In der Pandemie war der Schulalltag für die Erstklässler schon vorbei, bevor er überhaupt richtig angefangen hat. Erstklässler lernten das Lesen zuhause und hatten kaum Erfahrung wie der Alltag im Schulgebäude aussieht. Ganz abgesehen von den möglichen Lücken im Lernstoff, macht es aber noch viel mehr mit ihnen.

„Mein Sohn ist zu Beginn des Schuljahres ganz stolz in die Schule marschiert und dann war es auch schon wieder vorbei“, erzählt Volker Schreiber, Vater eines Erstklässlers aus Oberlauchringen. Den Schulalltag und den dazugehörigen Rhythmus habe sein Sohn noch nicht erleben können. Was Schule wirklich bedeute, konnte der Erstklässler ebenso noch nicht erfahren. Der Klassenzusammenhalt, das Soziale blieb auf der Strecke.

Schule zuhause

Die Familie ist quasi in einer Luxus-Situation. Denn beide Elternteile sind Lehrer. Volker Schreiber unterrichtet an der Realschule Tiengen. Er und seine Frau überlegten sich ein besonderes Konzept für das Homeschooling. Gemeinsam mit der Nachbarschaft wurden die Kinder vormittags abwechselnd betreut. „Anders wäre es gar nicht möglich gewesen“, sagt Schreiber, der auch die wesentlich größeren Schwierigkeiten anderer Eltern im Unterricht zuhause kennt. Für das Lehrerpaar sei es einfacher gewesen, schließlich seien beide mit den Arbeitsmaterialien aus der Schule vertraut. „Es ist unser Beruf, aber das ist eben bei anderen Eltern nicht so“, so Schreiber.

Schule zuhause ist der neue Alltag: Die Geschwister sitzen gemeinsam am Esstisch und lernen.
Schule zuhause ist der neue Alltag: Die Geschwister sitzen gemeinsam am Esstisch und lernen. | Bild: Symbolbild: privat

Sein Sohn sei relativ gut mit den Aufgaben zuhause klar gekommen. Schreiber weiß aber auch: „Desto höher die Klasse, desto selbstständiger erfolgt das Lernen, Grundschüler haben das noch nie gemacht und mein Sohn wollte auch, dass jemand dabei ist.“ Das Lesen habe der Erstklässler von seinen Eltern gelernt – mit Hilfe der Arbeitsmaterialien aus der Schule. Den Schulbetrieb habe die Familie so gut wie möglich versucht zu simulieren, etwa seien alle zu der schul-üblichen Uhrzeit aufgestanden. Und ab und zu habe sich auch die Lehrerin online gemeldet.

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Richtiger Online-Unterricht wie man ihn in den höheren Klassen kennt, sei für Erstklässler jedoch gar nicht möglich, so Schreiber. „Mit meinen Fünftklässlern hat es ja schon eine ganze Weile gedauert, bis das richtig funktioniert hat“, erzählt er aus Lehrersicht. Was der Lehrer auch weiß: „Präsenzunterricht ist einfach nicht zu ersetzen, die persönliche Begegnung zählt viel mehr als das Treffen vor dem Bildschirm.“

„Ich ziehe meinen Hut vor der Leistung der Eltern“

Was für Schreibers Sohn auch mehr zählt als das Wort seines Vaters ist jenes seiner Lehrerin. Wenn er freitags die Aufgaben hingebracht hat, habe er sich immer sehr gefreut, sie montags wieder abzuholen – und vor allem über das Lob und die Anerkennung der Lehrerin war die Freude groß. „Er ist immer noch ein stolzer Schüler“, so Schreiber. Aktuell befindet er sich aber noch im Wechselunterricht – das bedeutet eine Woche Schule, eine Woche zuhause. „Ich hoffe, dass sich alles schnell wieder normalisiert“, sagt er als Vater, aber auch als Lehrer. Schreiber lobt die Leistung der Grundschule Oberlauchringen, aber auch jene aller Eltern: „Ich ziehe meinen Hut vor der Leistung der Eltern.“

