Gersbach (hö) Gipfeltreffen auf 1150 Metern Höhe: Zur Eröffnung von Deutschlands höchstgelegenem Windpark begaben sich am Samstag hochrangige Vertreter von Politik und Behörden auf den Rohrenkopf – allen voran Umwelt- und Energieminister Franz Untersteller (Grüne). Unter den rund 150 Festgästen waren indes fast keine Bürger aus Gersbach. Dass es jetzt darum gehe, aufgerissene Gräben zu überwinden, wurde mehrfach angesprochen. Einhellig betonten aber alle Redner die Notwendigkeit der Energiewende – und dass die EWS Schönau mit dem Windpark dazu einen wichtigen Beitrag leiste. Die Äußeren Umstände: Heiß war es am Samstag bei der offiziellen Eröffnung nur meteorologisch.

Hitzige Auseinandersetzungen blieben aus, sieht man von einem kleinen verbalen Scharmützel zwischen der Stadt und Minister Untersteller über Verfahrensfragen ab. Zwar stößt das Vorhaben bei vielen Gersbachern nach wie vor auf Ablehnung, was sich auch daran zeigte, dass fast kein Bürger aus dem Golddorf anwesend war. Eine „Gegenveranstaltung“ der Windkraftgegner in Gersbach mit rund 60 Besuchern indes war, wie auch die Polizei bestätigte, absolut friedlich.

An der Windpark-Eröffnung selbst nahmen rund 150 Besucher teil – darunter viele Vertreter von Behörden, der EWS, der Baufirmen und der Politik. Nebst dem Minister waren unter anderem Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer und Landrätin Marion Dammann gekommen, ebenfalls anwesend waren der Landtagsabgeordnete Josha Frey (Grüne), Bürgermeister Christof Nitz, die Bürgermeister Gerd Schönbett (Kleines Wiesental) und Bruno Schmidt (Häg-Ehrsberg) sowie Ortsvorsteher und Gemeinderäte aus Schopfheim, Zell und Häg-Ehrsberg. Gefeiert wurde der dreistündige Festakt an der Windenergieanlage drei.

Pfarrer erteilen Windpark den Segen

Der Eröffnungsakt fand vor der Windenergieanlage drei statt. Minister Untersteller, Bürgermeister Christof Nitz, Vertreter der Projektträger EWS Schönau und Enerkraft sowie der am Bau beteiligten Firmen schnitten ein rotes Band durch. Außerdem erteilten die Pfarrer Michael Latzel (katholisch) und Ulrich Henze (evangelisch) dem Vorhaben in einem ökumenischen Akt ihren Segen. Ulrich Henze appellierte dabei mit Blick auf die Gräben, die das Projekt aufgerissen habe, an beide Seiten, dass es nun an der Zeit sei, wieder aufeinander zuzugehen.

Franz Untersteller beglückwünschte die EWS (Elektrizitätswerke Schönau) zu diesem Projekt, bescheinigte dem Standort Rohrenkopf exzellente Windhöffigkeit und bestätigte hochoffiziell, dass der Standort der höchstgelegene sei – fünf Meter höher als die Hornisgrinde. Mit Blick auf Projektgegner räumte Untersteller ein, dass ein Windpark „fraglos ein massiver Eingriff in die Landschaft ist.“ Das aber sei der „Preis der Energiewende“. Der Ausstieg aus Atomkraft und Kohle sei unumkehrbar und notwendig. Ein Industrieland wie Baden-Württemberg aber sei auf Strom angewiesen. Daher brauche es Leitungen und eben auch dezentrale, regenerative Energieerzeugung vor Ort. Da seien diese 29 Millionen Euro, die die EWS in die Hand genommen habe, „eine Investition in eine klimafreundliche Zukunft, die ich begrüße“. Er blicke im Übrigen „lieber auf eine Windkraftanlage als auf ein Atomkraftwerk“.

Die offizielle Begrüßung übernahm der Schopfheimer Beigeordnete Ruthard Hirschner, da – so erläuterte Bürgermeister Christof Nitz – Hirschner in der Stadtverwaltung die „treibende und federführende Kraft“ bei diesem Vorhaben gewesen sei. Der Beigeordnete lobte die Projektträger – allen voran die beiden Geschäftsführer Tobias Tusch von der EWS-Energie GmbH und Oliver Renaud von der Enerkraft GmbH – für die gute Zusammenarbeit. Für dieses Investment von knapp 30 Millionen Euro habe man „in den Elektrizitätswerken Schönau eG den richtigen Partner gefunden“.

