Schopfheim Roswitha Ballmer und Wilfried Gronau öffnen bereitwillig ihre Wohnung im 8. Stock eines Hochhauses im Schlattholz. Sie haben sich zwei Jahre lang mit der Thematik befasst und sind jetzt Überzeugungstäter. Beide müssen schmunzeln, denn ein nieseliger Herbsttag ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt für eine Reportage über Sonnenkraftwerke.
„Sechs Watt heute“, schätzt Wilfried Gronau. Und Partnerin Roswitha Ballmer zückt sofort das Handy, öffnet die App und sagt: „Nein, es sind schon 30.“ Heutige Module bringen selbst bei wenig Tageslicht Leistung. Die Bewohnerin sagt über ihre neue Anschaffung: „Ein schönes Spielzeug“ – und korrigiert sich sofort: „Es ist natürlich viel mehr als das.“ Sehr viel eigene Energie hat das Paar investiert, um letztlich zum Ziel zu kommen und einen Teil des verbrauchten Stroms selbst zu erzeugen.
Die Hürden fangen bei einem Hochhaus mit 40 Parteien natürlich bei der Eigentümerversammlung an. „Anfangs hieß es erstmal ,Nein‘, als wir beantragten, ein Balkonkraftwerk zu installieren“, erinnert sich Roswitha Ballmer. Inzwischen fiel ihnen auf, dass auf den Dächern ringsum immer mehr PV-Anlagen installiert waren. „Wir kommen aus Berlin, da haben wir bald erkannt, dass es hier Sonnenschein im Überfluss gibt“, beobachtete das Paar: „Wenn hier nicht Photovoltaik, wo dann?“ Bei der nächsten Eigentümersammlung gab es dann das Okay der Gemeinschaft, zumal der Gesetzgeber inzwischen grünes Licht für die grüne Energie gegeben hat: „Heute kann man Balkonkraftwerke nicht mehr verbieten“, so die beiden: „Der Hausverwalter hat nur festgelegt, dass es eine einheitliche schwarze Tönung der PV-Module geben muss.“
Die nächste Sorge neben der Optik galt der Sicherheit. Halten die Befestigungen auch bei Wind? Was muss alles berücksichtigt werden? Die zugezogenen Schopfheimer wollten es nicht dem Zufall überlassen und traten dem „Bürgerverein für eine klimaneutrale Stadt“ bei. „Der Verein hat uns sehr viel geholfen, weil das Thema Photovoltaik noch nicht reif für Hochhäuser war“, berichtet Wilfried Gronau. Seine Frau erinnert sich noch gut, wie man eine hiesige Elektrofachfirma für einen Kostenvoranschlag kontaktierte. Fazit: „Die wussten noch weniger als wir.“
Dann erhielten die Schopfheimer Solarfreunde über den „Bürgerverein für eine klimaneutrale Stadt“ einen Kontakt zu einer Spezialfirma in Freiburg. „Ab da war‘s ein Vergnügen“, erzählen sie. Von der 800-Watt-Anlage mit integriertem Spannungsumwandler bis zur hochhausgerechten Betonbalkon-Halterung war alles plötzlich erhältlich. „Bombenfest ohne Bohren“, sagt er. „TÜV-geprüft bis Orkan-Stärke 3“, ergänzt sie. Den Luxus, die Anlage installieren zu lassen, gönnte sich das Paar. Außerdem als Zusatz einen Stromspeicher mit einer Kapazität von fast zwei Kilowattstunden. Der Speicher zum Preis von knapp 1000 Euro wird sich zwar nie amortisieren, das ist den beiden natürlich klar. Dafür sind sie aber auch bei Stromausfall eine Weile autark: „Der Speicher ist eigentlich nur für Leute sinnvoll, die tagsüber nicht zu Hause sind.“
Zwei weitere Mitbewohner im Hochhaus haben inzwischen mitgemacht. Ein junger Mann, der das Balkonkraftwerk selbst installierte, zahlte weniger als 500 Euro für die vier Panels mit je 200 Watt Leistung und hat die Anschaffung binnen kurzer Zeit heraus: Im sonnenreichen Süden kann man mit 560 Kilowattstunden Jahresertrag rechnen, was rund 235 Euro an eingesparten Stromkosten ausmacht. Das heißt: Schon nach nur rund zwei Jahren hat sich die Investition bezahlt gemacht. Da der Nachbar keinen Stromspeicher hat, muss er sein Nutzerverhalten an den Sonnenschein anpassen. Energiefresser wie Waschmaschine und Spülmaschine sollten dann laufen, wenn die Sonne lacht. Die zeitliche Programmierung der Geräte erleichtert die optimale Nutzung zum Zeitpunkt des Sonnenscheins. Aber Wilfried Gronau weiß, dass hier der Hase im Pfeffer liegt: „Manche Menschen sind zu bequem, um ihr Verhalten zu ändern.“ Roswitha Ballmer betont: „Es geht aber darum, dass jeder etwas für die Energiewende beiträgt.“
Auch im 8. Stock des Hochhauses hat bereits eine Verhaltensänderung eingesetzt: „Früher habe ich den 100-Watt-PC morgens angestellt und spätabends aus“, gesteht Gronau: „Und das Licht brannte früher permanent in allen Zimmern.“ Das ist jetzt vorbei. Die App auf dem Handy von Roswitha Ballmer hat ihr gezeigt, dass Steckdosen selbst im Standby Strom fressen. Jetzt hoffen die Hochhaus-Bewohner, dass noch möglichst viele Nachbarn ihren Vorstoß übernehmen und die Kraft der Sonne nutzen.