Seit fünf Jahren betreiben Kathrin und Christian Schindler einen Gnadenhof in Beuggen, der Tieren einen geschützten Raum auf Lebenszeit und Wildtieren eine Möglichkeit zur Genesung oder Aufzucht und Auswilderung bietet. Die Tiere kommen über das Veterinäramt oder hiesige Tierschutzvereine, auch Tierärzte rufen an und bitten um Hilfe. „Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Leider werden im Umgang mit Tieren und bei der Wildtieraufzucht viele Fehler gemacht, wir möchten mit den richtigen Infos unnötiges Elend für Tiere verhindern“, sagt Kathrin Schindler.
Auf dem Schindlerhof leben zur Zeit eine Kuh, neun Ziegen, zwei Schweine, sieben Katzen, zwei Hunde, 80 Hühner, 14 Enten, fünf Gänse, drei Puten, drei Perlhühner, 15 Ziervögel, zwei Ponys und acht Bienenvölker. Fast jedes dieser Tiere hat eine vom Menschen verursachte schreckliche Vergangenheit, sie lebten teilweise unterernährt, verdreckt und voller Parasiten in grauenvollen Verschlägen oder konnten schlicht nicht mehr versorgt werden. In Beuggen haben sie eine große Weide, können seelisch und körperlich heilen und beginnen, ein gutes Leben zu führen.
Ziegen vertragen kein Brot
„Leider werfen die Leute immer wieder Brot über den Zaun. Davon werden unsere Tiere krank und können sogar daran sterben. Ziegen können kein Brot verdauen, es macht Fehlgärungen in ihren Mägen, das ist lebensgefährlich, wir hatten schon Todesfälle. Man füttert keine fremden Tiere, niemals. Man fährt ja auch nicht mit dem Auto des Nachbarn, nur weil’s schön ist“, sagt Kathrin Schindler.
Momentan werden außerdem mehrere Igel, ein Gänsesäger, ein Eichelhäher, eine Drossel, eine Elster und zwei Stockenten aufgepäppelt, medizinisch versorgt und auf eine Rückführung in die Natur vorbereitet.
Hinter dem Gnadenhof steht kein Verein, das Paar bestreitet die großen Ausgaben alleine, beide sind berufstätig als Heilerziehungspfleger. Kathrin arbeitet im St. Josefshaus, ihr Mann in der Schweiz. „Eine große Unterstützung ist für uns Sebastian Schulze, selbstständiger Tierarzt in Bad Säckingen, da viele unserer Tiere sehr krank sind, wenn sie zu uns kommen. Er und seine Frau Irina, ebenfalls engagiert im Tierschutz, stehen uns zu jeder Zeit mit Rat und Tat zur Seite. Man hilft sich gegenseitig, so sollte Tierschutz immer sein“, berichtet Kathrin Schindler.
Um die Tiere alle richtig zu pflegen, braucht es viel Wissen. In diesem Sommer wurden viele Enten gefunden und nach Beuggen gebracht. Eine davon machte das Paar auf Grund der Schnabelform stutzig. Sie wandten sich an eine Wildtierstation in Berlin und erfuhren, dass der kleine Federball eine fischfressende Entenart namens Gänsesäger ist. Jetzt wird der Kleine seit vier Monaten mit Schwimmfutter ernährt, noch vor Weihnachten wird er abgeholt und in Hessen in einer geschützten Anlage mit mehreren Artgenossen auf das Auswildern im Frühjahr vorbereitet.
Igel haben Lactoseintoleranz
Ein großes Anliegen des Paares ist das Bewusstmachen von groben Fehlern der Menschen im Umgang mit Tieren. „Es ist ein böses und hartnäckiges Vorurteil, Igel mit Milch zu füttern. Igel haben eine Lactoseintoleranz, Milch kann zu schwersten Darmentzündungen führen. Es stimmt auch nicht, dass Igel gerne Obst fressen. Wenn sie unter den Bäumen die Äpfel umdrehen, dann suchen sie Käfer und Würmer, die sich darunter angesammelt haben“, erklärt Kathrin Schindler. Für Igel ist Katzenfutter mit hohem Fleischanteil das Beste, meint die engagierte Tierschützerin, die allein in diesem Jahr 30 verletzte oder unterernährte Igel gepflegt und wieder ausgewildert hat. „Auch getrocknete Mehlwürmer und Krebstiere, einige Haferflocken oder Kerne sind als Ballaststoffe gut und Wasser, Igel trinken nur Wasser.“
Der 32-jährige Christian Schindler betont, dass die Winterfütterung der Wildvögel jetzt beginnen muss, damit die Tiere die Futterstellen rechtzeitig kennen lernen. Neben Körnern sei Fett wichtig, getrocknete Insekten und eine Wasserstelle, die nicht eingefroren ist.
Im hohen alten Baum neben dem Anwesen ist ein grünes Eichhörnchenhaus verankert. Darin befinden sich Nüsse für jene Momente, wenn die Eichhörnchen im Winter aufwachen und ihren Schlaf unterbrechen. Sie klappen den Deckel mit ihren Pfötchen hoch und holen sich das kostbare Futter, während die Vögel nicht dran kommen.
Die Schindlers konnten außerdem dieses Jahr zwei entlaufene Hunde sichern und dem Besitzer zurückbringen, sie haben bei der Vermittlung von Tieren geholfen, waren Ansprechpartner bei diversen Tierschutzthemen und haben viele verletzte Tiere, die gemeldet wurden, zum Tierarzt gebracht. Fünf Rostgänse und zehn Stockenten wurden versorgt und erfolgreich ausgewildert. „Tierschutz und Tierhilfe ist eine Berufung, da gibt es keine Öffnungszeiten oder Dienstzeiten, man hilft schnell und effizient.“
Schwalben nisten am Haus
Das Haus des jungen Paares wurde vom BUND 2017 als schwalbenfreundliches Haus ausgezeichnet. Zehn Rauchschwalbenpaare und vier Mehlschwalbenpaare hatten die angebotenen Nester zum Brüten genutzt. Kathrin Schindler war auch auf die Leiter geklettert, um die Nester von den Parasiten Hirschlausfliegen zu befreien. „Wir hoffen, dass 2018 noch mehr Schwalben bei uns ein zu Hause finden, wir haben viele zusätzliche Nester gekauft“, meint die 30-jährige Kathrin Schindler zuversichtlich.
Per Facebook und Homepage informieren die beiden Tierschützer aktuell über Wildtierhilfe im Garten und regionale Tierschutzthemen. Über die Homepage gibt es auch die Möglichkeit, das Paar finanziell zu unterstützen, entweder mit einer Geldspende oder einer Sachspende. Ein Link leitet zu einer Wunschliste von Dingen weiter, die gerade gebraucht werden. Futtermittel, Nahrungsergänzungsmittel, Spielzeug, Vogelnistkästen, ein Salzleckstein oder eine Klauenschere stehen auf der derzeitigen Liste. Für das kommende Jahr 2018 streben die beiden eine Auszeichnung als fledermausfreundliches Haus an, denn auch diese Tiere wohnen unter dem Dach des Gnadenhofes.
Einen Streichelzoo oder Führungen wird das Paar indes auf ihrem Anwesen in Beuggen nicht anbieten. Da viele Tiere misshandelt wurden, sind sie menschenscheu. Außerdem fehlt den beiden schlicht die Zeit dazu. Die investieren sie lieber in die Pflege ihrer Gäste – oft auf Lebenszeit.
Weitere Infos im Internet: www.schindlerhof-beuggen.de