Es ist ein bisschen bizarr: Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Waldshut-Tiengen steht auf einem Gelände, von dem viele Häusle-Bauer nur träumen können. Gelegen an der Bismarckstraße hinter dem Amts- und Landgericht würde der Blick über den Rhein bis in die nahe Schweiz hinüber reichen. Wären da nicht die meterhohen Mauern.

Im Hof der JVA Waldshut-Tiengen können sich die Gefangenen einmal am Tag die Beine vertreten.
Im Hof der JVA Waldshut-Tiengen können sich die Gefangenen einmal am Tag die Beine vertreten. | Bild: Nico Talenta

Den meisten Häftlinge ist der Fernblick verwehrt. Wer hier einsitzt und seinen Hofgang im Außenbereich mit Spazier- und Sportplatz nutzt, sieht vor allem eines: blanken Stein und Stacheldraht.

Doch es gibt allerdings Ausnahmen.

Eine der neun Quadratmeter großen Zellen der Justizvollzugsanstalt.
Eine der neun Quadratmeter großen Zellen der Justizvollzugsanstalt. | Bild: Nico Talenta

Diejenigen Gefangenen, die auf der rheinzugewandten Seite im zweiten oder dritten Stockwerk sitzen, haben Glück. Sie können den Blick in die Freiheit genießen. Nicht umsonst sind die Räume so beliebt unter den Häftlingen. Denn die Fenster auf der stadtzugewandten Seite sind mit Milchglasscheiben versehen.

Seit 1848 gibt es die JVA Waldshut-Tiengen

„Wir haben in Waldshut-Tiengen mit Sicherheit die JVA mit dem schönsten Ausblick in ganz Deutschland“, scherzt Thomas Gut, stellvertretender Vollzugsdienstleiter. Seit 16 Jahren sorgt er zusammen mit weiteren 15 Justizvollzugsbeamten für Recht und Ordnung in der 1848 errichteten Justizvollzugsanstalt.

Thomas Gut (links), stellvertretender Vollzugsdienstleiter, und Sebastian Akkus, Betriebsleiter des vollzuglichen Arbeitswesens.
Thomas Gut (links), stellvertretender Vollzugsdienstleiter, und Sebastian Akkus, Betriebsleiter des vollzuglichen Arbeitswesens. | Bild: Nico Talenta

Wer das Gebäude betreten will, muss strenge Sicherheitskontrollen durchlaufen. Schwere Stahltüren, die von den Mitarbeitern der Torwache erst entriegelt werden müssen, sorgen dafür, dass hier niemand entkommt.

Gab es bereits Ausbrüche?

Mit einem wachen Auge lassen sich Kratzer in den dicken Gläsern des Empfangsraums erkennen. Ein Indiz dafür, dass die Sicherheitsmaßnahmen auch wirklich angebracht sind.

Gut spricht beruhigende Worte: „Es gab zwar schon Ausbruchsvorbereitungen, aber noch ist niemand entkommen.“ Auch Alarme oder Übergriffe würden in der Waldshuter JVA kaum vorkommen.

Der Blick in die Zelle:

Durch Klappen an den Zellen-Türen können die Justizvollzugsbeamten nach dem Rechten sehen.
Durch Klappen an den Zellen-Türen können die Justizvollzugsbeamten nach dem Rechten sehen. | Bild: Nico Talenta
Eine der neun Quadratmeter großen Zellen der Justizvollzugsanstalt.
Eine der neun Quadratmeter großen Zellen der Justizvollzugsanstalt. | Bild: Nico Talenta

Hier gibt es auch eine Toilette:

Eine Toilette in der Zelle.
Eine Toilette in der Zelle. | Bild: Nico Talenta

Und hier wird geduscht:

In einer Gemeinschaftsdusche können sich die Gefangenen von Schweiß und Schmutz befreien.
In einer Gemeinschaftsdusche können sich die Gefangenen von Schweiß und Schmutz befreien. | Bild: Nico Talenta

Wer sitzt in Waldshut-Tiengen im Gefängnis?

Der stellvertretende Vollzugsdienstleiter begründet das mit dem vergleichsweise kurzen Aufenthalt der Häftlinge. „Hier bei uns sitzen Straftäter, die eine Haftdauer von bis zu 15 Monaten absitzen.“ Wer länger hinter Gitter muss, komme nach Freiburg.

