Der AfD-Landtagskandidat Matthias Jehle wirft den Stadtwerken Bad Säckingen vor, einen Auftrag für einen Unternehmer widerrufen zu haben, weil dieser sich öffentlich zur AfD bekennt. Hier würden Menschen wegen ihrer politischen Gesinnung wirtschaftlich benachteiligt, sagt Jehle.
Stadtwerke-Geschäftsführer Dirk Scheffner widerspricht. Die Stadtwerke hätten den Auftrag nicht erteilt, weil der ins Auge gefasste Auftragnehmer in einem sozialen Netzwerk öffentlich eine rechtsextreme Gruppe unterstützt habe. Um die AfD sei es dabei gar nicht gegangen, so Scheffner.
Bei dem Unternehmer, mit dem die Stadtwerke nicht zusammenarbeiten wollen, handelt es sich um den Murger Industrie- und Messebaumonteur sowie AfD-Gemeinderat Uwe Stehle. In seinem Facebook-Post nennt Jehle dessen Namen zwar nicht. Er teilte unserer Zeitung aber auf Anfrage mit, um wen es sich handele. Auch Stehle selbst bestätigte, dass er besagter Unternehmer sei.
Wie alle Beteiligten bestätigen, hat der umstrittene Vorfall bereits im Dezember 2024 stattgefunden. Die Stadtwerke wollten sechs Mitarbeiter für die Bedienung eines Ladekrans ausbilden lassen. Dritte empfahlen dem Unternehmen Stehle, der eigenen Angaben zufolge schon seit mehr als zehn Jahren derlei Kurse für Mitarbeiter des eigenen sowie fremder Betriebe anbietet.
„Eine Zusammenarbeit mit einem Lieferanten, welcher offen eine rechtsextremistische Gruppierung supportet, ist mit unseren Werten nicht vereinbar“
Unserer Zeitung liegt der E-Mail-Verlauf zwischen Stehle und den Stadtwerken vor, wonach die Stadtwerke bei Stehle am 28. November 2024 einen Kurs am 13. Dezember bestellten. Am 9. Dezember widerriefen sie ihn aber „aufgrund eines negativen Ergebnisses der Lieferantenprüfung“, wie die Stadtwerke Stehle mitteilten. „Eine Zusammenarbeit mit einem Lieferanten, welcher offen eine rechtsextremistische Gruppierung supportet, ist mit unseren Werten nicht vereinbar“, teilte ein Mitarbeiter der Stadtwerke Stehle mit.
Was war geschehen? Stehle hatte auf seinem Facebook-Profil die Gruppe „Wodans Erben Germanien“ unterstützt. Darauf seien die Stadtwerke bei der Überprüfung gestoßen, der sie neue Partnerfirmen standardmäßig unterzögen, erklärte Stadtwerke-Geschäftsführer Scheffner unserer Zeitung. Bei „Wodans Erben“ handele es sich um eine rechtsextreme Gruppierung, so Scheffner weiter. „Wenn mögliche Lieferanten solche Gruppen öffentlich positiv positionieren, dann passen wir nicht zusammen.“
Stehle bejaht unserer Zeitung gegenüber, dass er vor Jahren auf seinem Facebook-Account „Wodans Erben“ gepostet habe. „Ich war mal mit ein paar Leuten in Kontakt, die mir ganz gut gefallen haben“, erklärt er. Er habe die Gruppe nicht als gewalttätig empfunden. Sie habe „Zeltlager und so Dinge“ angeboten, was ihn als mögliche Aktivität gemeinsam mit seiner Familie interessiert habe, so Stehle. All dies liege Jahre zurück. „Ich habe schon lange nichts mehr von Wodans Erben gepostet.“
Das Landesamt für Verfassungsschutz bezeichnet „Wodans Erben“ 2019 eindeutig als rechtsextremistisch
Die Gruppe machte vor allem in den Jahren 2019/2020 von sich reden. Das Landesamt für Verfassungsschutz ordnete die Gruppe 2019 als sogenannte „Bürgerwehr“ mit rechtsextremistischem Charakter ein. Sie habe mehrmals an eindeutig rechtsextremistischen Veranstaltungen teilgenommen. Die Gruppe verfüge über einen baden-württembergischen Ableger, dessen Facebook-Seite rund 970 Gefällt-mir-Angaben sowie ebenfalls auf Facebook eine geschlossene „Bewerber-Gruppe“ mit rund 370 Mitgliedern habe, wie es in einer Antwort des Innenministeriums 2019 auf eine kleine Anfrage des FDP-Abgeordneten Nico Weinmann heißt.
Nachdem die Stadtwerke am 9. Dezember den Auftrag an ihn widerrufen hatten, informierte Stehle noch am selben Tag umgehend den AfD-Kreisvorsitzenden Jehle: „Ist schon lustig unsere Demokratie.“ „Eigentlich sollte man darauf reagieren. Du bist ein gewählter Volksvertreter! Sollen wir reagieren, als Kreisvorstand?“, antwortete Jehle.
Kreisvorstand Jehle reagiert acht Monate später
Jehle reagiert dann erst acht Monate später – inzwischen Landtagskandidat seiner Partei. „Ich bin nicht dazu gekommen“, erklärt er gegenüber unserer Zeitung diese lange Zeit. Am 9. August gibt Jehle auf Facebook den Sachverhalt folgendermaßen wieder: „Ein Unternehmen aus der Region sollte einen Auftrag der Stadtwerke Bad Säckingen übernehmen, doch nachdem bekannt wurde, dass sich der Inhaber öffentlich zur AfD bekennt, wurde der Auftrag kurzfristig widerrufen.“
Allein das Bekenntnis zu einer Partei reiche offenbar aus, um eine geschäftliche Zusammenarbeit auszuschließen, so Jehle. Dies erinnere an „dunkle Kapitel der deutschen Geschichte“. Am Ende fragt der AfD-Landtagskandidat: „Sollten städtische Unternehmen Aufträge nach parteipolitischer Zugehörigkeit vergeben oder verweigern?“
„Absurd“, nennt dieses Posting Stadtwerke-Geschäftsführer Scheffner. Er betont, dass es anders war, als von Jehle behauptet: „Die Zugehörigkeit zur AfD war nie ein Thema, das war definitiv nicht das Kriterium.“ Die Stadtwerke seien politisch neutral. Auch seitens des Hauptgesellschafters gebe es keinerlei Forderungen bezüglich des Umgangs mit der AfD.
Hauptgesellschafter der Stadtwerke ist die Stadt Bad Säckingen. Deren Bürgermeister, SPD-Mitglied Alexander Guhl, verweist darauf, dass sich die Stadt nicht ins operative Geschäft der Stadtwerke einmische. Die Aussagen Jehles nennt er tendenziell und suggestiv. Über das Widerrufen des Auftrags sagt Guhl: „Die Stadtwerke haben da alles richtig gemacht. Ich stehe voll hinter ihnen.“