Wo ist die Wanderin Scarlett? Auch drei Jahre nach Verschwinden der jungen Frau gibt es auf diese Frage keine Antwort. Zuletzt gesehen wurde sie im September 2020 bei Todtmoos, am Beginn der letzten Etappe des Schluchtensteigs. Seither fehlt von der damals 26-Jährigen jede Spur.
Wie gehen die Angehörigen mit dem Verschwinden um?
Der Fall hat deutschlandweit große Anteilnahme hervorgerufen – und tut dies bis heute, vor allem in den sozialen Medien. Allein die Facebook-Seite „Bitte findet Scarlett“ hat aktuell mehr als 15.000 Follower. Und bis heute werden Angehörige der Vermissten nicht müde, um Unterstützung zu bitten.
So hat Scarletts Vater Ralf S. kurz vor dem Jahrestag des Verschwindens seiner Tochter in einer Video-Botschaft allen Freiwilligen gedankt, die die Familie auf vielfältige Weise unterstützt haben und dies noch immer tun.
Gleichzeitig konstatierte er aber auch: „Man gewöhnt sich nie an diesen Zustand der Ungewissheit, und man will sich auch nicht daran gewöhnen.“ In diesem Sinne appelliert er an alle Unterstützer und Freiwilligen, in ihren Bemühungen, Klarheit in die Angelegenheit zu bringen, nicht nachzulassen. Denn es werde für die Familie immer höchste Priorität haben, Scarlett „bestenfalls wiederzufinden“.
Am 22. September wäre sie 30 Jahre alt geworden
Wie groß auch drei Jahre nach dem Verschwinden von Scarlett die Anteilnahme der Menschen ist, zeigte sich besonders am 22. September – der Tag, an dem die Vermisste ihren 30. Geburtstag gefeiert hätte.
Trauer, Mitgefühle, nicht zuletzt aber auch eine große Portion Hoffnung kennzeichnen die hunderten Kommentare. Obwohl die wenigsten der Menschen, die hier gratulieren, Scarlett persönlich kennen oder gekannt haben dürften – irgendetwas an dem Schicksal der jungen Frau berührt und fasziniert die Menschen.
Wie steht es mit Suchaktionen im Wehratal?
Tatsächlich gibt es noch immer von Freiwilligen organisierte Suchaktionen im Wehratal. Wie häufig gesucht wird oder wie viele Menschen sich daran aktuell noch beteiligen. Darüber hat die Polizei indes keinen Überblick, wie Polizeisprecher Benjamin Woldert auf Nachfrage erklärt. Allerdings sei es recht zuverlässig gemeldet worden, wenn bei Suchen etwas gefunden worden sei.
Auch wenn die Polizei derweil großes Verständnis für das Interesse der Familie habe, Klarheit über den Verbleib der vermissten Scarlett zu erhalten, werden die privaten Suchaktionen doch mit gewisser Skepsis gesehen, so Woldert weiter: „Das Wehratal ist kein einfaches Terrain, es gibt viele Spalten und Zerklüftungen. Kletter-Aktionen sind hier nicht erlaubt.“

Abgesehen davon seien in den ersten Wochen nach Verschwinden der jungen Frau mehrere hundert Einsatzkräfte, teils mit Suchhunden im Einsatz gewesen. Die Bergwacht habe damals die Schluchtensteig-Etappe zwischen Todtmoos und Wehr sehr intensiv abgesucht – ohne Ergebnis.
Wie wird der Fall Scarlett von den Ermittlern eingeschätzt?
Seitens der Ermittlungsbehörden wurde im August 2022 ein Todesermittlungsverfahren eröffnet. Diesem war laut Auskunft der Polizei eine Strafanzeige vorausgegangen. Im Februar dieses Jahres wurde das Verfahren allerdings wieder eingestellt.
Trotz „aller denkbaren Ermittlungsmaßnahmen“ konnte der Verbleib der Vermissten nicht aufgeklärt werden, begründete die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen die Entscheidung damals: „Insbesondere ergaben sich keine Anhaltpunkte für einen gewaltsamen Tod der vermissten Scarlett S.“
Der Vorgang wurde wieder von der Polizei als Vermisstenfall übernommen. Als solcher wird er so lange weiterverfolgt, bis das Schicksal der Vermissten geklärt sei, verdeutlichte Rahel Diers, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft im Februar. Zuständige Dienststelle ist die Kriminalpolizei Waldshut.
