Erstmals musste ein Gericht in der Schweiz über den Verstoss gegen die Meldepflicht bei der Einreisequarantäne entscheiden. Der Beschuldigte hatte gegen den Strafbefehl Einsprache eingereicht und verteidigte sich vor dem Bezirksgericht Zurzach selbst. Unüblich für einen Angeklagten: Er bat die Medienvertreter explizit, seinen Namen zu nennen. „Ich muss nichts verbergen“, sagte er. Warum er vor 15 Jahren schon einmal vor Gericht stand, verrät er dann aber doch nicht.
Keinen festen Wohnsitz in Schweiz
Ein Kapitel mit dem er abschließen wolle, sagt er. In der Ukraine, in der er mittlerweile lebt, habe er ein Land gefunden, in dem er sich „nicht fehlbar fühlen“ müsste. Er pendelt regelmässig zwischen der Ukraine und der Schweiz – bisher „128 mit dem Auto und 76 mal mit dem Flieger“, wie er Richter Cyrill Kramer erläutert. Was er ausserhalb der Schweiz mache, sei Privatsache. Überhaupt gibt er sich wenig kooperativ, will nur eine selbstverfasste Schilderung der Situation verlesen und ansonsten keine Aussage machen.
Ende August sei er in die Ukraine gereist, kurz darauf wurde das Land von der Schweiz als Risikogebiet eingestuft. Am 11. September flog der Angeklagte zurück nach Zürich, von einem „stabilen Corona-Land in den Hotspot Schweiz„, erklärt er. Der Mann schildert, er habe mittlerweile keinen festen Wohnsitz mehr in der Schweiz, lediglich eben eine Postadresse im Bezirk Zurzach. Er habe gewusst, dass die Ukraine damals als Risikogebiet eingestuft war und er sich nach der Einreise in zehntägige Quarantäne begeben müsse. Dieser habe er sich auch nicht verweigert, sondern sofort versucht, eine Möglichkeit zur Selbstquarantäne aufzutreiben – schwierig, wenn man keinen Wohnsitz hat. Eine Nacht verbrachte er im Auto, erst nach der 48-stündigen Meldepflicht kam er schließlich bei einem Bekannten in Aarau unter.
Die gesamte Zeit über will der Beschuldigte kein Internet gehabt haben, um sich beim Kanton zu melden. Sein Smartphone sei ihm zu klein gewesen, um die Mitteilung an den Kanton zu verfassen. Generell sei ihm wichtiger gewesen, die Selbstquarantäne zu organisieren: „Was ist wichtiger: Niemanden anzustecken oder sich zu melden?“ Er hielt es „nicht mehr angebracht“, seine Reiserückkehr-Meldung nach Ablauf der Frist nachzureichen. „Das ist meine persönliche Auffassung“, sagte er.
Entsprechend trudelte Anfang Oktober der Strafbefehl ein: 500 Franken Busse, nochmal genauso viel Strafbefehlsgebühr. Wäre er corona-positiv gewesen, hätte er den Strafbefehl stillschweigend akzeptiert, so der Angeklagte. Da er allerdings in der Ukraine lediglich zu zwei Personen Kontakt hatte, noch immer corona-negativ sei und mutmaßlich niemanden angesteckt habe, beantragte er mit seiner Einsprache eine Befreiung jeglicher Schuld ohne Kostenfolge.
„Es ist für den Staat einfacher, mit dem Finger auf sogenannte 08/15-Bürger zu zeigen, als die eigenen Hausaufgaben zu machen“, politisierte er in seiner Stellungnahme. Am Rande der Verhandlung erwähnt er noch, er sei „ein bisschen ein Revoluzzer“. Die Meldepflicht verknüpft er mit einem Überwachungsstaat: „Honecker hätte die grösste Freude.“
Richter Kramer stellte in seiner Urteilsverkündung klar, dass es aber gerade nicht darum gehe, Politik zu machen. „Die gesetzlichen Grundlagen sind geregelt, Quarantänepflicht ist auch Meldepflicht„, sagte er. Er verurteilte Baumann im Sinne der Anklage zum Bezahlen der 1000 Franken. „In Anbetracht Ihrer Uneinsichtigkeit und des Umstands, dass sie sich bewusst nicht beim Kanton gemeldet haben, sind Sie mit dieser Strafe noch gut bedient“, befand er.