Über unserem alten Städtchen Laufenburg thront in mitten einer Parkanlage das Schlössle. Im Grundbuch ist dieser Fleck als Ofteringer Lehen gekennzeichnet. Dazu gehören mit unter auch Holfelders Haus, einst die Untere Mühle und das Haus Mariagrun. Um das Jahr 1850 erbte der Kaufmann Karl Joseph Brentano von seinen Großlaufenburger Verwandten, dem Apotheker Brentano, das Ofteringer Lehen. Nach dessen Tod verkaufte die Witwe das Gartenland, bestehend aus Rebberg-, Baum- und Krautgarten an den Bankier La Roche in Basel. Der ließ sich hier den Sommersitz bauen – das Schlössle!

1883 ging das Anwesen an einen gewissen Herrn Allossee aus Paris über. Beeindruckt von der traumhaften Lage und dem Ausblick auf die damals noch sichtbaren Stromschnellen des Laufen, erwarb im Jahre 1894 das reiche, amerikanische Ehepaar Codman Grundstuck und Gebäude.
Wer war diese Madame Codman?
Madame Codman wurde 1839 in New York/USA geboren. Ihr Mann gehörte zum Codman-Clan, der die Eisenbahnlinie New York-San Francisco baute. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor. Kaum ließ sich die Familie in Laufenburg nieder, starb ihr Mann.
Die Schlossmadame, wie sie die Laufenburger liebevoll nannten, hatte ein großes Interesse an Kunst- und Naturschönheiten. Von der Weltausstellung in Paris 1889 erwarb sie ein Japanisches Teehaus, das mit vielen Holzschnitzereien bestuckt war. Teiche wurden angelegt und Brunnen, auf deren Grund verspielte Mosaikmuster schimmerten. Eines dieser Kunstwerke, das zwei Liebende darstellt, hat Herr Meierling senior durch Zufall auf dem Bauhof gefunden. Jetzt findet es einen angemessenen Platz in einer Fensternische im Hause Meierling. Ebenso stand bis vor kurzem ein Schwanen-Motiv in einem Rhinemer Vorgarten.
Madame Codman beschäftigte mehr Gärtner als Diener! Keiner wagte Blumen aus dem Garten fur die Vase zu pflucken, wenn, dann kaufte man sie! Die Parkwege waren teils mit weißem oder schwarzen Kies belegt. Diese akkurate Ordnung verfuhrte den jungen Willi Meierling dazu, mit seiner Steinschleuder die schwarzen Kieselsteinchen zu schießen. Daruber ärgerte sich die Schlossmadame maßlos, wenn sie an einem gepflegten Sonntagnachmittag mit Sonnenschirmchen und weißer Seide bekleidet durch ihren Park spazierte.
Leben im Städtle
Wenn sie mit dem Zug verreiste, war neben dem allgemeinen Warteraum am Laufenburger Bahnhöfle, ein Zimmer speziell fur sie hergerichtet. Es war mit rotem Plusch tapeziert, ebenso ihr eigenes Abteil im Zugwaggon. Zuruckgekehrt von ihrer Reise, hielt der Zug nur fur sie nochmals kurz vor dem Eingang des Rappensteintunnels an. So hatte sie es nicht mehr weit zu ihrem Zuhause zu kommen.
An Fronleichnam waren drei Altäre in der Stadt hergerichtet. Einer bei Eichhorn Vogt, einer beim Maurer Meier (jetzige Apotheke Abel) und einer beim „Hähnle“. Die Prozession fuhrte also den Heilig Geist-Buckel hoch zu Maler Vogts Altar.

Madame Codman thronte während des Marsches nach oben im Eingangstor ihrer Villa, in schwarz gekleidet und ließ die Prozession nickend an sich vorbeiziehen. Hinter ihr stand ihr Leibdiener Brutsche, neben ihr zwei Zofen und danach das ganze Personal. Die weißen Statuen, die sie in ihrem Park stehen hatte wurden extra zu diesem Anlass mit schwarzem Stoff umhullt.
In der Adventszeit wurden die Laufenburger Kinder zu Kakao und Kuchen ins Schlössle eingeladen. Voller Neid musste einmal der kleine Willi Meierling zusehen, wie seine Schwester lsabella hingehen durfte, aber er nicht. Die Steinschleuderaktivitäten hatten ihm eine Ausladung beschert! Zu Weihnachten gab es eine Tute Gebäck und jeweils ein Kleidchen oder einen Mantel geschenkt. Da die Kleidung jedoch alle mit demselben Stoff und Schnitt genäht wurden, gab es plötzlich Einheitstracht bei den Laufenburger Kindern!
Madame Codman war auch eine Wohltäterin gewesen.
Zum Beispiel wurde im Haus Mariagrun ein Kindergarten eingerichtet, in den Isabels Mutter noch gegangen war. Der Feuerwehrmusik schenkte sie neue Instrumente fur ihre Kapelle. 170.000 Mark schenkte sie der Stadt mit der Auflage, in der heutigen Codman-Anlage, die Rhein- oder Nann‘sche Muhle zu kaufen und dann abzureißen.

