Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen am öffentlichen Leben rückt verstärkt in den Blickpunkt von Verwaltung und Gemeinderat. Andrea Barth, Familienbeauftragte der Stadt Stühlingen, legte den Finger in die Wunde, als sie in ihrem Jahresbericht feststellte: „Bei der Entwicklung und dem Aufbau von Strukturen ist es fast schon fünf nach zwölf! Die Generation 16 plus haben wir schon verloren.“ Sie betonte, dass es jetzt einen langen Atem braucht, um Konzepte zu verwirklichen.

Was wird aus der Jugendbeteiligung?

Janine Herr kümmert sich um die künftige Beteiligung von Kindern und Jugendlichen am Leben in der Kommune. Sie soll nach den Vorstellungen von Rathauschef Joachim Burger auch der Motor dieser Initiative sein. Am Workshop beim Politiktag hatten sich noch 350 Schüler beteiligt, neun Jugendliche wollen nun beim Aufbau von Formen der Beteiligung mitwirken, erklärte Janine Herr.

Eine Arbeitsgemeinschaft und die Schüler-Mitverwaltung (SMV) sollen sich zweimal im Jahr treffen, um Vorschläge zu erarbeiten. Diese sollen in einem Jugendforum ausgearbeitet werden. Dort sollen auch Jugendvertreter gewählt werden, die sich einmal im Jahr mit Vertretern aus dem Gemeinderat (jeweils zwei aus jeder Fraktion) treffen, um Empfehlungen für Beschlüsse an den Gemeinderat zu formulieren.

Wie werden Familien erreicht?

„Das Verantwortungsbewusstsein hat nachgelassen“, stellt Andrea Barth fest. In der Vergangenheit habe man manches angestoßen, aber es sei nichts passiert. Ein Lösungsansatz sei, Kinder und Jugendliche in Entscheidungsprozesse und die Umsetzung von Projekten einzubinden. „Wichtig ist, dass ihre Meinung ernst genommen wird“, betont die Familienbeauftragte.

Was macht eine lebenswerte Gemeinde aus?

„Leere Schaufenster machen Angst“, sagt Andrea Barth. Bestandserhalt und Wachstum seien wichtig. Wünschenswert sei, dass junge Unternehmer im Handels- und Gewerbeverein aktiv sind, andere Sichtweisen seien wichtig. „Familien wollen in einem pulsierenden Ort leben, in dem etwas getan wird!“

Familienbeauftragte Andrea Barth legte einen Bericht der Aktivitäten aus dem vergangenen Jahr im Gemeinderat vor. Dazu gab es von ihr ...
Familienbeauftragte Andrea Barth legte einen Bericht der Aktivitäten aus dem vergangenen Jahr im Gemeinderat vor. Dazu gab es von ihr ein Konzept für Akzente, die zukünftig gesetzt werden könnten. | Bild: Gerald Edinger

Was passt zu Stühlingen?

„Wir haben ziemlich viel, nur keiner weiß es“, stellt Andrea Barth fest. Diese Vereinswelten, Handel- und Gewerbe, Kultur- und Erlebniswelten, kommunale und kirchliche sowie private Angebote gelte es nun unter dem Dach der „Fan-Arena“ zu vereinigen. Andrea Barth machte deutlich, dass es kein Familienzentrum nach dem Vorbild von Lauchringen geben soll. Sie denkt an ein „Lotsenmodell“ als Familien-Netzwerk. Wenn die Caritas Hochrhein mit ins Boot genommen werde, könne es Fördermittel geben.

In einer mobilen Info-Box (Bauwagen) soll es offene Sprechstunden für Familienfragen geben. Hier könnten auch Angebote zur Unterstützung gemacht werden, Betreuung und Freizeitgestaltung angeboten werden. „Und wir brauchen ein Maskottchen“, forderte Andrea Barth die Gemeinderäte zum aktiven Mitmachen auf. Sie könne sich eine Anlehnung ans „Stühlinger Männle“ vorstellen.

Was sind die nächsten Schritte?

Jetzt brauche es Schnittstellen für die Kommunikation, einen Stellplatz für einen Bauwagen, den Jugendlich nutzen können. Einen Mitvertrag für den Jugendraum hinter der Firma Scherzinger. Dabei sollen nur Kinder von zwölf bis 16 Jahre diese beiden Angebote nutzen können.

Es sollen Standorte für Werbe-Litfaßsäulen in der Stadt gefunden werden. Ein Shuttle-Bus könnte angeschafft werden, um die Jugendlichen zu Veranstaltungsorten zu bringen. Eventuell sollte ein Sozialpädagoge angestellt werden. Andrea Barth forderte dazu auf: „Allen muss bewusst werden, dass wir alle Stühlinger sind – alle sind gefordert, wir brauchen jeden. Es würde mich freuen, wenn das Konzept von allen mitgetragen würde!“

Stimmen aus dem Gemeinderat

Unterstützung aber auch kritische Anmerkungen gab es aus den Reihen des Gemeinderates zum von der Familienbeauftragten Andrea Barth vorgestellten Konzept zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen am öffentlichen Leben.

  • Joachim Burger, Bürgermeister: „In diesem Konzept steckt viel Herzblut. Ich denke, dass sich die Stadt in diesem Bereich auf den Weg machen sollte. Man muss etwas wagen, wir sollten Familien eine Plattform bieten“, erklärte Burger. Kostenlos werde das für die Kommune aber nicht gehen.
  • Klaus Buntru, CDU: „Ich tue mich schwer mit solchen Dingen, weil ich eine Generation weiter bin. Ich habe Sorge, dass die Jugendlichen nicht mitzunehmen sind.“ Man müsse auf jeden Fall junge Eltern einbinden. Bedenken hat er beim Bauwagen, wo es viel Vorschriften gebe.
  • Corinna Pieper, CDU: „Das Konzept ist super. Aber man darf nicht erwarten, dass alle mit Elan und Euphorie dabei sind, da brauchen wir einen langen Atem, um etwas aufzubauen.“ Mit etwas gutem Willen gebe es Wege, das Projekt zu begleiten.
  • David Geng, FW: „Ich bin überrascht, wie viel schon getan wurde. Aber ich behaupte, wir sind nicht so schlecht, wie wir gemacht werden. Die Landjugend Bettmaringen ist ein positives Beispiel.“ Die bringe sich ins dörfliche Leben ein, organisiere sogar den Seniorennachmittag eigenständig.
  • Wolfgang Löhle, FW: „Das sind sehr gute Ideen. Das Wichtigste ist, ein Zugpferd vorne dran zu haben, das Jugendliche und Gemeinderat auf Spur bringt. Bei der Umsetzung des Konzepts ist es egal, ob ein Gemeinderat 25 oder über 60 ist.