Thomas Mutter

Der lange als erster, inzwischen als zweiter Ehrenbürger gezählte Felix Hecht bietet Stoff für gewisse Verwunderung, Überraschung und am Ende tiefe Betroffenheit. Unter den 17 Ehrenbürgern von St. Blasien hat er eine Ausnahmestellung, wie zu sehen sein wird.

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Wir bewegen uns in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in einer mehr oder weniger streng gegliederten, erzkonservativen und kaiserlich-militaristisch angehauchten St. Blasier Gesellschaft. Ihre gemeindlich-politischen Vertreter beschließen Ende des Jahres 1873 die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an einen Herrn Felix Hecht, späterer Direktor an der Rheinischen Hypothekenbank in Mannheim.

Jüngling mit 26 Jahren

Darunter darf man sich für die damalige Zeit einen würdigen, gepflegten, Distanz und Autorität ausstrahlenden älteren Herrn vorstellen – so wie es der Kopf des Fotos vermittelt. Aber weit gefehlt – Felix Hecht war zum Zeitpunkt der Verleihung gerade einmal 26 Jahre alt beziehungsweise jung. Man darf sich die Augen reiben. Ein blutjunger Finanzmann, der übrigens nicht einmal in der Gemeinde wohnt (was allerdings keinen Hindernisgrund für die Erhebung in den Ehrenbürgerstand darstellt), wird zum Ehrenbürger erhoben „in Anerkennung seiner auf die Verbesserung der gewerblichen Verhältnisse in Sankt Blasien und dem Bezirk gerichteten Bestrebungen und Bemühungen“.

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Was hatte er also Bahnbrechendes entschieden und getan, um als reifer Jüngling in die höchste Ehrenklasse einer Gemeinde aufzusteigen – und das eben in der eingangs skizzierten Honoratiorengesellschaft? Aus dem Klostererbe war der „Klostergasthof“ (heute verkürzt „Klosterhof“) in Privatbesitz gelangt; der Eigentümer erbaute noch gegenüber links der Alb das Haus Friedrich-Luisen-Ruhe (in dem der Großherzog erstmals abstieg, dann Vorläufergebäude der heutigen Sparkasse). Beim Übergang auf die Kinder gerieten beide gastronomischen Betriebe ins Straucheln. Zeitgleich, ausgelöst eben durch die „Weihe“ des Großherzogpaars, keimte das zarte Pflänzchen Kurort. Diese Entwicklung sollte nicht früh ersticken.

Retter in der Not

Zum Retter in der Not wird der aufmerksame und engagierte Mannheimer Kurgast Felix Hecht, der die Häuser betriebswirtschaftlich saniert, Stundungsvergleiche aushandelt und in die Betriebe wieder Belegung und Belebung bringt. Die behobene Angst vor dem Scheitern des jungen Kurorts war für die Gemeindeväter Leistung genug, ohne Zögern einem sehr jungen Kurgast die höchste Auszeichnung zu verleihen.

Felix Hecht stirbt 1909 mit 62 Jahren. Das Ehepaar Hecht war jüdischen Glaubens, seine Ehefrau Helene (Sara) ereilt das Schicksal des NS-Rassenwahns. Mit 86 Jahren wird sie auf den Todesweg ins Konzentrationslager Gurs am Rande der Pyrenäen in Südfrankreich gezerrt.