Auf dem Gelände wurde 1923 der Musikpavillion gebaut. Auf dem heutigen Kriegerfelsen, einst Ofteringer Luisenfelsen genannt, stiftete sie den Adler. Dieses Denkmal wurde von Professor Liebich, einem beruhmten Bildhauer aus Gutach im Schwarzwald, entworfen. Am 26. September 1921 wurde Madame Codman das Ehrenburgerrecht der Stadt Laufenburg (Baden) verliehen.
Ihr zweiter Ehemann war fast vierzig Jahre junger. Er war ein leidenschaftlicher Musiker. Eigens fur ihn, ließ sie ein Häuschen neben dem Schlössle bauen, in dem er auf einem Flugel musizieren konnte. Heute ist darin der Schwarzwaldverein untergebracht. Die Ehe hielt allerdings nicht sehr lange.
Madame Codmans beide Söhne starben an einer Knochenkrankheit. Der eine der beiden muss ein Genie in Mathematik gewesen sein. Er studierte an der ETH in Zurich bei Professor Hirsch, der um 1909 auch Albert Einstein zu seinen Studenten zählte. Bei einem Ausritt fiel der junge Codman vom Pferd. Von da an war er querschnittsgelähmt. Er starb im jungen Alter von 27 Jahren.
Als 50-jährige ließ sich die Schlösslemadame von dem beruhmten Schweizer Maler Arnold Böcklin portraitieren. Fur diesen Anlass ließ sie sich ein weißes Kleid schneidern. Allerdings hielt sich Böcklin nicht an Madame Codmans Farbwunsche und so verkaufte sie das Bild im Jahre 1898 wieder. 1923 gelangte das Portrait in die Mannheimer Kunsthalle, wo es heute noch zu begutachten ist. Eine Kopie des Bildes ist im Laufenburger Rathaus zu sehen.
Am 9. August 1929 starb Madame Codman 90-jährig.
Ihr Leichnam wurde fur einen Tag in ihrem Teehaus aufgebahrt. Die Laufenburger konnten so von ihr Abschied nehmen. Der Leibdiener der Schlossmadame, Herr Brutsche, der später Wirt vom heutigen Hotel Rebstock wurde, hatte ihr versprechen mussen, ihren Sarg mit nach Amerika zu begleiten. Per Schiff war das zu der damaligen Zeit nicht einfach. Fur seinen letzten Dienst erhielt Herr Brutsche zwei wunderschöne Skulpturen aus weißem Marmor. Diese, aus der Hand eines französischen Bildhauers geschaffenen Kunstwerke, sind noch heute im Treppenhaus des Hotel Rebstocks zu besichtigen.
Frau M. Karolic, die Nichte der Schlossmadame, war die einzige Erbin. Sie trat es nicht an. So erwarb am 31. Juli 1934 die Stadt Laufenburg fur läppische 31.000 Reichsmark das Schlössle samt Parkanlagen.
Zu den Autorinnen
Bernadette Weber (Jahrgang 1980) und Isabel Montebello (Jahrgang 1982) wuchsen in Laufenburg auf und waren schon als Kinder fasziniert vom Schlössle, dessen Park ihr Spielplatz war. Als sie Anfang der 1990er Jahre auch das Innere des der Öffentlichkeit damals nicht zugänglichen Gebäudes besuchten durften, nahmen sich die beiden Mädchen vor, einen Aufsatz uber Madame Codman zu schreiben. Sie befragten dafür Isabels Großonkel Herrn Meierling senior, der quasi Nachbar des Schlössle war, und Frau Brutsche senior, deren Mann Leibdiener bei Madame Codman war. Bei dem 1994 von den beiden Mädchen verfassten Text handelt es sich um keine wissenschaftliche Darstellung, er wird an dieser Stelle redigiert und leicht gekürzt das erste Mal veröffentlicht.