Horatio Gollin

„Wenn der Wind jagt, bleibt der Jäger zu Hause“, sagt Roland Heller, Jagdpächter in Herten und Leiter der Jagdschule Heller. Ein Jäger muss immer den Wind im Gesicht spüren und einen entsprechenden Ansitz wählen. „Wenn er diese Regel nicht beherzigt, wird das Warten nicht belohnt“, meint Heller. In einen Abschuss investiert ein Jäger viel Zeit. „Die Faustregel lautet: Um ein Wildschwein zu erbeuten, brauche ich mindestens 30 Stunden Wartezeit, weil es mehr erfolglose als erfolgreiche Ansitze gibt.“

Eher eine Woche warten

Diese Faustregel sei eine eher positive Schätzung. Tatsächlich verbringe er für ein Wildschwein eine Woche lang im Hochsitz. „Gerade der Herbst ist die hohe Zeit der Jagd, weil alle Wildtiere Schusszeit haben und bei vielen Familien in der Vorweihnachtszeit ein köstliches Essen mit Wildbret aus dem heimischen Wald auf den Tisch kommt“, sagt Heller.

Ein konzentriertes Warten ist ein wesentlicher Bestandteil der Jagd. Musik über Kopfhörer verbiete sich, da ein Jäger auf das Gehör angewiesen sei. „Das Warten ist insofern spannend, weil die Natur sehr laut ist mit unterschiedlichen Geräuschen“, sagt Heller. „Aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse verlässt sich der Jäger auf sein Gehör.“

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Ein erfahrener Jäger könne die Geräusche genau zuordnen. Er erkenne, ob Wildschweine oder Raubwild wie Dachse oder Füchse unterwegs sind. Heller meint, dass man während der Jagd zur Untätigkeit gezwungen ist und nur den eigenen Gedanken nachhängen kann. „Zur Ruhe muss man sich zwingen. Handy und so sind tabu“, sagt Heller. Ein Blick auf das Display in der Dunkelheit macht den Jäger für Minuten blind. Um die Augen an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen, stellt Heller sein Auto immer einige hundert Meter vom Hochsitz entfernt hab und legt die Strecke zu Fuß zurück.

Hauptsächlich Rehwild und Schwarzwild

„Bei uns im Landkreis Lörrach hat es hauptsächlich Rehwild und Schwarzwild“, erklärt Heller. Jäger haben einen gesetzlichen Auftrag, der verlangt, einen artenreichen und gesunden Wildbestand zu erhalten. Es gilt, den natürlichen Zuwachs abzuschöpfen und derzeit gerade beim Schwarzwild den Bestand als Präventionsmaßnahme gegen die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest zu reduzieren.

Vollmondnächte bevorzugt

Heller erklärt, dass Wildschweine von einem ganzjährigen Nahrungsüberschuss profitieren und eine sehr hohe Reproduktionsrate haben. Daher dürfen sie ganzjährig geschossen werden. Auch nachts dürfen Schwarzwild und Raubwild gejagt werden. Wegen der besseren Lichtverhältnisse bevorzugen Jäger dafür Nächte um die Vollmondzeit. Der Jäger kennt Futterplätze, Einstände und Wildwechsel im Wald und wählt danach seinen Ansitz.

Rücksicht auf Muttertiere

„Man kann nicht nur das Wochenende für die Jagd verwenden“, sagt Heller. Ein Problem während der Corona-Pandemie ist für Jäger die verstärkte Inanspruchnahme der Natur durch Erholungssuchende, wodurch auch tagaktive Wildtiere sich nachtaktiv verhielten. Die schlechteren Sichtbedingungen in der Nacht erschwerten es dem Jäger, das Muttertier unter den Bachen eindeutig auszumachen. Dieses darf nicht geschossen werden, da es noch die Frischlinge versorgt. „Da kann es passieren, dass man sich Nächte um die Ohren geschlagen hat, endlich eine Rotte in Sicht kommt und man trotzdem nicht zum Schuss kommt“, berichtet Heller. Das ist ihm aber lieber, als versehentlich ein Muttertier zu töten.

Das Warten hat ein Ende

Wenn dann spät nach Mitternacht das Warten ein Ende hat und ein Wildschwein erlegt ist, fängt die Arbeit für de Jäger allerdings erst richtig an. Das Tier muss aus dem Wald geborgen, fachgerecht und sauber aufgebrochen und schnell in die Kühlung gebracht werden. „In der kühleren Jahreszeit entscheidet auch die Kleidung darüber, wie lange es der Jäger auf dem Hochsitz aushält“, sagt Heller.