Verena Pichler

Ein Gang wäre an diesem frühsommerlich warmen Tag eigentlich gar nicht nötig gewesen. Denn der Treffpunkt an der Ortsverwaltung führt schon mitten rein ins Hertener Leben: Hauptstraße, Feuerwehr, Nahkauf, Haus Rabenfels, Schwarzer Adler – alles ist mit einem Blick zu sehen.

Ortskern wird umgesteltet

„Der Rathausplatz wird uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen“, sagt Frank-Michael Littwin. Dieser Platz soll ansprechend gestaltet, die Bushaltestelle verlegt werden. Der Lebensmittelmarkt wird vergrößert. „Das wird den Ortskern sehr verändern.“

Ortsvorsteher Frank-Michael Littwin.
Ortsvorsteher Frank-Michael Littwin. | Bild: Verena Pichler

Littwin ist einer von drei neuen Ortsvorstehern – in Eichsel und Nordschwaben gab es 2019 auch Veränderungen – und doch ist er ein Besonderer: Hauptamtlich von der Stadt bestellt, weil sich nach dem Rückzug von Sabine Hartmann-Müller kein Kandidat gefunden hatte, teilt sich der Leiter des Bürgerbüros der Stadt seine Arbeitszeit nun ein. Etwa zweieinhalb Tage pro Woche ist er in der Ortsverwaltung und schafft sich rein in diesen Ort, von dem er bislang am besten den Friedhof kannte, dessen Verwaltung in sein Ressort fällt.

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An einem Sonntag, kurz nachdem der OB in gefragt habe, ob er sich das Amt vorstellen könne, sei er mit seiner Tochter einmal ganz bewusst durch Herten geschlendert. „Mit einem neuen Blick auf den Ort.“ Dabei habe er viele schöne Eckchen entdeckt und mittlerweile auch einen liebgewonnen Rundgang für die Mittagspausen.

Der führt an der Boulebahn und dem Haus Rabenfels vorbei. Hier wird bald ein Büchertausch entstehen. Eine Bürgerin habe sich an ihn gewandt, ob man einen solchen Tausch, wie er unlängst in Eichsel entstanden ist, nicht auch für Herten realisieren könne. Sie und eine weitere Hertenerin werden sich ehrenamtlich um den Schrank kümmern, der neben dem Eingang zum Depot der Pfalzergruppe seinen Platz finden wird. „Hier geht wirklich viel in Sachen Eigeninitiative“, lobt Littwin das Engagement.

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Ur-Hertener mit Geheimtipp

Während Littwin erzählt, ruft plötzlich jemand seinen Namen. „Ihre sonore Stimme habe ich doch gleich erkannt“, sagt Alfred Winkler – mit Pfeife im Mundwinkel und Gartenlatschen an den Füßen. Und so kommt es, dass die Zeitung nicht nur mit dem aktuellen Ortsvorsteher auf Rundgang geht, sondern einen Teil des Weges auch mit dessen Vor-Vorgänger zurücklegt. Von der Rabenfelsstraße geht es hinauf auf den Wirtschaftsweg, der Herten mit Degerfelden verbindet.

„Das hier ist das einzige Landschaftsschutzgebiet an den Hängen, das nicht bebaut werden darf“, berichtet Winkler. Von hier oben hat man einen schönen Blick auf den Ort – doch der Ur-Hertener Winkler weiß noch einen besseren und führt zu den fünf Linden. Die imposanten, knorrigen Bäume stehen in einem Kreis und bieten ein perfektes Versteck. „Zum heimlich rauchen und Bier trinken“, sagt Winkler. Die Sonne scheint durchs Blätterdach und irgendwie hat der Ort etwas Mystisches. „Diesen Platz kannte ich noch gar nicht“, sagt Littwin.

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Dann geht‘s wieder hinab zum sogenannten Hühnernest – warum die Bebauung zwischen der Rabenfelsstraße so heißt, weiß auch Winkler nicht – der sich wieder verabschiedet. „Ich wollte schon lange mal mit Herrn Winkler spazieren gehen“, sagt Littwin schmunzelnd. Dass er selbst in Schopfheim wohnt und nicht im Ortsteil, empfindet er nicht als Nachteil. „Ich glaube, ich wurde hier gut angenommen.“

Ortsvorsteher will präsent sein

Um präsent zu sein, versucht Littwin, sich auch in seiner Freizeit ab und zu blicken zu lassen. „Neulich bin ich mit dem E-Bike von Schopfheim nach Herten gefahren. Das war eine schöne Runde.“ Die Runde führt über einen Schotterweg zur Straße in den Burgreben und vorbei an der Kita St. Urban und dem Spielplatz des Spieldorfes Herten, der an diesem Morgen gut besucht ist. „Herten wächst, und mit dem Zuzug neuer Bürger muss auch die Infrastruktur mithalten.“ Das sei die größte Herausforderung der kommenden Jahre. Knapp 5000 Menschen leben im größten Ortsteil. Wie sind sie denn so, die Hertener? „Offen, freundlich und auch bereit, Probleme anzusprechen.“

Problematisch ist für Littwin, dass ab Juli keine Arztpraxis mehr im Ort sein wird, und die Rabenfelsapotheke deshalb vielleicht schließen muss. Beide Bereiche will Littwin nicht kampflos aufgeben. „Vielleicht können wir zumindest eine regelmäßige, ärztliche Sprechstunde erreichen.“ Für die Apotheke aber nimmt Littwin auch die Bürger in die Pflicht. „Sie müssen hier einkaufen und ihre Medikamente abholen.“ Wenn diese Unterstützung fehle, könne keine Infrastruktur erhalten werden – egal, in welchem Bereich. „Herten hat ja noch viel zu bieten im Vergleich zu anderen Ortsteilen.“

Zum Beispiel auch ein kleines Neubaugebiet. In den Tanzmatten wird fleißig gebaut, ein Anblick, der Littwin freut. Ebenso wie der des gepflegten Friedhofs. Littwin hofft, dass das gerade beschlossene Friedhofskonzept trotz Corona umgesetzt werden kann. In Sachen Geld ist Herten nicht immer einverstanden mit der Mutterstadt. Den Haushalt 2020 lehnte der Ortschaftsrat ab, weil Herten aus seiner Sicht nicht ausreichend bedacht wurde.

Erst kürzlich wurden zwei wichtige Projekte verschoben – die Kanalsanierung an der Bahnhofsstraße und der Architektenwettbewerb fürs Neubaugebiet Römern. Und obwohl Littwin als städtischer Mitarbeiter das Gesamtbild betrachten muss, „fühle ich mich jetzt schon sehr verantwortlich für den Ort“. Die Runde endet, wie könnte es anders sein, am St. Josefshaus. „Das gehört ganz einfach zu Herten und ist natürlich auch ein wichtiger Arbeitgeber.“ Beim Abschied rückt Littwin seine blaue Schirmmütze zurecht, guckt sich nochmal um. „Ja, das ist ein toller Ort. Das ist mein Resümee.“