Ein Grundschüler beim Mathelernen zuhause.
Ein Grundschüler beim Mathelernen zuhause. | Bild: Marcel Jud

„Alles, was Schule ausmacht, ist momentan undenkbar“

Auch Arne Scharf, Lehrer einer siebten Klasse der Grund- und Werkrealschule Gurtweil, weiß, dass der Fernunterricht eine große Belastung für die Schüler sei. „Gerade für jene, die monatelang kein Schulhaus von innen gesehen haben“, so Schwarz. Der Lehrer ist Kreisvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Kreis Waldshut. „

Meine Schüler kamen erst vor vier Wochen wieder in den Wechselunterricht nach vier Monaten Fernlernen“, so Scharf. Neben dem Lernstoff sei auch das soziale Miteinander in letzter Zeit auf der Strecke geblieben, allein das Pflegen der Klassengemeinschaft, Ausflüge, Landschulheimaufenthalte. „All das, was Schule auch ausmacht, ist momentan undenkbar“, betont Scharf. Der Erfolg des Fernlernens hänge auch davon ab, wie gut die Eltern zuhause unterstützen können, sei es bei dem Erledigen der Hausaufgaben, Unterstützung bei Fragen oder technischer Support bei digitalen Anwendungen. „Kinder ohne eine solche Unterstützung haben ihre Probleme“, sagt Scharf.

VBE: Wunsch nach Konzepten, die auch das Soziale berücksichtigen

Auch Sonja Dannenberger, berichtet als Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) von den Auswirkungen des Homeschoolings auf Grundschüler. Seit Dezember würden sich alle Schüler entweder im Fern- oder im Wechselunterricht befinden. „Da es alle paar Wochen neue Verordnungen und Regelungen gibt, die sehr oft sehr kurzfristig an die Schulen geschickt werden, können die Schulen derzeit nicht langfristig planen“, so Dannenberger, die auch die Schulleiterin der Talschule Wehr ist.

Unter der Schulsituation würden Schüler, Eltern, Lehrkräfte und Mitarbeiter leiden. Die Lehrkräfte würden seit nunmehr fast 14 Monaten zwischen Fernunterricht, Präsenzunterricht, Digitalunterricht, Wechselunterricht und Notbetreuung pendeln. Gleichzeitig müssten sie die aufwendigen Hygienemaßnahmen an den Schulen umsetzen. In der aktuellen Forsa-Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) beschreiben die befragten Lehrkräfte neben der hohen Arbeitsbelastung die Auswirkungen der Schulschließungen als die zweite große Herausforderung.

Sonja Dannenberger
Sonja Dannenberger | Bild: SK

Dabei würden die Lehrkräfte den Distanzunterricht als großes Problem benennen. Dabei seien folgende Bereiche besonders problematisch: Die geringe Motivation der Schüler, der fehlende Kontakt der Lehrkräfte zu Schülern, die Schwierigkeit der Leistungsbewertung, die entstehenden Lernrückstände sowie die emotionale Belastung der Schüler durch den fehlenden Kontakt untereinander.

Das zeigt laut Sonja Dannenberger deutlich, dass der Fernunterricht trotz aller Anstrengungen die Qualität des Präsenzunterrichts nicht erreichen kann. „Um die Schüler wieder auffangen zu können, benötigen die Schulen schnellstens langfristige Konzepte, die nicht nur auf die Lernrückstände abzielen, sondern ebenso die soziale und emotionale Komponente berücksichtigen“, so Sonja Dannenberger.

Zusätzlicher Förderunterricht nötig

Der VBE fordert laut Dannenberger zudem die neue Landesregierung auf, zusätzliche Förderstunden an den Schulen und vor allem an allen Grundschulen im großen Maße zur Verfügung zu stellen, um Lernlücken langfristig zu schließen. „Eine Wiederholung des Schuljahres für alle Schüler lehnt der VBE ab“, so Dannenberger.

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