Was macht eigentlich ein Pfarrer in seiner Freizeit? Wie verbringt er seinen Ruhestand? Diese Frage beantworten die Pfarrer-Senioren aus dem Wutachtal: Hans-Jürgen Allgaier (86 Jahre) aus Eggingen, Karl Boll (91) aus Ofteringen und Bernd Zimmermann (79) aus Stühlingen. Alle drei tragen den Titel „Pfarrer im Ruhestand.“
- Von Raketen, Spionen und Zeitmessern: Pfarrer Hans-Jürgen Allgaier erinnert sich zurück, wann sein Hobby „Uhren„ bauen begonnen hatte. An Silvester in seinem ersten Jahr als Seelsorger in Eggingen 1969 war er wie seine Mutter bereits um 22 Uhr ins Bett gegangen, da am nächsten Morgen bereits um 7.30 Uhr die Frühmesse gefeiert wurde. Wie es der Zufall wollte, hatten beide verschlafen, die Ordensschwester hatte fünf Minuten vor Beginn des Gottesdienstes am 1.Januar 1970 Sturm geklingelt und leicht verspätet musste er den Weg durch die Kirchenbänke antreten: „Da gab es lauter grinsende Gesichter, alle dachten, ich hätte Silvester ausgiebig gefeiert!“ Dieser Moment bleibt ihm bis heute unvergesslich: „Von dort hin hab´ ich geweckt!“ Als seine Mutter verstorben war, nahm er als neues Hobby das Bauen von Uhren mit auf.
- Eine seiner selbstgebauten Uhren stellt einen Violinschlüssel dar, die Pfarrer Hans-Jürgen Allgaier der Organistin Maria Blum zum 40-jährigen Jubiläum selbst gebaut hatte und noch immer auf die Sekunde genau läuft. Dass er einmal als Spion während des Kalten Krieges in den 70er Jahren verdächtigt wurde, liegt daran, dass er auch eigene Radios gebaut hatte. Der Kriminalpolizei aus Wiesbaden erschien seine Bestell-Liste verdächtig, zumal er an der Schweizer Grenze wohnt und besuchte ihn in Eggingen. Schnell ließ sich alles aufklären, der Verdacht hatte sich nicht erhärtet. Die Funklizenz hätte er wie sein Vorgänger gerne gemacht, erhielt jedoch keine Erlaubnis, es hieß damals: „Sie haben andere Aufgaben.“ Auch heute noch interessiert sich der „Raketenpfarrer“ für die Raumfahrt und hält sich auf dem aktuellen Stand über aktuellen Entwicklungen um die NASA und Elon Musk.
- Schildkröten, das Christusfest und die Musik: Pfarrer Bernd Zimmermann genießt während seines Ruhestands vor allem eines: Seinen Balkon in der Bahnhofstraße in Stühlingen. Dorthin trägt er morgens seine fünf Pantherschildkröten, die nur bei ihm handzahm sind und gerne um ihn herumwuseln, während er seine Leidenschaft pflegt und Literatur liest. Nun hat er Zeit dafür und holt nach, wofür seit seinem Germanistik-Studium keine Zeit war. Bis auf die 15-jährige Stella hat er alle selbst gezogen, damals entsetzte ihn das Geschenk eines Freundes, nun möchte er seine vierbeinigen Gefährten nicht mehr missen. Gerne erinnert er sich an seinen letzten Kindergottesdienst zu Weihnachten, den er in Litzelstetten gefeiert hatte. Genau zu dieser Zeit war Chris, heute ist sie größer und wird Christine genannt, aus dem Ei des Brutkastens geschlüpft.
