Neue Innenstadtkultur 2.0 – Entwicklungen mit Corona: So lautete der Titel der zwölften Wirtschaftsgespräche, die am Mittwochabend im Bürgersaal stattfanden. Für seine Premiere wählte der neue Wirtschaftsförderer Michael Meier das Format einer Podiumsdiskussion. Dass dieses Thema ein weites Feld ist, wurde schnell deutlich. Doch dank der geschickten Moderation von Matthias Zeller, Leiter des SWR-Regionalbüros Lörrach, gab es dann doch den einen oder anderen konkreten Erkenntnisgewinn.

Die Gäste

Rund 150 Vertreter aus Handel, Politik und Wirtschaft hatten sich angemeldet, die Zahl wurde jedoch nicht ganz erreicht. Im Bürgersaal blieben einige Plätze frei.

Die Stimmung

Wegen Corona fiel das sogenannte „Get together“ zwar offiziell aus, aber vor dem Beginn standen die Gäste doch in Grüppchen zusammen und genossen es sichtlich, sich mal wieder auszutauschen. „Schön, dass wir wieder zu den Wirtschaftsgesprächen zusammenkommen“, befand denn auch Oberbürgermeister Klaus Eberhardt. Die Formation Jazz & Co untermalte die Pausen, Verwaltungsmitarbeitende versorgten die Gäste an ihren Plätzen mit Speisen und Getränken.

Die Diskussion

Nach einem Impulsreferat von Lena Häsler, Handelsreferentin der IHK, zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage in der Region begann die Podiumsdiskussion zwischen Oberbürgermeister Klaus Eberhardt, Wirtschaftsförderer Michael Meier, Dehoga-Sprecherin Alexandra Mußler, Stadtmarketingexperten Wolfgang Koch sowie Donato Acocella, Professor für Raumentwicklung an der Fachhochschule Ostschweiz. Zeller wollte von den Diskutanten wissen, wie sie sich eine „mittelgroße Stadt in Deutschland im Jahr 2040“ vorstellen. Mußler sagte, dass es wahrscheinlich mehr Fastfood geben würde, dafür weniger Dienstleistungen, Meier glaubt an mehr Wohnen in der Innenstadt, Eberhardt hält aufgrund des Klimawandels mehr Grün- und Wasserflächen für wahrscheinlich.

Das könnte Sie auch interessieren

Außerdem werde es eine stärkere Verknüpfung von Kultur und Einkauf geben. Acocella sieht die Innenstädte in 20 Jahren wieder als „demokratische Orte“, in denen die öffentliche Hand stärker in die Struktur eingreift, um die Stadt für jeden zugänglich zu machen. Der Handel aber werde so nicht mehr stattfinden. „Viele werden sich daran gewöhnen müssen, dass wir sie nicht mehr brauchen.“ Wolfgang Koch sah eine Zweiteilung: Einige Städte würden zu reinen Wohnstädten „verkommen“, während andere nach wie vor Einkaufserlebnisse bieten werden.

Der Erkenntnisgewinn

Doch wie kann es gelingen, dass Innenstädte und damit auch die Händler und Dienstleister eine Chance haben? Dass es auf diese Frage keine einfache Antwort geben würde, war abzusehen, und so taten sich die Teilnehmenden anfangs schwer damit. Meier verwies auf die Bedeutung eines konzeptionellen Stadtmarketings, was Koch ebenfalls unterstrich. Am Beispiel der Gemeinde Elzach, die er beraten hatte, skizzierte er, wie ein Imagewandel gelingen und Zukunft geschaffen werden könne. Die Stadt im Landkreis Emmendingen habe sich ganz dem Thema „Black forest 2.0“ verschrieben, mit passenden Veranstaltungen und Werbung. „Die Stadt ist bunter geworden, es gab Neuansiedlungen von Gewerbe und Hotellerie.“ Acocella gab den Advocatus Diaboli und entgegnete, dass man „mit Stadtmarketing schon mal gar nichts rettet“. Es brauche den Mut zur Klarheit und Wahrheit.

Die Diskutanten (von links): Wolfgang Koch, Donato Acocella, Klaus Eberhardt, Moderator Matthias Zeller, Alexandra Mußler und Michael Meier.
Die Diskutanten (von links): Wolfgang Koch, Donato Acocella, Klaus Eberhardt, Moderator Matthias Zeller, Alexandra Mußler und Michael Meier. | Bild: Verena Pichler

„Heute gibt es kein Produkt mehr, dass nicht internetfähig ist“, also im Onlinehandel erhältlich. Digitalisierung im stationären Handel bedeute eben nicht nur, online zu bestellen. Sondern: In einem Bekleidungsladen ein T-Shirt anzuprobieren und sich dann auf einem Bildschirm zeigen lassen, wie das Shirt in rot, grün oder gelb aussehe, und dann im Geschäft zu bestellen. „Die Lagerhaltung von Kleidung geht nicht mehr.“ Denn zu schnell wechselten die Kollektionen. Wie die Stadt die Transformation begleiten kann, machte Eberhardt an zwei Beispielen deutlich. Zum einen müsse man stärker moderieren, etwa wenn es um Kooperationen zwischen Eigentümern gehe. Zum anderen sei es vorstellbar, dass die Stadt Schlüsselgrundstücke kaufe und diese „modellhaft weiterentwickele“. Dafür brauche es aber auch politische Unterstützung.

Die besten Momente

Zeller forderte jeden Teilnehmenden auf, den Einzelhändlern kurz und knackig etwas mitzugeben. Und das kam dabei rum: Such‘ dir Verbündete und plane eine Strategie (Koch); Stellen Sie sich mal vor Ihren eigenen Laden und überlegen, ob Sie da einkaufen würden (Acocella); Unternehmer sein (Eberhardt); mit Herzblut dabei sein und politisch vernetzen (Mußler); Qualitätsbewusstsein (Meier). Für einen herzhaften Lacher sorgte eine Frau aus dem Publikum – Zeller forderte die Zuhörenden auf, Fragen zu stellen –, die erklärte, als Schwäbin gehe sie ohnehin nicht ins Café, brauche ein solches Angebot also auch nicht in der Stadt.

Das Fazit

Das Impulsreferat zu Beginn geriet leider zu lang und blieb an der Oberfläche. Einen echten Impuls für die folgende Diskussion gab es somit nicht. Dass die Gesprächsrunde nicht in Allgemeinplätzen verloren ging – und das drohte zwischendurch – war Moderator Zeller zu verdanken, der immer wieder nachfasste. Und an vorderster Stelle Acocella, der für seine „ketzerischen Einwürfe“, wie Zeller es nannte, bekannt ist. Das stellte er auch unter Beweis, was die Diskussion belebte und sicher die meisten Denkanstöße lieferte.

Das könnte Sie auch interessieren