Vor wenigen Wochen bekam der Augsburger Hauptsitz des Milliardenkonzerns Everllence Besuch aus Laufenburg: Mitglieder der Feuerwehrabteilung Nord aus Binzgen, Hochsal und Rotzel erhielten eine exklusive Führung durch die Zentrale des Unternehmens, das weltweit über 15.000 Mitarbeiter beschäftigt. Eingeladen worden waren die ehrenamtlichen Feuerwehrleute von Everllence-CEO Uwe Lauber höchstselbst. Der war mit seinen Gästen per Du. Kein Wunder: Lauber ist nicht nur Vorstandsvorsitzender eines der größten deutschen Maschinenbauunternehmen, sondern auch selbst Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in Binzgen.
Trotz einer steilen Karriere in der Wirtschaft, die ihn bis an die Spitze eines Konzerns mit Milliardenumsatz führte, blieb der 58-jährige in Bad Säckingen geborene Familienvater seiner Heimat stets verbunden. Er lebt bis heute mit seiner Familie im Laufenburger Stadtteil Binzgen. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER berichtet Lauber von seinem Alltag zwischen Dorfidylle und Milliardengeschäften, erklärt, welchen Beitrag er mit seinem Unternehmen zur Energiewende leisten kann und verrät, warum er trotz der gegenwärtigen Probleme optimistisch auf die Zukunft der deutschen Wirtschaft blickt.
Montagmorgens um 4 Uhr beginnt sein Leben als Vorstandsvorsitzender
Wenn Uwe Lauber an einem Sonntagnachmittag beim Grillfest in Binzgen sitzt, fühlt er sich als normaler Teil der Dorfgemeinschaft. Seit seiner Kindheit ist er hier verwurzelt, ging zur Schule in Laufenburg und Bad Säckingen und zog seine Kinder in Binzgen groß, wo er neben seinem Elternhaus ein Einfamilienhaus baute, in dem er bis heute mit seiner Frau lebt. Doch am Montagmorgen, um 4 Uhr in der Früh, beginnt sein „zweites Leben“, wie er selbst sagt. Dann steigt Lauber in sein Auto und fährt zu seiner Firma in Augsburg, die er seit 2015 als Vorstandsvorsitzender leitet.

„Ich lebe in zwei unterschiedlichen Realitäten, die ich versuche bestmöglich zu trennen. Unter der Woche bin ich Herr Lauber und gehöre der Firma, am Wochenende bin ich Uwe und nur für meine Familie da“, erklärt der 58-Jährige. Montag bis Freitag wohnt er in einer Wohnung in Augsburg, sofern er sich nicht gerade auf einer seiner zahlreichen Dienstreisen in Shanghai, Houston oder Dubai befindet. „Mein Terminkalender ist unter der Woche von morgens bis abends gefüllt“, berichtet Lauber. Umso mehr freue er sich, wenn er freitagabends nach Hause zurückkehrt und seine Frau in die Arme schließen kann.
„Für meinen Sohn war es hart, seinen Vater nur am Wochenende zu sehen“
„Es macht mir großen Spaß in der Firma, für die ich seit 25 Jahren arbeite und die mittlerweile zu meiner zweiten Familie geworden ist“, so Lauber. „Aber Heimat ist und bleibt für mich Binzgen“. Das Pendeln zwischen Laufenburg und Augsburg sei zunächst eine Übergangslösung gewesen: „Niemand wusste, wie lange ich den Job im Vorstand behalten werde. Wir haben uns als Familie daher entschieden, unser Leben in Binzgen nicht aufzugeben“, so der Vater von zwei Kindern. Mittlerweile ist die Übergangslösung längst zum Alltag geworden, auch wenn die Familie zeitweise darunter zu leiden hatte. „Für meinen Sohn war es hart, seinen Vater nur am Wochenende zu sehen. Aber durch die Unterstützung meiner Frau haben wir das gemeinsam geschafft“, führt Lauber aus.

