Da staunten viele Eltern nicht schlecht: Als sie ihre Kinder am gestrigen Morgen in den Kindergarten St. Hildegard in Murg brachten, stand ein Angestellter des Bauhofes als "Wachmann" vor der Tür. Er soll die Kinder in den nächsten Wochen vor den Angriffen rabiater Krähen bewahren.
"Kinder vor Krähen beschützen – das habe ich wirklich noch nie gemacht", sagt Daniel Thomann mit einem Schmunzeln. Der Angestellte des Murger Bauhofes hat in seiner dreißigjährigen Karriere zwar schon so einiges erlebt – Wachmann war er aber noch nie. "Wir hatten in Murg bereits streunende Hunde und allerlei anderes Getier, aber dass die Bevölkerung mit aggressiven Vögeln Probleme hat, das ist neu."
Probleme mit aggressiven Vögeln – die scheinen die Menschen rund um evangelische Kirche und Kindergarten St. Hildegard wirklich zu haben. Nachdem in der vergangenen Woche ein Dreijähriger von einer Krähe am Kopf verletzt wurde, meldeten sich plötzlich viele aufgeregte Bürger. Auch sie berichteten von Krähenattacken gegen ihre Haustiere oder sich selbst. Eltern riefen auf dem Murger Hauptamt an, schilderten, dass ihre Sprösslinge sogar im Kindergarten von den Tieren angegriffen worden seien. Die Gemeinde sah sich zum Handeln veranlasst und beschloss, einen Wachschutz vor dem Kindergarten aufzustellen. "Und da ist man halt auf mich zugekommen", erinnert sich Daniel Thomann. Zuerst hieß es, er solle nur zu den Bring – und Abholzeiten vor St. Hildegard Stellung beziehen, doch dann wurde er gebeten, auch die Spielstunde der Kinder im Freien zu überwachen. Und wenn wirklich eine der Krähen zum Angriff blasen sollte? "Nun, dann", so Thomann, "werde ich mir alle Mühe geben, sie irgendwie zu vertreiben, rufend oder gestikulierend."
Im Kindergarten jedenfalls ist man froh, den Gemeindearbeiter in der Nähe zu wissen. "Vor den Ferien wurden zwei Kinder auf unserer Wiese angegriffen", berichtet die Leiterin von St. Hildegard, Nicole Singler-Schnelle. Sie habe die Kleinen sofort ins Haus geholt und sich um sie gekümmert. "Mittlerweile haben sie sich aber gut von dem Schrecken erholt", freut sich die Pädagogin.
Überhaupt scheinen die Kinder selbst diejenigen zu sein, die am unbefangensten mit dem "Krähenproblem" umgehen. Die Vögel interessieren sie kaum. "Brauchen sie auch nicht", sagt Daniel Thomann, "denn ich bin ja hier." Zwei Wochen noch dauert sein Auftrag an, dann endet die Brutzeit der Rabenkrähen. Bessert sich die Situation dann nicht, will die Gemeinde Jagd auf die Tiere machen.