Rheinfelden/Schweiz Winfried Kretschmanns Besuch in Schweizer Rheinfelden fand im Vorfeld der ersten Oberrheinkonferenz in diesem Jahr statt. Großes Thema der aus diesem Anlass abgehaltenen Pressekonferenz indes waren die künftigen Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU vor dem Hintergrund der jüngst mit Brüssel verhandelten neuen Rahmenverträge. Zum im Dezember 2024 erstmals öffentlich vorgestellten Paket, mit dem die Schweiz nach Jahren einer gewissen Entfremdung wieder dauerhaft an den Europäischen Wirtschaftsraum herangeführt werden soll, zählen ein Stromabkommen, ein Abkommen zur Lebensmittelsicherheit sowie eines zum Gesundheitsschutz. Alle Vereinbarungen müssen jetzt noch in den Kantonen das Wohlwollen der Eidgenossen finden, diverse Referenden sind zu erwarten. Auch gibt es schon kritische Stimmen zu einzelnen Aspekten, wie etwa der dynamischen Rechtsübernahme durch die Schweiz, nach der künftige Änderungen im EU-Recht keinerlei Nachverhandlungen bedürfen.
Die Politiker diesseits und jenseits des Rheins nutzten den Besuch aus Stuttgart, für die geplante neue Handelsgrundlage zu werben. Gerade in weltpolitisch unsicheren Zeiten hänge das Schicksal Europas von der Kooperation der Staaten ab, betonte Winfried Kretschmann. Er befand, die Schweizer hätten sich gegenüber der Europäischen Union als „zähe Verhandler erwiesen“ und am Ende ein auch aus eidgenössischer Sicht gutes Abkommen erzielt. Im Übrigen sei es in beiderseitigem Interesse, dass es auf dem Kontinent wirtschaftlich vorangeht: Vor dem Hintergrund der enormen Anstrengungen in den USA und China – nicht zuletzt beim Thema Künstlicher Intelligenz – müsse man sich in Europa zunehmend die Frage stellen: „Mit wem konkurrieren wir eigentlich?“ Für ihn jedenfalls sei die Schweiz „Nachbar und Partner“ im gemeinsamen alemannischen Kulturraum und nicht zuletzt zweitwichtigster Handelspartner Baden-Württembergs. Gemeinsam habe man nicht nur die mittelständische Wirtschaftsstruktur, sondern darüber hinaus eine tiefe Verwurzelung in der liberalen Demokratie. Ein mögliches Scheitern des neuen Handelsabkommens an innerschweizerischen Widerständen wäre aus seiner Sicht fatal, betonte Kretschmann.
Das sehen die Schweizer Kollegen aus den Grenzkantonen ziemlich ähnlich. Dieter Egli, Landammann im Kanton Aargau, verwies auf die 15.000¦Grenzgänger und die 72¦Kilometer lange Grenze mit Baden-Württemberg, die einen intensiven Austausch für beide Seiten essenziell machten. „Wir sollten uns auch künftig an den bewährten pragmatischen Lösungen orientieren“, sagte Egli. „Wir sind politische Freunde mit gemeinsamen Interessen“, erklärte Regierungspräsident Conradin Cramer (Basel-Stadt). Zur weiteren Entwicklung brauche es die Fortschreibung der Handelsabkommen. „Die Grenze darf da nicht im Wege stehen.“
Markus Dieth, Regierungsrat aus dem Aargau und Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen, sieht in den Verträgen mit der EU „einen wichtigen Meilenstein“. In die Verhandlungen hätten sich die Kantone im Vorfeld gut einbringen können. Nun gelte es zu klären, ob die Abkommen „auch wirklich Vorteile für die Schweiz bringen“. Auf Nachfrage sieht Dieth die Möglichkeit, dass Schweizer Gewerkschaften auf Nachbesserungen beim Arbeitsschutz drängen könnten. Hingegen sei die Festlegung im Stromabkommen, nach der die Schweiz auch weiterhin über ihren eigenen Energiemix bestimmen könne, aus seiner Sicht ein echter Verhandlungserfolg für die Schweiz.
Der Fototermin fand auf der alten Rheinbrücke statt. „Ich habe meinen Pass vergessen“, frotzelte Basels Regierungspräsident Cramer beim Überschreiten der unsichtbaren Staatsgrenze. Pendlern und Besuchern müsse das Überschreiten von Grenzen auch weiterhin so leicht wie möglich gemacht werden, hatte zuvor Kretschmann mit Blick auf die seit Kurzem von Deutschland verschärften Grenzkontrollen zur Abwehr illegaler Migration gefordert. In der Abstimmung mit der Schweizer Regierung sehe er hier noch „Luft nach oben“, so der Ministerpräsident.