Thomas Mutter

Zum Fürstabt-Martin-Jubiläumsjahr, das wegen der Umstände nicht gefeiert werden kann, haben wir bereits fünfmal den Scheinwerfer auf den überragenden Klostervorsteher der St. Blasier Benediktinerära gerichtet. In der aufmerksamen Leserschaft mag der, die ein oder andere sich nach dem Verbleib des Doms in dieser Würdigungsreihe gefragt haben. Hier ist er – aber es soll nicht unterschlagen werden, dass es auch ab und zu Stimmen gibt, die der gehäuften Beschäftigung mit dem sensationellen Bauwerk überdrüssig sind.

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Vielleicht können sich beide Meinungsparteien in der Mitte treffen bei der doch entscheidenden Frage: Was wäre St. Blasien ohne den Dom, ohne die ehemalige Klosteranlage und das daraus hervorgegangene Jesuitenkolleg? Die 1783 eingeweihte Kuppelkirche mit ihren 62 Metern Gesamthöhe ist zwar ein Alleinstellungsmerkmal St. Blasiens in Deutschland, in Europa und letztlich auf der Welt.

Denn nirgends verfügt ein Ort vergleichbarer Größe und auch nur ähnlicher Topografie über eine Kuppelkirche dieser Ausmaße, dieser Ausgestaltung und des „ideologischen“ Hintergrunds, wie sie für den von Fürstabt Martin Gerbert vor rund 250 Jahren veranlassten Kuppelbau erfassbar sind.

Die in einem guten Jahrzehnt zwischen 1771 und 1783 errichtete Rundkirche mit nach Süden anschließendem Chorschiff für den Gottesdienst der Mönche war und bleibt schlichtweg und umso eindrücklicher eine innerkirchliche und architektonische Revolution.

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Nach der Zerstörung der barocken Vorgängerkirche etwa am selben Platz (aber liturgisch korrekt nach Osten ausgerichtet) blieb dem fürstlichen Bauherrn nur der Platz innerhalb des vorgegebenen Klostergevierts. Es bot sich nur die liturgisch damals wie heute eigentlich nicht erlaubte Kirchenausrichtung Nord-Süd an. Der gegen Vorschriften und Obrigkeiten auch einmal rebellierende Martin II. scherte sich darum wenig. Der erste revolutionäre Akt, von der päpstlichen Verwaltung nicht in Erfahrung gebracht oder stillschweigend geduldet, war vollzogen.

Die eigentliche geistige Umwälzung und bis heute für die Besucher anhaltende Sensation, betont und verstärkt durch die gewaltige Restaurierung zum 200-jährigen Weihejubiläum 1983, ist der kultur- und geistesgeschichtliche und natürlich auch architektonische Hintergrund des Martin-Gerbert-Doms. Das rund 2000 Jahre alte römische heidnische Pantheon (für alle Götter der vorchristlichen Welt erstellt), später zur christlichen Kirche S. Maria Rotonda geweiht, faszinierte den Besucher Martin Gerbert über die Maßen. Vielleicht wuchs in ihm gleich der Gedanke, dass in der Weite des Raums die Größe Gottes schneller und direkter erfahrbar sein könne als in den traditionellen, oftmals auch dunklen Kirchenbauten. Mit der zusätzlichen Lichtfülle hat das Restaurierungskonzept für den St. Blasier Dom vor knapp 40 Jahren noch einen weiteren, unübertrefflichen Akzent gesetzt.

Den Schicksalsschlag des Kloster- und Kirchenbrands 1768 nutzte Martin Gerbert als Wink, die gespeicherte Idee eines Kuppelbaus, durchaus problematisch und keineswegs ideal in einem tiefen Taleinschnitt, umzusetzen. War einst der römische Rundtempel für viele oder auch alle Götter vorgesehen, so sollten im Dom viele um das Kloster, den Benediktinerorden und die blasianische Region verdiente Heilige verehrt werden.

Gelungenes Bauwerk

Nahezu zweifelsfrei kann zum 300. Geburtstag des Bauherrn bilanziert werden, dass dem überragenden Klostervorsteher Martin Gerbert die Errichtung eines „neuen Pantheons“ auf dem Schwarzwald gelungen ist. Der für den Landstrich revolutionäre Kirchenbau sollte sich theologisch gewiss nicht auf die Verehrung von etlichen Heiligen beschränken, sondern den einen Gott der Christen näher bringen. Die Mehrzahl der gläubigen Besucher vollziehen diesen Anspruch, die glaubensfernen Betrachter können sich zumindest der schlichten Feierlichkeit des Raumes nicht entziehen.