Ralf H. Dorweiler

„Durch Karsau könnte man zwei Tage spazieren“, sagt Räuber. Aber zwei Tage wären dann doch zu lang. Gut anderthalb Stunden dauert der Spaziergang, bei dem es viele Geschichten zu hören gab – und viel Geschichte.

Räuber hat in der Ortsverwaltung einige Unterlagen vorbereitet und will erst einmal planen, wohin der Weg führen soll. „Karsau ist ein so großer Ortsteil, man schafft nicht alles in so kurzer Zeit“, meint er. Man könnte nach Riedmatt oder nach Beuggen und zum Schloss.

Häuser mit langer Historie

Dann gibt es den Bereich Kapfbühl, was aber vornehmlich neuere Häuser sind. Und den Ort oben auf dem Dinkelberg mit Innerdorf und Außerdorf. Er beschließt, dass das Innerdorf ein schönes Ambiente für einen Spaziergang hergibt.

Alt und neu, Ansicht im Innerdorf.
Alt und neu, Ansicht im Innerdorf. | Bild: Ralf H. Dorweiler

Zumal man an den Häusern einiges zeigen und erklären könne, was Karsau beschäftigt. Denn immerhin steht hier auch das historische Zehnthaus von 1534, das der Zunftstube und der alten Kelter Raum gibt. Und Letztere ist auch ein Sorgenkind des Ortsteils.

Nachdem nun klar ist, wohin der Ortsspaziergang führen soll, zieht Räuber sich die Jacke an und nimmt den Autoschlüssel. Wegen der Knappheit der Zeit möchte er lieber nicht zu Fuß ins Innerdorf. Noch bevor das Auto erreicht ist, gibt es etwas zu berichten.

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„Das zentrale Ortszentrum“, stellt Räuber mit einer umfassenden Geste vor: Schule, Rathaus, die Sonnenrainhalle, der Kindergarten Bienenkorb und das Pfarrzentrum. „Die Altvorderen hatten die Entwicklung Karsaus im Blick und dafür gesorgt, dass ein Ortszentrum geschaffen wurde, das von überall gut erreichbar ist“, sagt er stolz.

„Karsauer sind sehr direkt“

An der Kreuzung der Kreisstraße und der Karsauer Straße stellt er den Wagen ab. Jetzt geht es tatsächlich zu Fuß weiter. Der Karsauer an sich sei ein ziemlich direkter Zeitgenossen, antwortet Räuber auf die Bitte nach einer Einschätzung des hiesigen Menschenschlags. „Wenn die Karsauer etwas sagen, dann meinen sie es auch so.“ Nur wenige Schritte weiter fällt ihm noch eine wichtige Ergänzung ein: „Wenn es drauf ankommt, dann halten die Karsauer zusammen!“ Wie zuletzt beim 750-Jahr-Jubiläum.

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Im Innerdorf lebt die Geschichte des Orts mit heute rund 3670 Einwohnern. Räuber erklärt an den Gebäuden, dass diese oft aufgrund der Erbfolge geteilt wurden. Man sieht es den Bauten teils deutlich an. Der Spaziergang führt zum großen Sorgenkind, der Kelter, der „einzigen kommunalen Kelter weit und breit“, wie Räuber betont. Die Streuobstwiesen auf dem Dinkelberg seien politisch gewünscht, wichtig für Umwelt und Tourismus. „Aber wir haben eine Kelter, die nicht auf der Höhe der Zeit ist – technisch und vom Hygienestand.“

Viele wollen Sanierung der Obstpresse

Der Ortsvorsteher schließt die Tür auf und führt zu der Obstpresse. Seit vier Jahren fordern die Karsauer von der Stadt, die Kelter zu ertüchtigen. Soll heißen: Es braucht die Möglichkeit, den Most von Apfel und Birnen zu pasteurisieren, also vom Gären abzuhalten und damit haltbar zu machen. Das kostet. „Mit 80.000 Euro könnte man sicher einige bewerkstelligen“, sagt Räuber. Die Mittel seien zuerst immer nur in den Folgehaushalt übertragen worden und ab diesem Jahr ganz aus der Planung gestrichen worden.

Die Runde durchs Innerdorf von Karsau geht weiter. Hier, wo früher jedes Haus einen Namen hatte, will der Ortschaftsrat einen Bebauungsplan erstellt sehen und fordert eine Veränderungssperre, um das Risiko zu minimieren, dass der alte Ortskern von Investoren mit modernen Mehrfamilienhäusern bebaut werden könnte.

Der frühere Polizist Räuber stammt ursprünglich aus Müllheim, lebt aber schon seit 35 Jahren in Karsau. Er weiß über fast jedes Haus etwas zu erzählen. Er weist auf eine niedrige Holzklappe, hinter der sich der Zugang zu einer Quellenfassung befindet, zeigt die schmalen Wege, die von überall im Ort in Richtung Beuggen ausgerichtet sind und früher zum Kirchgang genutzt wurden.

Wunsch: Eine Autobahn mit Tunnellösung

Was wünscht er sich nach so viel Historie für die Zukunft? „Dass die Autobahn so schnell wie möglich weitergebaut wird und man dabei Rücksicht nimmt auf Natur und Mensch.“ Dabei wäre ihm die maximale Tunnellösung mit 1,2 Kilometer Länge die liebste. „Es muss einen Tunnel geben“, sagt er bestimmt. „Wenn darauf keine Rücksicht genommen wird, ist eine Rechtsklage vorprogrammiert.“

Im Außerdorf will Räuber noch das alte Schul- und Rathaus von 1905 in seinen Spaziergang unterbringen. Er kommt auf das Verhältnis der Karsauer zur Kernstadt zu sprechen. Die Eingemeindung war konfliktreich. „Die Wunden, die damals geschlagen wurden, sind verheilt“, sagt Räuber. „Aber die Narben sind bei denen geblieben, die es damals miterlebt haben.“ Bei den jungen Leuten aber spiele es keine Rolle mehr. Man sei in erster Linie Karsauer und gehöre eben zu Rheinfelden.