Viele erkranken an Corona und bei ihnen fühlt es sich an wie eine Grippe und ist oft schnell wieder vorbei. Ganz anders war es bei Miriam Herzog und Ricarda Beilharz, sie leiden noch heute, eineinhalb Jahre später, an ihrer Corona-Infektion. Sie haben Long Covid. Sie sprechen über ihren Alltag immer nah an der Belastungsgrenze. Und sie erzählen, wie es ist, eine Krankheit zu haben, für die es keine Therapien gibt und, die man ihnen nicht ansieht. Kennengelernt haben sie sich in der Long Covid Selbsthilfegruppe der Landkreise Waldshut und Lörrach.

Wenn jede Anstrengung zu viel wird

Miriam Herzog war immer sehr aktiv und sportlich, arbeitete als Erzieherin in einer Kita und als Beraterin in der Schwangerschaftsberatungsstelle des gleichen Trägers, war im Musikverein aktiv und ging gerne aus. Doch im Dezember 2020 infizierte sich die 29-Jährige mit dem Corona-Virus. Sie wurde einfach nicht gesund, wie sie erzählt.

Nach zwei Wochen kam Atemnot hinzu. „Ich konnte 500 Meter spazieren und war danach so kaputt wie früher nach elf Kilometern joggen“, erzählt sie. „Alles schmerzt dann, man fühlt sich wie vom LKW überfahren, es fühlt sich an, als würde man die Kontrolle über seinen Körper verlieren.“ Nach der Reha war Miriam Herzog sieben Monate lang überwiegend bettlägerig und hat die Wohnung nur selten für Spazierversuche oder Arztbesuche verlassen. Nichts ging mehr.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Miriam Herzog im Wanderurlaub in Norwegen – solche Ausflüge waren vor ihrer Corona-Erkrankung noch ...
Ein Bild aus besseren Zeiten: Miriam Herzog im Wanderurlaub in Norwegen – solche Ausflüge waren vor ihrer Corona-Erkrankung noch möglich. | Bild: Miriam Herzog

„Bei mir war es schon nach 100 Metern so, dass die Erschöpfung so groß war, dass nichts mehr ging“, erzählt auch Ricarda Beilharz von ähnlichen Symptomen. Wie auch Miriam Herzog leidet auch sie unter Long Covid. Nach nur wenig Anstrengung komme sie auch heute noch schnell an ihre Belastungsgrenze, erzählt die 57-Jährige. Sport und jede Anstrengung machen die Symptome bei beiden schlimmer.

„Von unserem alten Leben bleibt nicht mehr viel übrig“
Ricarda Beilharz, Long-Covid-Patientin aus dem Landkreis Lörrach

Es gibt eine sehr lange Liste an Symptomen von Long Covid wie etwa Gelenkschmerzen, Zittern, Stechen in der Brust, Atemnot, Herzrasen, übermäßiger Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme, Wortfindungsstörungen, verschlechtertes Sehen, Schlafstörungen, verminderte Reaktionsfähigkeit oder Licht-, Geräusch- und Geruchsempfindlichkeit. Die Muskelschwäche als Long-Covid-Symptom könne stundenweise zu Lähmungserscheinungen führen, sodass man sich nicht mehr selbst versorgen kann, erzählt Beilharz: „Bei manchen ist das so schlimm, dass sie im Rollstuhl landen.“

Der schwierige Alltag: Einkaufen war nicht mehr möglich

Was Long Covid mit dem Alltag der Betroffenen macht, erzählen Herzog und Beilharz eindrücklich. Miriam Herzog war schon seit über einem Jahr nicht mehr einkaufen. „Das war mir zu viel, zu reizüberflutet, dann wurde mir schwindlig und ich hatte auch nicht die Kraft, einen Einkaufswagen zu schieben“, erzählt sie.

Um all solche alltäglichen Dinge musste sich ihr Freund kümmern, mit dem sie zusammenwohnt. „Das war auch eine Beziehungsprobe“, erzählt sie.

Auch Ricarda Beilharz berichtet von kognitiven Beeinträchtigungen. Der Einkaufszettel sei für sie dann nicht mehr zu schaffen gewesen. „Ich habe ihn immer wieder geprüft und danach doch die Hälfte vergessen“, erzählt sie. „Das war ein Vorgang, der plötzlich nicht mehr machbar war.“

Ricarda Beilharz leidet an Long Covid.
Ricarda Beilharz leidet an Long Covid. | Bild: Wehrle, Verena

Auch von Brainfog, auch Hirnnebel genannt, erzählen die Betroffenen. In manchen Phasen sei dies ganz massiv gewesen, so Beilharz: „Das Extremste war, dass ich nicht mehr wusste, was ein Telefon ist und mich gewundert habe, dass das Teil mit mir spricht.“

Auch ließ sie einmal beim Einschenken einfach das Glas fallen. Dies seien immer nur kurze Momente. „Man kann sich dann dabei zusehen, wie das Denken zurückkommt.“ Auch Miriam Herzog kennt das: „Ich wurde ganz oft wach und wusste nicht, wo ich bin.“

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Wie unterschiedlich die Symptome bei jedem Patient sein können, zeigen auch die beiden Betroffenen: Miriam Herzog habe in den ersten Monaten viel abgenommen, überwiegend Muskelmasse, Ricarda Beilharz nahm hingegen zu. Die Symptome sind ähnlich wie bei ME/CFS, dem Fatigue-Syndrom, für das die Forschung nun erst seit Beginn von Long Covid etwas an Aufwind gewinnt.

