Wenn Baden-Württemberg flächendeckend zum neunjährigen Gymnasium (G9) zurückkehrt, heißt das für G8-Gymnasien: ein Schuljahr mehr, ein weiterer Jahrgang und damit mehr Platz- und Lehrerbedarf. Folglich muss auch der Bildungsplan angepasst werden. Doch was ist mit den 44 Modellschulen im Land, die jetzt schon einen neunjährigen Weg zum Abi anbieten – so wie das Schopfheimer Theodor-Heuss-Gymnasium (THG), das 2013 auf den G9-Zug aufsprang?
Zwar ist derzeit vieles in der Schwebe. Claudia Tatsch (63), die das THG seit 2017 leitet, geht aber davon aus, dass dieser Schritt auch das Ende des Modellversuchs bedeute. „Ein Sonder-G9 in einer flächendeckenden G9-Landschaft würde sich schwer erklären lassen.“ Umgekehrt eigne sich aber auch das Modellschul-G9 nicht, um es einfach auf die G8-Schulen zu übertragen. Tatsch: „Wir sind ja eine Art Zwitter.“
Die Modellschulen haben keine gesonderten Bildungspläne. Vielmehr habe jede Modellschule eigene Konzepte, wie der G8-Bildungsplan auf neun Jahre verteilt wird – sprich Fächer gestreckt oder zeitlich verschoben werden. Tatsch geht zwar davon aus, dass die Modellschulen noch zu ihren Erfahrungen befragt werden, „das neue G9 wird aber sicher nicht unser G9 sein“. Eine Rückkehr zu G9 bedeute schließlich, dass mehr Lehrkräfte benötigt werden, die in diesem Ausmaß aber nicht in Sicht seien. Deshalb werde der Bildungsplan auch unter diesem Aspekt überarbeitet werden müssen – Stichworte: selbstständiges Lernen, Projektarbeit, Digitalisierung.
Es sei wichtig, die Auswirkung auf andere Schularten einzukalkulieren, so Tatsch. Die Gemeinschaftsschulen etwa seien auch deshalb entstanden, um Kindern einen alternativen neunjährigen Weg zum Abitur anzubieten. „Man muss daher das ganze Pferd anschauen und nicht nur einen Huf.“ Vor diesem Hintergrund und auch weil sie es generell für sinnvoll hält, plädiert Tatsch dafür, dass die Grundschulempfehlung wieder verbindlichen Charakter erhält: „Es gibt schon Kinder, die keine Empfehlung fürs Gymnasium haben und dennoch ihren Weg machen. Deutlich mehr dieser Kinder aber haben Schwierigkeiten, zumindest beim Start. Kinder wollen aber Erfolge haben und nicht Misserfolge.“
Allerdings geht Claudia Tatsch nicht davon aus, dass das neue G9 so schnell kommen wird, wie derzeit geplant – also zum Schuljahr 2025/26. Wahrscheinlicher sei es, so Tatsch, die schon einige Bildungsplanreformen mitgemacht hat, dass es wegen des Vorlaufs eher noch zwei Jahre dauern wird – mindestens. Beim Bildungsplan und bei der Pädagogik werde sich das THG sicher auf Änderungen einstellen müssen.
Und was ist mit den Schülerzahlen am THG? Diese sind in Schopfheim seit Jahren ein Politikum. Der Modellschul-Charakter gibt dem THG seit 2013 ein regionales Alleinstellungsmerkmal und macht die Schule für auswärtige Schüler zusätzlich interessant. Gleichzeitig pocht der Gemeinderat aufgrund der komplett ausgereizten räumlichen Kapazitäten auf eine Obergrenze von maximal fünf Klassen pro neuem Jahrgang, also maximal 150 Schülern. Eine erneute Erweiterung der Schule lehnt er ab. Gerade einmal elf Monate ist es her, dass der Gemeinderat nur unter der Bedingung, dass diese Fünfzügigkeit eingehalten werde, grünes Licht für eine Fortsetzung des G9-Schulversuchs gab.
Was also würde es nun bedeuten, wenn das THG sein G9-Alleinstellungsmerkmal verliert? Brechen dann die Zahlen ein, wenn G9 wieder die Regel ist? „Ich halte das für unwahrscheinlich“, sagt Tatsch. Zum einen: „Das THG war ja auch schon vor dem Schulversuch immer gut besucht.“ Zum anderen werde laut Schülerzahlprognose auch in den kommenden Jahren allein aus Schopfheim viele Kinder auf weiterführende Schulen wechseln. Im Schuljahr 2025/26 werden es zum Beispiel um die 200 sein. Erfahrungsgemäß liege die Übergangsquote aufs THG bei mehr als 50 Prozent. Tatsch: „Das allein wären schon mehr als 100 Kinder.“
Tatsch geht zudem nicht davon aus, dass das Interesse aus dem Einzugsgebiet des THG merklich sinken werde. Ein Blick auf die aktuelle Jahrgangsstufe Fünf zeigt: Von 148 Schülern kommt fast die Hälfte von auswärts: aus Wehr (21), Maulburg (16), Hasel (3), Steinen (18), Rheinfelder Ortsteile auf dem Dinkelberg (6), Schwörstadt (6), Hausen (3), Kleines Wiesental (2), Zell (3) und Lörrach (1). G9 spiele dabei sicher eine Rolle – vor allem falle aber auch der ÖPNV ins Gewicht. Schopfheim sei für Schüler aus diesen Orten einfach besser erreichbar als andere Gymnasien in der Umgebung, sagt Tatsch.
Und wie sieht sie selbst die Umstellung? „Als Lehrer stellen wir fest, dass man etwa mit einem Dreizehntklässler anders diskutieren kann als mit einem Zwölftklässler. Ein Jahr macht in diesem Alter schon was aus in der Entwicklung.“