Was wird aktuell in Sachen Ermittlungen unternommen?
Grundsätzlich gelte: „Wenn konkrete Hinweise auf Gegenstände oder ähnliches bei der zuständigen Dienststelle eingehen, werden diese gesucht oder es werden Suchaktionen in diesem Bereich durchgeführt“, so Benjamin Woldert.
Voraussetzung für weitere Maßnahmen sei, dass etwas Greifbares vorliege. Tatsächlich gehen bis heute immer wieder neue Hinweise ein. „Der aktuelle Stand beläuft sich auf rund 530 Hinweise“, beziffert es Woldert. Es sei aber bisher nichts dabei gewesen, was den Verbleib der Vermissten aufklären konnte.
Welche Unterstützung erhalten die Angehörigen?
Die Angehörigen leiden unterdessen extrem unter der Ungewissheit, die eine solche Vermissten-Situation zwangsläufig mit sich bringt. Das macht Scarletts Vater in Interviews und Beiträgen in den sozialen Medien immer wieder deutlich. Dennoch gibt es behördlicherseits keine Unterstützung für Angehörige von Vermissten, so Woldert.
Wie sieht das weitere Vorgehen aus?
Seit Einstellung des Todesermittlungsverfahrens werde der Fall Scarlett wieder als Vermisstensachverhalt behandelt, so Polizeisprecher Woldert. Entsprechend werde ermittelt, bis das Schicksal der Wanderin geklärt sei.
„Eine vermisste Person kann unter den Voraussetzungen des Verschollenheitsgesetzes für tot erklärt werden“, erläutert Woldert. Im vorliegenden Fall bedeute dies, dass eine Todeserklärung frühestens nach zehn Jahren nach dem Verschwinden möglich sei.
Weitere Artikel zum Vermisstenfall
Seit dem Verschwinden der jungen Frau im Südschwarzwald berichtet der SÜDKURIER fortlaufend über neue Entwicklungen:
- Im Februar 2023 wird das Todesermittlungsverfahren wieder eingestellt.
- Eine gefundene Sonnenbrille gibt im September 2022 Spekulationen über den Verbleib der seit zwei Jahren vermissten Wanderin neue Nahrung. Ermittler starten am Fundort weitere Suchaktion.
- Juli 2022: Über 145 Hinweise seit Aktenzeichen XY zum Vermisstenfall Scarlett.
- Seit der Ausstrahlung der Sendung ‚Aktenzeichen XY‚ gingen weiterhin wöchentlich neue Hinweise bei der Polizei ein: Mutmaßliche Zeugen berichten von einer Sichtung der Gesuchten in der Umgebung von Wehr und Todtmoos.
- Vermisste Scarlett S.: Jetzt soll „XY ungelöst“ bei der Suche helfen. Im März 2022 dreht das Filmteam in Todtmoos.
- Bislang blieben alle Suchaktionen nach der im September 2020 verschwundenen Wanderin Scarlett S. erfolglos. Gegenüber dem SÜDKURIER äußert sich die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen Anfang September 2021 zu den Hintergründen und dem Stand der aktuellen Todesfallermittlungen.
- Seit dem Verschwinden der jungen Frau im Südschwarzwald berichtet der SÜDKURIER fortlaufend über neue Entwicklungen: Die Ereignisse im Überblick.
- Wie Spekulationen im Vermisstenfall Scarlett im Netz die Arbeit der Ermittler erschweren, erfahren Sie hier.
- Weiterhin gibt es private Suchaktionen in der Region, wie Sie in diesem Artikel aus dem Mai 2021 nachlesen können.
- Anfang Februar 2021 äußerte sich die Polizei zur eingestellten Suche nach der Vermissten.
- Wenn sich ein Hellseher einschaltet: So geht die Polizei mit diesen Hinweisen im Vermisstenfall Scarlett um.