Long Covid

Arbeiten und Treffen mit Freunden ist kaum noch möglich

Miriam Herzog gehe es mittlerweile etwas besser. Sie möchte nun mit zwei Stunden wieder bei der Arbeit einsteigen – im Büro, nicht mehr in der Kinderkrippe. Denn die Reize würde sie nicht mehr aushalten. Auch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sei den Long Covid-Betroffenen kaum noch möglich.

Herzog werde noch von engen Freunden und der Familie, aber so wie damals sei es längst nicht mehr und manchmal seien einem auch diese Besuche zu viel. „Wenn der Tag um 19 Uhr fertig ist, weil man dann einfach nicht mehr kann, bedeutet das auch soziale Einschränkungen“, sagt Ricarda Beilharz.

Ausgehen gehe dann nicht mehr. Manchmal werde schon eine SMS zu viel. Kontakte würden mitunter auch gemieden aus Angst vor einer Wiederansteckung. „Man erwartet von uns, dass wir normale Dinge tun können, weil wir gesund aussehen.“

Schwer, wie die Gesellschaft mit der Krankheit umgeht

Da die Krankheit von außen nicht sichtbar sei, würde man oft in die falsche Schublade gesteckt, als „faul“ bezeichnet, erzählt Miriam Herzog. „Reiß dich zusammen“, ist einer der Sprüche, die viele Patienten schon oft gehört hätten.

Aber auch viele Ärzte würden die Patienten nicht ernst nehmen. Für Beilharz und Herzog sei es ein großer Schritt, mit ihrer Krankheit an die Öffentlichkeit zu gehen, hätten sie doch von anderen Betroffenen gehört, die verbal angegriffen wurden.

Langwierige Therapien

„Wir gelten schon lange als genesen, doch sind es nicht“, betont Miriam Herzog. Doch gerade im ländlichen Raum werde man mit Long Covid nicht ernst genommen, es gebe nur wenige Ärzte, die über die Krankheit und ihre Folgen Bescheid wüssten, sagen die beiden. Auch die Stigmatisierung auf eine rein psychische Krankheit hätten viele Patienten von Ärzten schon erlebt.

Miriam Herzog in der Neurologischen Reha-Schmiederklinik in Gailingen.
Miriam Herzog in der Neurologischen Reha-Schmiederklinik in Gailingen. | Bild: Miriam Herzog

Im Juni 2021 ging Miriam Herzog für sechs Wochen in eine Reha. „Doch diese hat meinen Zustand verschlechtert, vor allem die neurologischen Beschwerden und die Erschöpfung wurden schlimmer. Erst danach wurde ich bettlägerig.“

Im Februar 2022 war sie in einer Intensivtherapie mit einer speziellen Atemtherapie, die sie bis heute fortführt „Danach ging es aufwärts und jetzt ist es das erste Mal so, dass ich eine Woche auf den Beinen bin und mich selbst versorgen kann“, erzählt die 29-Jährige.

Miriam Herzog beim Wassertreten in der Wutach.
Miriam Herzog beim Wassertreten in der Wutach. | Bild: Miriam Herzog

„Wir tun alles, um wieder auf die Beine zu kommen“, sagt Ricarda Beilharz. Nach dem Beginn von Long Covid habe ihr der Aufenthalt in der naturheilkundlichen Station des Lehrkrankenhauses der Charité Berlin sehr gutgetan. Dort sei man klar mit der Diagnose umgegangen. Danach hätten keine Therapien stattgefunden, die Symptome wurden wieder stärker.

„Aktuell gibt es noch viel zu wenig Studien und zu wenig Forschung zu Long Covid und auch die Krankenkassen müssten mitziehen.“
Miriam Herzog, Long-Covid-Patientin aus Lauchringen

Die Selbsthilfegruppe: Wo sie endlich verstanden werden

Miriam Herzog organisiert mittlerweile die Treffen der Selbsthilfegruppe für Long-Covid-Betroffene der Landkreise Waldshut und Lörrach, die anfangs noch Mitarbeiter der KISS-Stellen der Landratsämter geleitet hätten. Hier tauschen sich rund 15 Teilnehmer über hilfreiche Behandlungen und Therapien oder interessante Studien aus, helfen sich etwa mit Anträgen. Mittlerweile seien auch Teilnehmer aus anderen Landkreisen dabei. Der Bedarf sei groß.

„Die Gruppe tut richtig gut, es hilft, dass man hier gehört wird und ernst genommen wird“, sagt Ricarda Beilharz. „Ja, hier wird man verstanden“, fügt Miriam Herzog hinzu.

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