Die ersten fetten Partys, das Streben nach Unabhängigkeit und das ewige Warten auf den 18. Geburtstag – jugendlich zu sein ist mit vielen Meilensteilen verbunden. Jetzt muss die Generation, die überall sein will, nur nicht zuhause, eben dort sein. Drei Jugendliche geben einen Einblick in ihre Situation.

Kim Bagemihl, 17 Jahre, aus Bad Säckingen-Wallbach

Die Klassenfahrt nach Spanien und ihre Studienfahrt sind abgesagt, auf den Abiball 2022 hofft sie noch. „Diese Zeit wurde uns ...
Die Klassenfahrt nach Spanien und ihre Studienfahrt sind abgesagt, auf den Abiball 2022 hofft sie noch. „Diese Zeit wurde uns genommen. Nach dem Abi geht jeder seiner Wege und man sieht sich nicht mehr“, Kim Bagemihl (17) aus Wallbach. | Bild: Maria Schlageter

Eines der wenigen Dinge, die während der vergangenen Monate unbedenklich geblieben sind, ist die Verabredung unter freiem Himmel. Doch auch dieses Konzept hat seine Grenzen: Es regnet in Strömen, als Kim Bagemihl ihren Regenschirm zuklappt und sich unter das schützende Zeltdach im Bad Säckinger Schlosspark stellt.

„Der erste Lockdown war definitiv besser als der zweite. Im ersten konnte man noch viel mehr draußen sein.“
Kim Bagemihl

Die 17-Jährige und schaut trotzdem optimistisch in das tropfende Nass um sie herum. Hier im Park ist sie gerne. Gleich um die Ecke, im Alten Gefängnis, würde sie unter anderen Umständen Zumba-Kurse für Gleichaltrige leiten. Nicht viel weiter weg ist ihre Schule, das Scheffel-Gymnasium, wo sie in die elfte Klasse geht. Beide Gebäude hat sie in diesem Jahr recht wenig von innen gesehen. Kim verbringt, wie so viele Jugendliche, die meiste Zeit im elterlichen Heim.

„Ich habe Glück, wir haben ein Haus mit Garten. Und ich habe mit zwei Freundinnen den Dachboden umgebaut in der Corona-Zeit.“
Kim Bagemihl

Langeweile steht ihr nicht besonders – einer der Gründe, warum sie sich auf das konzentriert, was auch in der Pandemie funktioniert. „Ich hatte mehr Zeit für das, was mich wirklich interessiert, Sachen wie Sport oder Malen. Und ich habe gelernt schulische Dinge selbst zu erarbeiten, deswegen glaube ich nicht, dass ich diesbezüglich zu viel verpasst habe“, meint Kim, die im kommenden Jahr ihr Abitur machen wird.

Dafür fehlen ihr andere Erfahrungen, die sie nicht mehr nachholen kann: Die Klassenfahrt nach Spanien und ihre Studienfahrt sind abgesagt, auf den Abiball 2022 hofft sie noch. „Diese Zeit wurde uns genommen. Nach dem Abi geht jeder seiner Wege und man sieht sich nicht mehr“, sagt sie. Sobald es möglich ist, will Kim in den Urlaub fahren, auch wenn ihr das die Studienfahrt nicht ersetzen wird.

So bewerten Peter Knorre und Katja Glaus vom Jugendhaus „Altes Gefängnis“ in Bad Säckingen die Lage

David Bergmann, 16 Jahre, aus Wehr

„Ich finde nicht, dass man irgendwas hätte lockern sollen. Ich wünschte mir eher eine Zeitmaschine, um damit im letzten Jahr einen ...
„Ich finde nicht, dass man irgendwas hätte lockern sollen. Ich wünschte mir eher eine Zeitmaschine, um damit im letzten Jahr einen richtig harten Lockdown durchzusetzen, der wirkt“, sagt David Bergmann, (16) aus Wehr. | Bild: Maria Schlageter

Von tagelangen Feiern bis zur Reise in die entferntesten Ecken der Welt – die Liste an Dingen für ein mögliches „Nach-Corona“ ist lang und abenteuerlich. Manche Vorstellungen fallen aber auch erschreckend anspruchslos aus.

„Man hofft schon darauf, die eine oder andere Party nachzuholen. Aber eigentlich will ich nur wieder normal in die Schule gehen. Das ist das Einzige was ich mir wünsche.“
David Bergmann

Er sitzt auf einer Bank mitten auf dem Wehrer Zelg-Schulplatz, hinter ihm ragt das Gebäude der Walther-von-Klingen-Realschule in die Höhe. Vergangenes Jahr hat er dort seinen Abschluss gemacht, mittlerweile besucht er das technische Gymnasium in Lörrach. Gut läuft es dort nicht, gibt David offen zu. Die Monotonie des Online-Unterrichts, der ihn seit Wochen in den eigenen Zimmerwänden hält, macht ihm zu schaffen.