- „Die Schildkröte Christine ist sehr umgänglich, sie sind alle ganz zahm mir gegenüber, sie ziehen sich nicht zurück, wenn ich sie in die Hand nehme.“ Besonders stolz ist er heute noch auf seine zehn Jahre als Gymnasiallehrer, denn er wurde von den Schülern immer wieder zum Vertrauenslehrer gewählt. Der Kontakt zu den Schülern ermöglichte es ihm damals auch, neben Chorälen auch fit in Sachen Rock und Pop zu sein und zeitgenössische Musik zu unterrichten. Der gebürtige Stühlinger freut sich über die vielen Besucher, die er während seiner Jahre als Lehrer und Pfarrer aufwachsen sah, und die immer noch gerne den Kontakt zu ihm pflegen.
- Da sein für seine Mitmenschen: Aufgrund des Zölibats leben zwei der drei Seelsorger alleine und versorgen sich selbst. Pfarrer Karl Boll jedoch lebt in der Hausgemeinschaft des Klosters Marienburg Ofteringen. Gemeinsam beten, arbeiten und essen die fünf Schwestern und der Seelsorger unter einem Dach, gewohnt wird selbstverständlich getrennt. Schwester Gertrude Keller (74) ist eine der beiden Schützlinge, für die er Verantwortung trägt seit vielen Jahren und mit der er im Alter viel Zeit verbringt. Sie ist die einzige der Schwestern Benediktinerinnen, die noch im Kloster leben.
- Schwester Franziska lebt im Pflegeheim Stühlingen und Altpriorin Schwester Scholastika verbringt ihren Lebensabend im Kloster Reute in Bad Waldsee. Die vier Schwestern Passionistinnen aus Polen Klara Czarnecka (45), Daniela Kucz (41), Ismaela Kuchna (51) und Elisabeth Korzonek (81) lösen seit bereits elf Jahren nach und nach die Benediktinerinnen ab.
- Gottesdienste im Rentenalter: Alle drei Pfarrer im Ruhestand unterstützen die Seelsorgeeinheiten Eggingen-Stühlingen Heilig Kreuz und Klettgau-Wutöschingen und zelebrieren noch regelmäßig Gottesdienste. Pfarrer Boll liest täglich die Messe im Johannesraum des Wächterhauses des Klosters Marienburg Ofteringen, da hier Abstand möglich ist. Dennoch feiert die Klostergemeinschaft inklusive Hausmeister Martin Bröcheler nicht öffentlich. Jeden Sonntag zelebriert Pfarrer Hans-Jürgen Allgaier die Messe in der Kirche St. Gallus Eggingen, außerdem wochentags am Montag und Freitag, demnächst auch am Donnerstag. Ab August fängt wieder die Krankenkommunion an. Pfarrer Bernd Zimmermann ist ebenfalls im Rentenalter noch freiwillig aktiv und liest jeden Sonntag die Messe. Er möchte allerdings im Alter nicht mehr weite Strecken fahren, deshalb bevorzugt er die Kirche Heilig Kreuz in Stühlingen.

- Umgang mit der Historie: Da zwei der drei Pfarrer-Senioren ihren Alterswohnsitz am früheren Wirkungsort aufschlagen konnten, führen sie die seit Amtsantritt übernommene Chronik ununterbrochen fort. Pfarrer Hans-Jürgen Allgaier freut sich, dass auch Bürgermeister Karlheinz Gantert oft in seinen ersten Jahren im Amt gerne zum Nachschlagen ins Pfarrhaus gekommen war. Für jedes Jahr gibt es einen dicken Leitz-Ordner. Mittlerweile stehen 51 Ordner im Pfarrbüro Eggingen alleine aus der Zeit seit dem Amtsantritt Allgaiers von 1969. Pfarrer Karl Boll ist derzeit am Jahr 2016 dran und überträgt seine Notizen ins Reine: „Das ist eine Dauerbeschäftigung, die Geschichte des Klosters weiterzuführen“, erläutert er. Er wünscht sich, dass auch nach seinem Ableben und dem der Schwestern die ewige Anbetung unbedingt weitergeführt wird. Die Klostergemeinschaft im Kloster Marienburg Ofteringen sowie eine Reihe von Gläubigen aus der Region wechseln sich seit der Gründung im Juni 1862 mit dem ewigen Gebet ab.