Musik verbindet bekanntlich Menschen, sie ist aber noch mehr als das: Musik und Kultur seien „fast überlebenswichtig“, sagte Jörg Hinderer vom Freundeskreis Asyl am Donnerstagabend im Bürgersaal. „Musik ist Leben, Menschsein, Heimat – und sie kann Grenzen überwinden.“ Und genau das zeigt sich in Aeham Ahmads Klavierspiel, der mit und in seiner Musik Grenzen überwindet.
Islamischer Staat zerstört Klavier
Ahmad wurde geboren als palästinensischer Flüchtling, er wuchs in einem syrischen Flüchtlingslager in Damaskus auf. Dort lernte er, Klavier zu spielen – und spielte auch noch mitten im Krieg, auf öffentlichen Plätzen, sang mit den Kindern auf der Straße. Videos machten ihn weltweit bekannt als den „Pianisten aus den Trümmern“. Als der IS sein Klavier zerstörte, kam er nach Deutschland, wurde ein zweites Mal zum Flüchtling.
Dieser Lebensweg ist nicht wegzudenken aus Ahmads Musik. Kunst und Künstler bilden eine Einheit, so persönlich sind seine Kompositionen. Ganz deutlich zu spüren sind der Schmerz und die Verzweiflung der Menschen, die in Syrien den Krieg erlebt haben und erleben.
Zwischen Schmerz und Hoffnung, Neuanfang und Mut
Auch in Ahmads Gesang liegt dieser Schmerz, mal mit voller Wucht, mal ganz leise. Besonders eindrücklich ist das Schlaflied für ein Kind, das mitten im Krieg eigentlich doch friedlich schlafen soll. Es erklingen aber immer auch Zärtlichkeit und Liebe, ja Hoffnung, Neuanfang, Mut.
Ahmad spielt mit dem ganzen Körper, beugt sich zu den Tasten hinunter, es ist ein zärtliches Interagieren mit den Tasten. Mal greift er direkt an die Saiten, der Flügel wird zu einem arabisch anmutenden Zupfinstrument. Dann wieder erkennt man die klassische Prägung des Pianisten, er bedient sich bekannter Melodien, verfremdet sie, verbindet sie zu etwas ganz Eigenem. Sogar das deutsche Volkslied „Die Gedanken sind frei“ klingt an. Diese Mischung der Kulturen, diese Verbindung, sagt Jörg Hinderer, wünsche er sich auch bei den Menschen.
Ahmad erzählt seine eigene Geschichte
Zwischen den Musikstücken liest die Journalistin Dorothee Adrian aus Grenzach-Wyhlen Passagen aus Ahmads neuem Buch „Taxi Damaskus“. In seinem ersten Buch „Und die Vögel werden singen“, erschienen im Frischer-Verlag, erzählt Ahmad seine eigene Geschichte. Im zweiten Werk fährt ein Taxifahrer durch Damaskus und sammelt Einzelschicksale auf, Menschen, bei denen der Krieg tiefe Spuren hinterlassen hat. Menschen, die ihre Heimat verloren haben, auch wenn sie noch dort sind.
Dem Land eine Stimme geben
Ein Arzt, der bei einem Anschlag auf sein Krankenhaus einen Arm verloren hat. Ein alter Mann, der sich in seiner Stadt nicht mehr zurechtfindet und doch nur zu seinem Sohn will.
Ein Vater, der seinen Kindern schwimmen beibringt, ohne es selbst richtig zu können – wer weiß, wofür es eines Tages gut sein wird. Es sind auch Geschichten aus einer Zeit vor dem Krieg, in der noch niemand ahnt, dass Tausende Geflüchtete, auch aus Syrien, im Mittelmeer ertrinken werden.
Ahmad will das Land und seine Menschen zeigen, ihnen eine Stimme geben und damit auf ihr Schicksal aufmerksam machen. Das Buch, erschienen im Eigenverlag, ist in der Buchhandlung Merkel in Rheinfelden erhältlich.
Die Konzertlesung ist ein Geburtstagsgeschenk der Stadt Rheinfelden an den Freundeskreis Asyl, der seit 2005 besteht und 2014 mit dem Bürgerpreis der Stadt ausgezeichnet wurde. Aber der Abend sei mehr als ein Geschenk, sagte Bürgermeisterin Diana Stöcker: „Es ist auch ein Dankeschön an alle Ehrenamtlichen.“
Mit ihrem Einsatz und ihrer Empathie seien sie „eine tragende Säule für die Integration in Rheinfelden“ – und für viele Ankommende „das Gesicht Deutschlands, Erklärer, Problemlöser, Unterstützer“. Darauf sei die Stadt weiter angewiesen.
Auch Hinderer bedankt sich für die gute Zusammenarbeit mit der Stadt und wies noch einmal darauf hin, dass der Freundeskreis immer auch auf Spenden angewiesen sei. Insgesamt eine absolut angemessene Jubiläumsfeier für das große Engagement der Ehrenamtlichen – schade nur, dass aufgrund von Corona nur 150 Karten ausgegeben werden konnten.