Viele Familien sind am Ende ihrer Kräfte. Die Corona-Pandemie bedeutet für sie eine Dauerbelastung. Dies weiß auch Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), die im Bundestag den Landkreis Waldshut sowie Teile des Hochschwarzwalds vertritt. Auf ihre Einladung fand sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zu einer digitalen Gesprächsrunde ein. Mit dabei waren Schüler, Eltern, Verantwortliche in der Familienbetreuung, der Landrat sowie mehrere Bürgermeister der Region.

Giffey sprach von den finanziellen Hilfen der Bundesregierung, mit denen sich die wirtschaftlichen Nöte der Familien in dieser Zeit abfedern ließen.

Doch Giffey sei auch bewusst, dass die psychosozialen Auswirkungen sehr schlimm seien und es sei eine hohe Priorität, auch diese abfedern zu können. Sie sprach von „Bindungs- und Bildungslücken“ wegen geschlossener Kitas und Schulen und einer schwierigen Situation, da auch das Vereinsleben still stehe.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey im Video-Gespräch.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey im Video-Gespräch. | Bild: screenshot Verena Wehrle

Einen Kokon um die Kinder bilden

„Schließungen müssen als Letztes passieren“, so Giffey. Deshalb setzte sie sich für das Testen an Schulen ein. „Ich sehe das als echte Chance, die wir nutzen müssen.“ Sie sprach sich für die Sicherheit an Schulen aus. Man müsse einen Kokon um die Kinder bilden und Erwachsene impfen. Dieses Impfen werde nun deutlich schneller gehen. Giffey rechnet schon im Juni mit einem sehr hohen Durchimpfungsgrad. In naher Zukunft könnte es auch einen Impfstoff für Kinder ab zwölf Jahren geben, für Jüngere werde es dieses Jahr aber noch keinen geben, so die Bundesfamilienministerin.

„Jugendliche brechen reihenweise zusammen“

Zarah Abendschön-Sawall, die sich als fünffache Mutter in der „Initiative Familie“ engagiert, sagte, es sei schockierend, welche Last und welche strengen Regeln den Kindern auferlegt werden. „Die Jugendlichen brechen reihenweise zusammen, die Kinder leiden, das ist nicht mehr ertragbar.“ Giffey merkte zwar an, dass es konträre Meinungen dafür gebe, viele Eltern fänden gerade die strengen Regeln gut. Sie setzte sich aber dafür ein, dass Kindern ermöglicht werde, wieder in die Schulen zurückzukehren.

„Mit einer Teststrategie müssen wir unabhängiger von der Inzidenz werden.“
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey

Trotzdem sei es unvermeidbar, dass spätestens ab einer Inzidenz von 200 die Notbremse auch für Kitas und Schulen gezogen werden müsse. Die Bundesregierung sieht nun aber vor, den Fernunterricht ab einer Inzidenz von 165 verpflichtend zu machen.

„Viele rutschen mit den Noten ab“

Mit Simon Lurk aus Rottweil meldete sich auch ein Schüler zu Wort. „Wir müssen uns jetzt bewerben, viele rutschen mit den Noten ab“, sagte der Neuntklässler, der auch bedauerte, dass Sport im Verein verboten sei – ein nötiger Ausgleich. Was die Bildungslücken anbelangt, kündigte Giffey ein Aufholpaket der Regierung an: Es soll finanzielle Mittel für Sprach- und Nachhilfe geben sowie für außerschulisches Lernen. Auch der außerschulische Freizeitbereich und die Schulsozialarbeit sollen unterstützt werden.

Eine Mutter erzählte von der neuen großen Trennungsangst ihrer Tochter und dass sie keine Hilfe bei psychischem Leiden erhalte. Thomas Bomans, Geschäftsführer der AWO im Kreis Waldshut, vermisste eine Imagekampagne über das Testen und Impfen auf allen sozialen Netzwerken.

Thomas Boman, Geschäftsführer der AWO im Kreis Waldshut.
Thomas Boman, Geschäftsführer der AWO im Kreis Waldshut. | Bild: screenshot Verena Wehrle

Außerdem würden viele Menschen nicht über die Corona-Verordnung Bescheid wissen. „Es ist wichtig, alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen, gerade jetzt in der Corona-Müdigkeit, sonst werden wir die Impfquote nicht schaffen“, so Bomans. Giffey betonte, dass es eine solche Kampagne bereits gebe.

Link-Tipps von Bundesfamilienministerin Giffey:

Günther Hirt, von der Kinder- und Jugendarbeit der Seelsorgeeinheit östlicher Hochschwarzwald, schrieb im Chat von Jugendlichen, die sich ritzen, unter Depressionen leiden und auch von Suizidversuchen. Darauf gab es von der Ministerin keine Reaktion.

Keine Planung für Eltern und Lehrer

Katharina Reuther, Schulleiterin der Grundschule Erzingen, sagte: „Ein großes Problem ist, dass es keine Verlässlichkeit gibt, wir bekommen am Wochenende Vorgaben, die wir am Montag umsetzen müssen.“ Innerhalb von sechs Wochen gebe es bis zu vier verschiedene Konzepte. Da sei es schwierig, die Eltern mitzunehmen. Sie wünsche sich erst eine Verordnung, dann Zeit für die Planung und dann die Umsetzung der Schulen. „Eltern brauchen Zuverlässigkeit, die Planbarkeit ist ganz wichtig“, so Reuther.

Kinder unheimlich unter Druck

Suki Hofmann, Elternbeiratsvorsitzende der Realschule Titisee-Neustadt, sprach über Probleme beim Lernen: „Die Kinder haben unheimlich Druck, müssen viele Tests schreiben“. Es brauche nun Alternativen für die Notenfindung. „Muss man wirklich so extrem am Lehrplan festhalten?“, fragte die Mutter. Sie wünsche sich hier Lockerungen. Die Frage beantwortete Giffey nicht.

Gehören Kinder zu den Superspreadern?

„Wir als Erwachsene müssen unseren Kindern Zuversicht geben“, so Giffey in ihrem Schlusswort, die schon zu ihrem nächsten Termin musste. Rita Schwarzelühr-Sutter, die zum Gespräch eingeladen hatte, sagte, dass Kinder zu den Superspreadern gehören. Damit stieß sie auf Gegenwind bei den Zuhörern. „Wir sollten uns gegenseitig stärken und und motivieren, wir müssen da jetzt durch“, so Sutter zum Abschluss.

Die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) lud zur Diskussion ein.
Die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) lud zur Diskussion ein. | Bild: screenshot Verena Wehrle

Fazit: Vieles blieb an der Oberfläche

Viele Probleme und Fragen wurden in der Gesprächsrunde zwar offengelegt, doch vieles blieb auch an der Oberfläche. Auf viele drängende Fragen wie etwa von Suki Hofmann zum Leistungsdruck auf die Eltern und Kinder, wurde nicht eingegangen. Die psychosozialen Probleme in den Familien wurden zwar angesprochen, doch darauf konnte aufgrund des Zeitlimits nicht näher eingegangen werden. Die Gesprächsrunde schreit also nach einer Wiederholung.

Wer die Gesprächsrunde nochmals nachhören will, kann dies auf dem Facebook-Profil von Rita-Schwarzelühr-Sutter.