Aktuell befinden sich 65 Häftlinge, darunter fünf Frauen, in der Justizvollzugsanstalt Waldshut-Tiengen. Eigentlich wäre die JVA schon mit 44 Männern, vier Freigängern und fünf Frauen voll belegt. „Wenn uns aber die Polizei einen mutmaßlichen Straftäter zur Untersuchungshaft überführt, können wir schlecht nein sagen“, sagt Thomas Gut.

Wer arbeitet im Waldshuter Gefängnis?

Gleich sieben Auszubildende unterstützen zurzeit die 16 festangestellten Landesbeamten in Waldshut-Tiengen. Und dennoch sucht das Team nach neuen Kollegen: „Viele wissen gar nicht, dass Justizvollzugsbeamter ein eigener Beruf ist, und verwechseln uns mit der Polizei.“

Vor allem Menschen mit medizinischem Hintergrundwissen, seien immer gerne gesehen. „Unsere Arbeit ist vielseitig. Von der Kammerabwicklung über die Sanitäter, Hauswirtschafter und der Torwache bis hin zur Zahlstelle brauchen wir immer wieder gute Leute“, erklärt der stellvertretende Vollzugsdienstleiter.

Der Besuchsraum der JVA: Während die Gefangenen mit ihren Familienangehörigen sprechen, passt ein Justizvollzugsbeamter auf, dass keine ...
Der Besuchsraum der JVA: Während die Gefangenen mit ihren Familienangehörigen sprechen, passt ein Justizvollzugsbeamter auf, dass keine Gegenstände ausgetauscht werden. | Bild: Talenta, Nico

Fortbildungsmöglichkeiten gebe es viele. Diese seien für die verschiedenen Bereiche wichtig und hilfreich. „So kommt man immer wieder auf den neuesten Stand und kann mit Kollegen aus anderen Vollzugsanstalten Erfahrungen und Meinungen austauschen.“

Der Vorteil eines kleinen Gefängnisses

Das gefällt Sebastian Akkus, Betriebsleiter des vollzuglichen Arbeitswesens: „Wir werden regelmäßig informiert. Hier in Waldshut-Tiengen passiert ohnehin viel übergreifend und jeder macht mal alles. Das ist das Schöne in einem vergleichsweise so kleinen Haus.“

Der Sportplatz im Hof der Justizvollzugsanstalt. Hier können sich die Häftlinge bewegen.
Der Sportplatz im Hof der Justizvollzugsanstalt. Hier können sich die Häftlinge bewegen. | Bild: Nico Talenta

Selbst die Häftlinge arbeiten mit. Und die Arbeitsplätze sind begehrt, wissen die beiden Justizvollzugsbeamten: „Die Wenigsten lehnen ab. Es ist immerhin die einzige Einnahmequelle im Gefängnis. Viele mieten sich mit dem Geld einen Fernseher oder kaufen Tabak.“

Direkt vor den Zellen stehen im ersten Stock der JVA Tische, auf denen die Gefangenen ihre Arbeit verrichten können.
Direkt vor den Zellen stehen im ersten Stock der JVA Tische, auf denen die Gefangenen ihre Arbeit verrichten können. | Bild: Nico Talenta

Verteilt werde die Arbeit je nach Kenntnissen der Gefangenen. „Ein Häftling hat während Renovierungsarbeiten sogar schon mal die Gänge neu gestrichen.“ Das Geld wird den Gefangenen dann auf ihrem hauseigenen JVA-Konto zugeschrieben.

Welche Arbeit haben die Häftlinge?

Klassische Häftlings-Arbeiten seien allerdings andere: Sie helfen in der Küche mit, das Essen zuzubereiten, oder bekommen Material von einer externen Firma, um dann Produkte daraus zu fertigen.

„Und dann gibt es noch einen Hausreiniger, der unter anderem die Endreinigung der Zellen übernimmt sowie einen Kammerschänzer, der für den Wäschetausch der Gefangenen zuständig ist und die Gemeinschaftsdusche reinigt“, erklärt Akkus. Die anfallende Wäsche werde von der Frauenabteilung gewaschen.

Die Wäsche im Wäscheraum ist genau sortiert.
Die Wäsche im Wäscheraum ist genau sortiert. | Bild: Nico Talenta

Wer sich verletzt, ist über die JVA krankenversichert. Einmal pro Woche kommen in Waldshut-Tiengen sogar ein Haus- und Zahnarzt in das Gebäude hinter den dicken Mauern, um notwendige Behandlungen durchzuführen. Die Kosten dafür übernimmt das Land Baden-Württemberg.

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