„Ich kann mich schlecht konzentrieren. Die ersten Wochen war ich online geistig noch da, jetzt hänge ich hinterher.“
David Bergmann

Ihm fehlt die Struktur des Alltags vor Corona: „Früher bin ich aus dem Haus, in die Schule, habe nachmittags meine Hausaufgaben gemacht und dann am Computer gezockt. Jetzt sitze ich schon morgens am PC.“

Die sozialen Kontakte sind dabei nicht das, was ihm meisten fehlt. Als Gamer hatte er mit seinen Mitspielern, die sich im gesamten deutschen Sprachraum verteilen, schon immer viel online kommuniziert. „An Silvester wollten wir uns alle richtig treffen, was dann ins Wasser gefallen ist. Das ist natürlich frustrierend“, erzählt David. Sein Glück sind die zwei Hunde der Familie, mit denen er oft draußen unterwegs ist.

Andere Regelmäßigkeiten, wie die Stadtmusik Proben, fallen im Leben des 16-Jährigen seit Monaten weg. Trotzdem hält er die Schließungen für richtig: „Ich finde nicht, dass man irgendwas hätte lockern sollen. Ich wünschte mir eher eine Zeitmaschine, um damit im letzten Jahr einen richtig harten Lockdown durchzusetzen, der wirkt.“

Nastia Geier, 16 Jahre, aus Bad Säckingen

„Ich finde es schwer, sich zu entwickeln. Wie sollen wir herausfinden, wer wir selbst sind, wenn wir keine Möglichkeiten haben ...
„Ich finde es schwer, sich zu entwickeln. Wie sollen wir herausfinden, wer wir selbst sind, wenn wir keine Möglichkeiten haben Dinge auszuprobieren?“, fragt Nastia Geier, (16) aus Bad Säckingen. | Bild: Maria Schlageter

„Ich finde es schwer sich zu entwickeln. Wie sollen wir herausfinden, wer wir selbst sind, wenn wir keine Möglichkeiten haben Dinge auszuprobieren?“ fragt Nastia Geier, wohlwissend, dass sie auf ihre Frage keine Antwort bekommen wird. Sie steht im Park unterhalb des Rheinkraftwerks mit Blick auf die historische Holzbrücke und die Schweiz. Es ist einer von Nastias Lieblingsplätzen. Heute ist sie alleine da. Lieber wäre es ihr, ihre Freunde wären ebenfalls da. „Ich mag es raus zu gehen und viel unterwegs zu sein“, erzählt sie von sich. Die 16-Jährige ist nicht der Typ Stubenhocker und trotzdem ist sie es gezwungenermaßen geworden.

„Ich bin oft zuhause. Manchmal treffe ich mich mit einer Person, aber auch dann hat man sich nicht so viel zu erzählen. Keiner erlebt momentan was und jemand Neuen kann man auch nicht kennenlernen.“
Nastia Geier

Bis auf eine Freundschaft, habe sie viele Freunde aus den Augen verloren. „Ich bin nicht gut darin nur über das Handy Kontakt zu halten, ich muss die Leute treffen, am besten alle zusammen“, lacht Nastia, die derzeit die einjährige Berufsfachschule für Friseure absolviert. Seit kurzem hat sie auch wieder praktischen Unterricht, das macht Spaß und bringt Sicherheit. „Denn die Noten, die wir jetzt schreiben sind wichtig für unsere Zukunft, gerade wenn man einen Abschluss macht“, bedenkt Nastia. Auch auf die Berufswahl ihrer Generation präge sich Corona aus.

„Ich kenne Leute, die ihren Traumberuf aufgegeben haben.“
Nastia Geier

Fehlende Stellen und zu große Ungewissheiten seien die Gründe. Wenn Nastia der Pandemie etwas Positives abgewinnen kann, dann dass sie gelernt hat mit sich selbst zufriedener zu sein. „Ich habe viel mehr Zeit mich mit mir selbst und meiner Gesundheit zu beschäftigen“, erzählt sie. Bald, so hofft Nastia, kann sie ihre Zeit wieder mehr mit ihren Freuden teilen und einfach eine normale Jugendliche sein: „Die Erwachsenen haben ihre Jugend gelebt. Wir sollten uns auch austoben dürfen. Und zwar jetzt, zu diesem Zeitpunkt.“

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