Er selbst ist als Arbeiterkind aufgewachsen, musste sich sein Maschinenbau-Studium selbst finanzieren. Über die Unternehmen BOC Cryostar und Sulzer Turbo und nach der Entwicklung einer innovativen Erdgasexpansionsturbine, mit der er im Jahr 2009 promoviert wurde, arbeitete er sich in den Vorstand des VW-Tochterkonzerns MAN in Augsburg hoch. Das Unternehmen, bekannt für Turbomaschinen und Großdieselmotoren, widmete sich unter seiner Leitung vermehrt der Entwicklung nachhaltiger Technologien. „Mir ging es darum, wie wir unser Geschäft verändern können, um unsere Kernkompetenzen für die Dekarbonisierung und Digitalisierung einzusetzen“, so Lauber.

„Als Marktführer kann man den Markt beeinflussen. Idealismus spielt dabei sicher auch eine Rolle, aber letztlich muss es wirtschaftlich tragfähig sein, damit es sich gegen die Konkurrenz durchsetzt“, erklärt Lauber und führt seine Strategie am Beispiel von Schiffsmotoren aus: Eine direkte Nutzung erneuerbarer Energien zum Beispiel mittels Batterien sei aktuell nicht sinnvoll möglich. Stattdessen habe man sich auf die Entwicklung von Motoren fokussiert, die langfristig auch mit synthetischen Kraftstoffen wie Wasserstoff, Methanol oder Ammoniak betrieben werden können. „Wer von Dekarbonisierung spricht, kommt um Wasserstoff nicht herum. Wir werden riesige Mengen brauchen“, argumentiert Lauber, der selbst Mitglied des nationalen Wasserstoffrates ist.
In Dänemark ersetzt eine seiner Wärmepumpen ein ganzes Kohlekraftwerk und versorgt 25.000 Haushalte
Als Beispiel für eine gelungene Transformation nennt Lauber die von seinem Unternehmen entwickelte Großwasserwärmepumpe in Esbjerg in Dänemark. Diese wird mit dem überschüssigen Strom der Windkraftanlagen betrieben. Sie zieht die Wärme aus dem Wasser der Nordsee und versorgt damit die rund 25.000 Haushalte der Stadt. „Die Wärmepumpe ist dreimal so effizient wie das zuvor verwendete Kohlekraftwerk“, berichtet er. Dieses ist mittlerweile abgeschaltet, wodurch jedes Jahr über 100.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Derartige zentrale Wärmepumpen seien die effektivste Form der Wärmeversorgung.

Für Lauber ist klar: Die Energiewende kann gelingen. „Wer sagt, die Umstellung auf Erneuerbare ist nicht möglich, kann kein großes Wissen haben“, so der promovierte Ingenieur. Es müsse allerdings gelingen, die Erzeugung und Speicherung von Energie sinnvoll zu verbinden. „Wir entwickeln zum Beispiel Projekte, bei denen wir CO2 aus Industrieanlagen abfangen, bevor es in die Atmosphäre gelangen kann“, erklärt Lauber.
Bürokratismus behindere die Transformation der Wirtschaft, sagt Uwe Lauber
Die Technik entwickle sich stetig weiter, Problem seien in Deutschland vielmehr die politischen, juristischen und bürokratischen Vorgaben. „Wenn sich unser Großprojekt in Köln um Monate verzögert, unter anderem weil Neunaugenfische umgesiedelt werden müssen, sind das Rahmenbedingungen, die uns nicht gerade helfen“, erklärt Lauber und kritisiert den Bürokratismus, der seiner Meinung nach die Transformation behindert.

Dennoch blickt Lauber optimistisch auf die zukünftige Entwicklung der deutschen Wirtschaft, nicht nur, weil er mit Bundesministerin Katherina Reiche seit langer Zeit ein gutes Verhältnis pflegt. „Wir haben in Deutschland lange Jahre sehr gut gelebt und merken jetzt, dass das nicht selbstverständlich ist. Wir bekommen Konkurrenz aus China, die Industrie wandert ab. Aber wir haben immer noch das Know-how und den deutschen Ingenieursgeist“, so Lauber. Darauf müsse man sich wieder besinnen und gemeinsam für die Zukunft des Industriestandorts kämpfen. „Lasst uns die Ärmel hochkrempeln und mutig vorangehen“, so seine Devise.
Für Lauber persönlich stehen nach der jüngsten Verlängerung seines Vertrags fünf weitere Jahre bei Everllence bevor, in denen er das Unternehmen unabhängiger machen und in eine sichere Zukunft führen möchte: „Wenn das geschafft ist, bin ich 63, dann schauen wir weiter.“