Wolfgang Bocks ist der Stolz darüber anzumerken. Kein Wunder, schließlich haben er und weitere Mitglieder an die 1000 Fotos gesichtet und sortiert, um das Werden der Stadt, die nächstes Jahr 100 Jahre alt wird, zu dokumentieren. Der Bildband ist ab dem 6. November bei der Buchhandlung Merkel erhältlich, am gleichen Tag findet eine Vernissage im Bürgersaal statt.

Der Titel des Bands lautet „Wie Rheinfelden entstand“ mit dem Zusatz „In alten Fotos“. Und er hält, was er verspricht: 160 ausgewählte Fotografien nehmen den Betrachtenden mit auf eine Zeitreise, lassen ihn nachverfolgen, wie aus drei Dörfern und einem Kraftwerk eine Industriestadt wurde.

Historiker Wolfgang Bocks sichtete viele Fotos zur Stadtgeschichte.
Historiker Wolfgang Bocks sichtete viele Fotos zur Stadtgeschichte. | Bild: Verena Pichler

Dass der Verein pünktlich fertig wurde, darf unter den Umständen als besondere Leistung gewürdigt werden. „Corona hat die Arbeit sehr erschwert“, sagt Historiker Bocks, der den Arbeitskreis leitet und die Koordination der Jubiläumsbände übernommen hat – samt Autorenschaft zahlreicher Beiträge für den zweiten Band, der im Juli 2022 erscheinen wird. Aufgrund der Beschränkungen durch die Pandemie konnten die Mitglieder etwa nicht mehr in Archiven suchen. „Wir haben Geld locker gemacht und Kopien von wichtigen Dokumenten bezahlt.“ Auch gemeinsame Sitzungen entfielen, so dass jeder im eigenen Kämmerlein vor sich hinschaffte.

Das könnte Sie auch interessieren

Die für den Bildband wichtigsten Dokumente hatte der Verein zum Glück schon vor der Pandemie erhalten: Lia Isele-Rieke, im Juni 2020 mit 91 Jahren verstorben, übergab dem Verein eine umfangreiche Sammlung von Fotografien ihres Vaters Martin Isele. Er war der erste Fotograf Rheinfeldens und so ist ihm auch die erste Seite des Bands gewidmet: Isele, in seinen 30ern, sitzt in seinem Atelier am Oberrheinplatz.

Den Plätzen der Stadt ist ebenso ein Kapitel gewidmet wie den Brücken, dem Kraftwerk sowie Karsau, auf dessen Gemarkung die Industrialisierung begann. Warmbach und Nollingen werden gesondert betrachtet. Schlägt man so zum Beispiel Seite 15 auf, sieht man die Untere Dorfstraße, der Fotograf hat mit dem Rücken zum Gasthaus „Sonne“ gestanden. „Das sieht doch wirklich noch aus wie heute“, sagt Bocks und fährt mit dem Finger die Häuser ab, die heute noch stehen.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Straße allerdings bestand damals aus Lehm, deutlich erkennbar sind Furchen von Pferdekutschen. Landwirtschaft prägte die Gemeinden, bis sich mit dem Bau des Kraftwerks – Beginn war am 1. Mai 1895 – alles veränderte. „Für die Menschen damals muss das fast ein Schock gewesen sein“, meint Bocks. Der Bildband beschränkt sich auch daher auf Fotos, welche die Jahre vor der Stadterhebung 1922 zeigen, um genau diese Entwicklung nachzuzeichnen. „Mit dem Kraftwerk und der Industrie kamen die Wohnungen und die Menschen. Und mit ihnen die Plätze, die Gasthäuser, die Schulen und weiteres Gewerbe.“ Ein Bild zeigt so die Einweihung der Hebelschule 1904, ein anderes das Gasthaus zum Wasserturm, das wahrscheinlich 1898 von Carl Schmidt-Ackermann erbaut wurde. Im Gegensatz zu vielen anderen Häusern aus jenen Jahren steht dieses bis heute.

Das könnte Sie auch interessieren

„Rheinfelden ist nicht gut mit seinem Erbe umgegangen“, findet Bocks und blättert weiter. Ein eindrückliches Beispiel findet sich auf Seite 102, auf der das gesellschaftliche Epizentrum der Stadt zu sehen ist: der Oberrheinische Hof, erbaut 1897, Ort für kulturelles Leben aller Art, bis er 1967 abgerissen wurde. Wenige Seiten weiter blickt man auf das Hotel „Solbad Bellevue“, dessen wechselvolle Geschichte – im Ersten Weltkrieg war es Lazarett, danach etwa Ledigenheim der Degussa – 1976 mit dem Abriss endete.

Ganz bewusst hat der Arbeitskreis auf lange Bilduntertexte verzichtet und lässt stattdessen die Fotos für sich sprechen. Besondere Wirkung entfalten die über den Kraftwerksbau, dem ebenfalls ein eigenes Kapitel gewidmet ist, oder die der alten Rheinbrücke. „Wissen Sie, wo sich das befindet?“, fragt Bocks und deutet lächelnd auf das Bild der Schreinerei Bucher, erbaut 1906 in der Kronenstraße 19. Im Vordergrund sind mächtige Holzstämme zu sehen, dahinter Wohnhaus und Werkstatt. Die Stämme, so Bocks, dürften sich ziemlich genau da befinden, wo heute das Dienstleistungszentrum Karl-Fürstenberg-Straße 17 liegt. Und welches Bild ist Bocks Liebling? Lange überlegen muss er nicht, schlägt das Buch zu und zeigt das Foto auf dem Umschlag: das Wasserkraftwerk. Mit ihm und der Firmengeschichte ist Bocks seit den 1970er Jahren eng verbunden, als er sich im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts mit der Industrialisierung und Elektrifizierung beschäftigte.