Frau Edmeier, Sie leben einen grenzüberschreitenden Dialog par excellence, was fasziniert Sie an dieser Aufgabe?
Mich begeistern die verschiedenen Ebenen, auf welchen wir uns als deutsch-schweizerische Kommission bewegen. Die Kernidee ist ja, die Grenzregion gemeinsam zu gestalten – trotz der EU-Außengrenze. Oder anders gesagt: Wir wollen eine gute Nachbarschaft. Dafür brauchen wir einen stetigen Austausch zwischen der Politik und Verwaltung. Wir fördern aber auch das Miteinander auf Ebene der Bürgerinnen und Bürger – quasi ,Völkerverständigung mit der Bratwurst‘. Denn so entsteht Gemeinschaft, das Interesse am Gegenüber und schlussendlich ein Miteinander. Wir bekommen einmal im Jahr Besuch von jungen Diplomaten aus der ganzen Welt – von Äthiopien bis Israel. Die Besucher beneiden uns dafür, dass wir nicht auf Nato-Stacheldraht, sondern auf eine gemeinsame Rheinlandschaft blicken.
Welche Kontakte pflegen Sie beruflich und privat in die Schweiz?
Wir pflegen ein sehr vielfältiges Netzwerk. Die staatlichen Stellen sind unsere wichtigsten Partner, das heißt Gemeinden, Planungsverbände und die Kantone. Da wir sinnvolle Projekte für die Region auf die Beine stellen wollen, pflegen wir auch viele fachliche Kontakte, etwa im Stiftungsbereich zur Schweizer Stiftung Movetia. Eine tolle Stiftung, die unter anderem den Austausch von Kindern, Jugendlichen oder Schulen unterstützt. Im Bereich Tourismus sind etwa die Naturparks Südschwarzwald und Schaffhausen sowie der Jurapark Aargau wichtige Kooperationspartner. An dieser Stelle ein grenzüberschreitender Ausflugtipp: Die „Dreipärke-Radtour“ ist eine schöne Möglichkeit, alle drei Parks wortwörtlich mit dem Velo zu ,erfahren‘. Privat verbinden mich, wie wahrscheinlich viele in der Region, Verwandtschaften und Freundschaften mit der Schweiz.
Was bedeutet der Preis für Sie?
Die Auszeichnung hat die HRK für ihre drei Bürgerdialoge mit zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern erhalten. Wir sind sehr dankbar, auf Bundesebene eine solche Anerkennung zu erhalten. Und die gibt uns nun Rückenwind, Themen auch weiterhin anders und innovativ anzugehen. Denn wie schafft man Dialoge, bei denen aktiv zugehört wird und man das Gegenüber nicht gleich in eine Schublade packt? Die Schubladen ,die Schweizer‘ und ,die Deutschen‘ sind ja leider weit verbreitet. Wie wecken wir die Freude am Miteinander? Wie können wir, mit Wertschätzung für die aktuelle Arbeit von Politik und Verwaltung, neue Ideen der Bürgerschaft einflechten? Wir denken unsere Veranstaltungen vom Menschen her. Was erst mal einfach klingt, hat es ganz schön in sich.
Die Corona Krise hat die Grenzen für eine Zeit geschlossen, was können Sie rückschauend dazu sagen?
Ich glaube, die Wertschätzung für offene Grenzen in Europa ist sprunghaft gestiegen – gerade bei jungen Menschen, die ohne Grenzkontrollen aufgewachsen sind. Bei mir persönlich ist der Respekt für, aber auch die Fehlertoleranz in Bezug auf staatliches Handeln gewachsen. Es ist eine anspruchsvolle und komplizierte Aufgabe, die verschiedenen staatlichen Ebenen zu lenken: von den Gemeinden, über die Landkreise hin zu den Kantonen oder den Bundesländern über die nationale, europäische und schließlich internationale Ebene. Das heißt auch, dass es etwa die Schublade ,die Politik‘ nicht gibt. Seitens der HRK haben wir uns dafür eingesetzt, der Bundesebene in Bern und Berlin die Alltagsrealität und damit die menschliche und wirtschaftliche Bedeutung offener Grenzen hier in der Region klarzumachen.
Welche Projekte stehen künftig an?
Gemeinsam mit dem Staatsministerium Baden-Württemberg und dem Schweizer Generalkonsulat in Stuttgart planen wir gerade digitale Bürgerdialoge, um aus der aktuellen Lage zu lernen. Es gibt viele grenzüberschreitende Themen, die uns die Pandemie vor Augen führt, wie beispielsweise die Trennung von Familien während der Grenzschließungen. Um den lokalen Tourismus zu stärken, rüsten wir gerade unsere Webseite um und stellen die vielen tolle Ausflugsideen zusammen: Ob die Region um Aargau, Schaffhausen, Zürich, Lörrach oder Waldshut – wir leben ja glücklicherweise an einem schönen Flecken Erde, den man nun intensiv erkunden kann.