Die Bauarbeiten hätten die Natur und den Berg am Rohrenkopf verändert. „Das schmerzt manche Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Gersbach.“ Aber „Leben und Natur werden auch verändert durch das unsichtbare CO2, das bei der Verbrennung fossiler Energieträger entsteht.“ Umso wichtiger seien Beiträge zur Energiewende wie dieser Windpark. Nitz lobte EWS und Enerkraft ebenfalls für ihre „hochprofessionelle Arbeit“. Nicht zuletzt – so eine rhetorische Spitze gegen das Windkraft-Projekt Glaserkopf – hätten diese sich „frühzeitig Gedanken gemacht, wie man auf den Berg hochkommt.“ Nitz beglückwünschte die Projektträger zum „höchstgelegenen, südlichsten und ohnehin schönsten Windpark Deutschlands.“

Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer sprach vom „Windpark der Superlative“. Er sei nicht nur der südlichste, höchste „und hoffentlich ertragreichste“, sondern auch der „erste im Biosphärengebiet Südschwarzwald“ – und damit ein Beleg dafür, dass ein Biosphärengebiet eben keine Käseglocke sei, die über ein Gebiet gestülpt werde, sondern dass hier „der Mensch im Einklang mit der Natur in Wohlstand leben kann“. An die Adresse von Windkraftgegner stellte sie klar, dass ihre Behörde mitnichten alle Windkraftstandorte abnicke. Auch Landrätin Marion Dammann erklärte, dass das Landratsamt sorgfältig alle Belange abgewogen habe. Sie hätte sich gefreut, wenn Gersbachs Ortsvorsteher gekommen wäre. Ohnehin wünsche sie sich, dass nun, wo die Anlage in Betrieb ist, die Akzeptanz zunehme.

Betreiber nehmen Kritiker ernst

Ulrich Martin Drescher, Aufsichtsrat der EWS Schönau, wies darauf hin, dass der Windpark „die bisher größte Investition der EWS Schönau“ sei. Gerade wegen ihrer Geschichte als Stromrebellin nehme die EWS die Gegner des Projekts ernst und schätze kritische Diskussionen. Ausdrücklich wies er auf das Beteiligungsmodell hin, wonach in den nächsten drei Jahren Bürger drei Anlagen selber übernehmen können. EWS-Geschäftsführer Alexander Sladek machte nochmals deutlich, warum die Energiewende „zwingend notwendig“ sei. Die EWS-Gründerpioniere Ursula und Michael Sladek äußerten Verständnis für Kritik am Projekt im demokratischen Rahmen.

Als das Projekt angepackt wurde, sei man sich klar darüber gewesen, dass es „negative Nebenwirkungen geben könne“. Jedoch würden die Vorteile klar überwiegen. Nicht Windkrafträder, sondern der Klimawandel seien „der wichtigste Grund für das Artensterben“, mahnte Ursula Sladek. Daher müsse jede Möglichkeit ergriffen werden, nichtregenerative Energieerzeugung durch regenerative Formen zu ersetzen. Dies sei nebst dem Stromsparen – dem Ursprungsgedanken der EWS – der „beste Schutz für Pflanzen, Mensch und Tier“. Die beiden erinnerten daran, dass der EWS in Schönau auch einst Misstrauen entgegengeschlagen sei. Heute seien die Schönauer stolz auf die EWS – nun hoffen sie, auch das „Vertrauen der Menschen in Gersbach gewinnen zu können“. Die Windpark-Eröffnung sei ein „Tag der Freude“. Dies und die Chancen des Windpark würden hoffentlich auch die Gersbacher und die Gegner irgendwann erkennen.

EWS-Geschäftsführer Sebastian Sladek wies darauf hin, dass die EWS jetzt „Bürger Gersbachs“ geworden sei „und mindestens 20 Jahre bleiben wird – von mir aus gerne noch länger.“ Er betonte, dass die EWS versöhnungswillig und an einem freundschaftlichen Umgang interessiert sei. Beispielsweise sei geplant, einen Energielehrpfad zu errichten. Es könnten noch weitere gemeinsame Aktivitäten entstehen: „Unsere Hand ist ausgestreckt.“