Die meisten Berufspendler haben es schon erlebt, dass sie auf einen Zug warten mussten. „Das Warten auf die Bahn ist, besonders für Pendler, etwas Spezielles“, sagt Martina Schilling, die dreimal in der Woche mit dem Zug von ihrem Wohnort Freiburg nach Rheinfelden und zurück pendelt, wo sie im Kulturamt im Rathaus nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt arbeitet. „Als Witz ausgedrückt, könnte man sagen: Weihnachten kommt immer, der Zug nicht unbedingt.“
Die Strecke legt Martina Schilling regelmäßig seit 2013 zurück. Ein besonders unangenehmes Ereignis war, als ein Zug in Müllheim einmal nicht weiterfuhr und es drei Stunden dauerte, bis der Ersatzverkehr eingerichtet war. Sehr ärgerlich sei es auch, wenn es zunächst heißt, der Zug verspäte sich um fünf Minuten, dann um 20 Minuten – und schließlich fällt er aus. „Bei solch gravierenden Vorfällen können Betroffene sich auch ausgeliefert fühlen und das Gefühl bekommen, dass die Bahn über ihre Lebenszeit verfügt“, beschreibt Schilling ihre Erfahrung.
Die kurzen Wartezeiten vor der Abfahrt und beim Umsteigen sind für die Pendlerin zwar Routine, aber eine ungeliebte. „Das Warten auf die Bahn ist nicht schön“, sagt Schilling. Grundsätzlich ist für sie Warten nicht gleichbedeutend mit Auf-den-Zug-Warten. „Wenn ich auf ein Ereignis oder eine Person warte, dann beendet deren Eintreffen mein Warten. Als Pendlerin warte ich nicht in diesem Sinne auf das Eintreffen des Zuges“, meint Schilling. Im Zug geht das Warten weiter – darauf, dass man das Ziel erreicht.
Übung in Gelassenheit
Die Bahn ist ein Dienstleistungsbetrieb und alle Störungen führen schnell zu Unmut oder Ärger. Mit ein paar Minuten Verspätung rechnet Schilling aber immer. „Als eher ungeduldiger Mensch erachte ich das als eine Übung in Gelassenheit“, meint Schilling. Beim Umsteigen in Basel muss sie um die zehn Minuten warten. „Ein Kreuz ist das mit dem Umsteigen dann, wenn sich ein Zug verspätet und man in Basel auf der Strecke bleibt“, sagt Schilling. Dann ruft sie im Büro an und kündigt an, dass sie sich verspätet.
In richtigen Stress gerät sie aber nicht. Wichtige berufliche Termine legt sie sich erst gar nicht in den Vormittag und bei nur drei Tagen, an denen sie pendelt, kann sie auch ihre Abendgestaltung in Freiburg an arbeitsfreien Tagen stresslos planen. Um die Zeit im Zug zu überbrücken, hat sie immer ein Buch dabei. Im Sommer liest sie auch beim Warten auf den Zug, aber das geht in der kälteren Jahreszeit auf dem Bahnsteig nur schlecht.
„Basel hat keinen schönen Bahnhof. Das ist kein idealer Ort zum Warten“, findet Martina Schilling. Auf ihrer Strecke fehlt es an großen, geschützten Wartebereichen am Gleis. Ein Auto ist aber aus Umweltschutzüberlegungen für Schilling keine Alternative. „Dass die Strecke so lang ist, dafür kann die Bahn natürlich nichts“, sagt die Pendlerin – die sich freut, dass der Zug sie immerhin pünktlich zum Gespräch mit dieser Zeitung am Rheinfelder Bahnhof gebracht hat.