Vermisstenfall im Südschwarzwald: Spekulationen erschweren die Ermittlungsarbeit und belasten Angehörige
Von der seit fünf Wochen vermissten 26-jährigen Wanderin Scarlett S. fehlt noch immer jede Spur. Doch je länger die Suche dauert, desto weitere Kreise zieht die Sache, insbesondere in den sozialen Netzwerken. Dort werden immer kuriosere Theorien erdacht und verbreitet. Welche Erkenntnisse sind gesichert sind und was sind Spekulationen? Einblick in den aktuellen Sachstand.
Die App des Sozialen Netzwerks Facebook auf einem Handy.(Symbolbild)
| Bild: Olivier Douliery
Fast ein Monat ist vergangen, seit die 26-jährige Wanderin aus Nordrhein-Westfalen im Südschwarzwald verschwunden ist. Zuletzt war sie auf dem Schluchtensteig unterwegs gewesen, hatte am 10. September im Todtmooser Schmidts Markt eingekauft und seither gab es kein Lebenszeichen mehr von der jungen Frau. Ein Fall, der viele Menschen in der Region und in ganz Deutschland bewegt. Ernüchternd: „Aktuell liegen tatsächlich keine neuen Hinweise vor, die uns in den Ermittlungen voranbringen“, erklärt Michael Biermann, Pressesprecher der Polizei Paderborn, die Leitung der Ermittlungen zwischenzeitlich übernommen hat.
Am Donnerstag, 17. September, veröffentlichte die Polizei dieses Bild der vermissten 26-Jährigen. Es ist eine Aufnahme, die Anfang September auf der Schluchtensteigwanderung entstanden ist, kurz bevor die junge Frau verschwand. Personenbeschreibung:Die junge Frau ist 26 Jahre alt, 1,60 Meter groß, schlank (ca. 50 kg), dunkelblonde an den Spitzen blonde Haare, sie führt einen roten Trekking-Rucksack der Marke Osprey und vermutlich ein graues Zelt mit.
| Bild: Polizei Baden-Württemberg
Vergessen ist die 26-Jährige aber nicht, denn nicht nur die Polizei, auch viele Menschen in der Region und weit darüber hinaus suchen weiter. Auch wenn mit Ausnahmen kleinerer Einsätze die Suchbemühungen der Polizei, Bergwacht und Rettungskräfte schwerpunktmäßig im Bereich Todtmoos, Ibach und dem Wehratal eingestellt wurden.
Groß ist die Anstrengung, die junge Frau zu finden. Da kommt es zu zahlreichen privaten – und zum Teil selbst gefährlichen – Suchaktionen abseits der Wege und in entlegenen Winkeln der Schluchten und Täler im Südschwarzwald. Einzelne Aktionen werden teilweise sogar mit Videos dokumentiert.
Die Polizei hat die letzten Bilder der vermissten 26-Jährigen veröffentlicht: Die Aufnahmen entstanden am 10. September im Schmidt‘s Markt in Todtmoos.
| Bild: privat/Polizei
Neben dem Engagement vor Ort findet via Internet ein reger Austausch statt. So beispielsweise im sozialen Netzwerk Facebook, wo sich Gruppen formiert haben, die ausschließlich die Suche nach der 26-jährigen Vermissten zum Thema haben. In der größten sind mehrere hundert Mitglieder aus der Region und ganz Deutschland im Austausch.
Wer steckt dahinter? „Der Großteil der anderen Admins und ich als Gruppengründer sowie die Mehrheit der Gruppenmitglieder stehen zu keinem familiären Verhältnis zur Familie. Wir machen das aus freien Stücken und ehrenamtlich“, so die Antwort des bei Facebook unter dem Namen Joschka Hackl agierenden Gründers der Gruppe. Einen Kontakt lässt er nur über Facebook-Nachrichten herstellen. Einen persönlichen Austausch per Telefongespräch lehnt er ab.
Auffallend ist, dass in Internetgruppen wie dieser viel spekuliert wird. Die Nutzer werden sogar ausdrücklich aufgerufen, Ideen zu entwickeln, was in diesem Fall geschehen sein könnte. Heraus kommen Gerüchte oder Halbwahrheiten. Jede noch so weit hergeholte Theorie wird zur Basis für eine Diskussion. Die Grenze zwischen gesicherter Information und fixer Idee verschwimmt – oft mit großem Engagement der Beitragsschreiber und den allerbesten Absichten.
Aus Sicht der Polizei ist aber gerade diese Verquickung überaus schwierig: „Hellseher, Wünschelrutengänger oder Self-Made-Profiler können den Ermittlern das Leben schwer machen. Problematisch wird‘s in Social-Media, wenn Fakten verdreht oder gar falsch wieder gegeben werden“, erklärt Biermann. Denn: „Mit jeder neuen Theorie werden auch die Angehörigen zusätzlich belastet.“
Vermisste 26-Jährige Wanderin: Welche Erkenntnisse sind gesichert?
Und Theorien gibt es reichlich: Über den Vermisstenfall wird auf Facebook viel spekuliert. Hier werden unterschiedlichste Möglichkeiten von Unglücks- über Entführungs- bis hin zu verschiedenen Verbrechensszenarien erdacht und sogar ganz offen Verdächtigungen formuliert. Es geben sich Hobby-Ermittler die Ehre, die Nutzer-Profile in sozialen Netzwerken scannen und daraus Schlüsse ziehen. Es werden vermeintliche Beweise gesammelt und dazu aufgerufen, mögliche Zeugen zu befragen.
Mittlerweile sind viele dieser Kommentare nicht mehr zu finden, da die Admins reagierten und härter durchgegriffen haben. Gruppengründer Hackl erklärt dazu: „Wir wollen eine gewisse Ordnung und Struktur in der Gruppe haben und kein durcheinander und deshalb sind nur bestimmte Beiträge für Kommentare geöffnet.“ Allerdings hat er bislang davon abgesehen, den Aufruf zum Spekulieren zu entfernen.
Auch der Polizei sind einige der privaten Aktionen bekannt, wie Sprecher Biermann sagt. Er ergänzt: „Gerade in überregional laufenden Fällen wird viel spekuliert oder es werden Hinweise gegeben, die auf keiner greifbaren Basis stehen.“ Das kann dann schlimmstenfalls die Arbeit der professionellen Ermittler erschweren und verzögern.