Genaue Erhebungen zur Überschuldung in Rheinfelden liegen keine vor. Der Schuldnerberater des diakonischen Werks, Roland Meier, geht davon aus, dass „nach vorsichtigen Schätzungen“ in der Stadt drei Prozent der Bürger überschuldet sein dürften, weniger als im Bundesschnitt. Das wären trotzdem 1000 Menschen. Wer Hilfe braucht, wendet sich an einen Schuldnerberater, doch die sind Mangelware und müssen immer wieder Betroffene abweisen. Aktuell finden mit der Stadt Gespräche statt, das Angebot dem hohen Bedarf anzupassen.
Elf Vollzeitstellen im Kreis wären nötig
Karin Racke, stellvertretende Geschäftsführerin des Diakonischen Werks im Landkreis und Leiterin des Fachbereichs Familie und Leben, erklärt, dass laut einer Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung für den Kreis elf Vollzeitstellen nötig seien, um den Bedarf zu decken. Es gibt gerade mal je nach Berechnungsart zwischen drei und vier, wovon die beiden Vollzeitberater im Jobcenter nur für ALGII-Bezieher tätig werden. Alle anderen Schuldner verteilen sich auf in Teilzeit tätige Schuldnerberater verschiedener Träger.
50 Anfragen in drei Monaten
Roland Meier ist mit 50 Prozent der Schuldnerberater des Diakonischen Werks. Seine Tätigkeit wird von kirchlichen Mitteln getragen. In den ersten drei Monaten des Jahres 2019 erreichten ihn kreisweit rund 50 Anfragen aus dem Bereich Privatinsolvenz. 38 dieser Schuldner musste er abweisen, weil er nur ein Kontingent von rund 25 Vorgängen im Jahr schaffen kann. Gerade Privatinsolvenzen sind sehr reguliert und arbeitsintensiv. Dafür können die Betroffenen nach bis zu sechs Jahren entschuldet weiterleben.
Hilfe beim Einstieg in Insolvenzverfahren
Bevor es aber soweit ist, hilft Meier den Klienten beim Einstieg in das Verbraucherinsolvenzverfahren. „Ziel ist eine Einigung mit den Gläubigern und eine Entschuldung“, erklärt er. Gelingt die Einigung nicht, beginnt ein gerichtliches Verfahren. Da eine Privatinsolvenz nicht immer möglich ist und in manchen Situationen auch nicht ratsam, beraten Schuldnerberater auch anders gelagerte Fälle.

Unterstützung auch mit psychosozialer Arbeit
Racke und Meier betonen im Gespräch, dass das Diakonische Werk unter Schuldnerberatung nicht nur die Verbesserung der Zahlen auf dem Konto sieht, sondern den Betroffenen auch mit psychosozialer Arbeit Unterstützung bietet. Oft sind Schicksalsschläge Grund für einen über den Kopf wachsenden Schuldenberg, etwa Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Scheidung. Viele Alleinerziehende finden sich unter den Klienten, dazu fällt Meier besonders in Rheinfelden auf, dass es einen erhöhten Anteil an Spielsüchtigen gebe.
Nicht abgedeckter Bedarf mit Kooperation lösen
„An der Rheinschiene ist die Dichte der Casinos und Wettbüros hoch“, so Racke. Darum habe man sich mit dem baden-württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation (bwlv) zusammengetan und das Gespräch mit der Stadt gesucht. „Es gibt Überlegungen, einen Teil des nichtabgedeckten Bedarfs der Schuldnerberatung in einer Kooperation zu lösen“, sagt Racke. Wenn sich die Gremien der Stadt zur Finanzierung durchringen könnten, würde dieses zusätzliche Schuldnerberatungsangebot nur für Rheinfelder Bürger angeboten.
Mittleres Einkommen reicht nicht mehr
Die haben es nötig. Auch die immens teuren Mieten und Lebenserhaltungskosten würden mehr und mehr Bürger in Schwierigkeiten bringen. „Teils reicht ein mittleres Einkommen nicht mehr aus“, sagt Meier. Kommen dann unvorhergesehene Ausgaben dazu, wird schnell ein Kredit in Anspruch genommen. „Überschuldet ist man laut einer Definition, wenn die monatlichen Ausgaben die monatlichen Einnahmen regelmäßig übersteigen“, sagt er. Das komme bei Menschen aller Klassen vor. Aber nur zehn bis 15 Prozent der überschuldeten Haushalte würden in Schuldnerberatungen kommen.
Manche bekommen es selbst in den Griff
Manche bekommen ihre Schulden selbst in den Griff, manche nehmen andere Ansprechpartner in Anspruch, etwa Sozialämter oder andere Sozialarbeiter, die oftmals auch helfen können. Vor allem aber im Bereich Privatinsolvenz müssen die wieder an die spezialisierten Schuldnerberater verweisen. Meiden sollte man laut Meier private, kostenpflichtige Schuldnerberatungen. Es gebe dabei auch schwarze Schafe, die mit teuren Krediten die Situation nur verschärfen würden.
Eine Verbesserung des Schuldnerberatungsangebots für Rheinfelder ALGII-Bezieher gibt es ab Sommer. Dann soll an einem Tag der Woche das Schuldnerberatungsangebot des Jobcenters auch in der Karl-Fürstenbergstraße 17 stattfinden.