Gut drei Jahre nach der Aufnahme von Großadmiral Alfred von Tirpitz 1916 in die Reihe der St. Blasier Ehrenbürger entscheiden sich Bürgermeister und Gemeinderat für ein wirkliches „Kontrastprogramm“. Nach dem Flotten- und auch Kriegsplaner wird ein damals schon und erneut in unseren Zeiten bewunderter und geliebter Vertreter der schönen Künste zur höchsten kommunalpolitischen Ehre erhoben.
Der in St. Blasiens Nachbargemeinde Bernau 1839 geborene Kunstmaler und Akademieprofessor Hans Thoma – von 1899 bis 1916 Direktor der Kunsthalle in Karlsruhe – wird anlässlich seines 80. Geburtstages im Herbst 1919 zum Ehrenbürger der Domstadt ernannt. Es ließe sich nun trefflich spekulieren über eine mögliche Ausgleichsfunktion dieser Ehrenbürgerschaft zur vorausgegangenen. Der Zusammenhang ist aber ein klein wenig anders.
Der Bernauer Musensohn hatte im Kurstädtchen St. Blasien finanziell gut gepolsterte und einen politisch einflussreichen Förderer gefunden – und zu allem hin die Gunst des Großherzogs. Hans Thoma schreibt dazu in seinen Erinnerungen „Im Winter des Lebens“: „Der Großherzog sagte Unterstützung zu, und einige Gönner in St. Blasien ermöglichten es mir, dass ich für die ersten zwei Monate gesichert, im Oktober 1859 in die Kunstschule eintreten konnte.“
1898 schickt Großherzog Friedrich I. zudem das Ritterkreuz I. Klasse vom Zähringer Löwenorden, so dass Thoma zur späteren Dankesaudienz in St. Blasien erscheint.
Wer waren nun die erwähnten Förderer? Zum einen der Apotheker Karl Otto Romer, zusätzlich seit Mitte Mai 1859 für rund eineinhalb Jahre amtierender Bürgermeister. In der Funktion als Gemeindechef knüpft er enge Bindungen zum Bezirksamtmann Otto Sachs (Amtszeit 1855-1860).
Zu Erinnerung: Das Bezirksamt mit Sitz in St. Blasien war im Zuge der Neuordnung nach der Zwangsauflösung des Klosters eingerichtet worden. Der Bezirksamtmann hatte naturgemäß wiederum enge Kontakte zur großherzoglichen Regierung in Karlsruhe.
Weitere, ungenannte finanzielle Gönner und Fans des Bernauer Künstlers knüpfen über etliche Jahrzehnte hindurch die Fäden für das Netz, in dem sich Hans Thoma zur Feier seines achten Lebensjahrzehnts als St. Blasier Ehrenbürger findet. Über die Jahrzehnte, seinen Tod 1924 und den letzten Krieg hinweg ist die Stadt an der Alb Hans Thoma treu geblieben. Mit der Erschließung eines neuen Bau- und Wohngebiets wird ihm in den ausgehenden 1950er Jahren mit einem geschnitzten Schild (so wie damals vielfach im Ort) der Hans-Thoma-Weg gewidmet. Das künstlerische Schild ist (wie alle anderen auch) leider ausrangiert, das Ansehen des Ehrenbürgers Hans Thoma ist geblieben.