl, roter und grüner Grünkohl, verschiedene alte Tomatensorten, schwarzer Rettich, Butterrüben, Bodenkohlrabi (auch Steckrübe genannt) und weiße Rüben sind jetzt zur Erntesaison an ihrem Stand am Wochenmarkt in Waldshut, im eigenen 24-7-Hofladen und in der Abo-Biokiste zu finden.
Eulenhof-Chef Markus Uhlenbrock-Ehnes sagt: „Grundsätzlich wird Pflanzenzucht betrieben, um bessere Ergebnisse zu erzielen – bezüglich Ertrag, Geschmack, Vielfalt, Pflanzengesundheit und Anpassung an den Klimawandel. Deshalb haben Neuzuchten grundsätzlich Vorteile gegenüber alten Gemüsesorten.“

Aber auch alte Sorten hätten ihre Berechtigung, weil sie den Speiseplan bereichern würden und oft einen höheren Gehalt an Vital- und Mineralstoffen hätten. „Bei uns als Direktvermarkter ist der Trend hin zu fast vergessenen Sorten deutlich spürbar“, sagt Uhlenbrock-Ehnes.
Neben den besonders gefragten Klassikern wie Kartoffeln und Karotten, bauen auch Barbara und Wolfgang Zengel auf ihrem Demeter-zertifizierten Bergbiohof in Stühlingen alte Gemüsesorten wie Pastinaken und bunte Karotten an. Angeboten werden die frischen Leckerbissen dann auf den Wochenmärkten in Stühlingen und Jestetten, im Biokisten-Abo oder in verschiedenen Hofläden der Region.
„Diese alten Sorten werden in den letzten Jahren vermehrt nachgefragt, große Mengen verkaufen wir davon aber keine“, sagt Barbara Zengel. „Vor allem Experimentierfreudige jeden Alters probieren alte Sorten in der heimischen Küche gerne mal aus.“
Sie gibt aber ebenfalls zu bedenken: „Die meisten alten Sorten sind unrentabel im Anbau, geben wenig Ertrag und sind anfällig für Krankheiten.“ Zengels hätten zum Beispiel immer wieder mit Sorten experimentiert, wie alte Erdbeeren oder Fleischtomaten. „Die sahen toll aus, waren besonders aromatisch im Geschmack, aber platzten nach drei Tagen Reife auf – waren also nicht sehr haltbar.“ Das alles seien wichtige Gründe dafür, dass diese Sorten weitergezüchtet wurden.

Frederik Diehl, der die Bewirtschaftung des Goldbachhofs in Bergalingen von Familie Huber übernommen hat, hat an alten Sorten vor allem Tomaten im Angebot. „Sie sind besonders lecker, aber leider nicht so ertragreich“, sagt der Landwirt.
Er bedauert, dass Bio-Jungpflanzenhändler ältere Sorten oft nur selten anbieten: „Das ist schade, ich würde künftig gerne mehr ausprobieren“, so Diehl. Seine Produkte verkauft er weiterhin über den Bioladen Huber in Görwihl sowie einen eigenen Direktvermarkterstand am Hof.
Hobby-Gärtner oft wenig experimentierfreudig
Hobby-Gärtner in der Region greifen bei Setzlingen im Frühjahr oft lieber zu klassischen Tomaten, Paprika und Gurken: „Während Corona hat das Hobby-Gärtnern in Hochbeeten einen totalen Boom erlebt“, sagt etwa Marina Braun vom gleichnamigen Blumenhaus in Wutöschingen.
„Wir haben aber nur selten Anfragen für besondere Gemüsesorten wie etwa Grünkohl.“ Weil sie von ihrem Zulieferer von der Reichenau gleich 150 Setzlinge abnehmen müssten, lohne sich das bei der geringen Nachfrage leider nicht.
Die Gärtnerei Kech in Bonndorf hat im Frühjahr neben „den üblichen Verdächtigen“, wie Gärtnermeister Martin Kech sagt, auch Mangold-Setzlinge im Angebot. „Das ist ein altes Gemüse, das von Liebhabern angefragt wird – aber einen allgemeinen Trend hin zu älteren Sorten können wir bei uns nicht erkennen.“ Viele der älteren Sorten, wie etwa Pastinake, gelbe Rüben oder Erdbeerspinat müsse man aber auch direkt säen und Saatgut habe man schon länger nicht mehr im Angebot.
Saatgut älterer Sorten hat hingegen Blumen Maier in Wehr-Brennet im Angebot: „Vor allem die Nachfrage nach älteren Tomatensorten wie ‚Harzfeuer‘ oder Erdbeeren wie ‚Mieze Schindler‘ hat zugenommen“, sagt Günter Maier, Gärtner und zuständig für den Ein- und Verkauf. „Seit mit der Pandemie viele Menschen den Hobby-Gemüseanbau für sich entdeckt haben, hält bei uns die stärkere Nachfrage auch an“, sagt er, „da sind viele auf den Geschmack gekommen.“
Spitzengastronomie schätzt besondere Geschmäcker
Auch Spitzengastronomen der Region schätzen ältere Gemüsesorten. Bad Säckingens Sternekoch Raimar Pilz etwa berichtet, dass alte Sorten aus seiner mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Genussapotheke nicht mehr wegzudenken seien: „Sie versprechen einfach tolle Geschmackserlebnisse“, sagt er. Aus eigener Erfahrung weiß er, dass zwischen Hochrhein und Südschwarzwald aber noch etwas Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.
„Ich arbeite seit einigen Jahren sehr erfolgreich mit dem Dinkelberghof in Schopfheim zusammen“, berichtet Pilz. „Nachdem wir auf sie zugegangen waren und unsere Ideen und Vorstellungen besprochen hatten, waren sie so aufgeschlossen, extra für uns vergessenen Gemüse und Spezialwünsche anzubauen.“ Er schätzt etwa Mangold und Topinambur sehr, kocht, püriert oder fermentiert diese gerne. „Saisonal besondere Gemüse wie Kerbelwurzel oder Knollenziest finde ich auch oft im nahegelegenen Frankreich“, sagt er.
Familie Hegar, die in Bonndorf den Hotel-Gasthof Sommerau betreibt und mit einem grünen Michelin-Stern für Nachhaltigkeit ausgezeichnet wurde, sieht das ähnlich: „Alte Sorten geben Vielfalt und erweitern das Geschmacksspektrum“, sagt Karen Hegar.

Mangold bereiten sie als vegetarisches Gericht gerne mit Sellerie und Tomate zu, um den erdigen Geschmack etwas zu neutralisieren. Pastinake und Petersilienwurzel gibt es in der Sommerau-Küche etwa als Ofengemüse oder als mit Zitrone verfeinerte Suppe.