Am 1.¦Januar 1975 übernahm Karl Sternadl die Amtsgeschäfte der neugebildeten Gemeinde Ühlingen-Birkendorf. Als Architekt der Gemeinde hatte er mit Ausdauer und politischem Geschick die heutige Konstellation mit den acht Ortsteilen erreicht. Sein Name ist untrennbar mit der Entwicklung und dem Wachstum der Vier-Täler-Gemeinde verbunden.
Deren Neuordnung war eine der größten Errungenschaften seiner Laufbahn. In der Biografie von Thomas Baur, ist Karl Sternadls kommunalpolitisches Wirken von 1949 bis 1999 und die wechselvolle Geschichte von Ühlingen-Birkendorf unterhaltsam und spannend beschrieben. Das Buch erschien im März 2000 bei Huber GmbH, Offenburg.

Karl Sternadl war von Ühlingens Wählern und von den bereits dazugehörenden Ortsteilen Hürrlingen, Obermettingen und Riedern am Wald (1972) wiedergewählter Bürgermeister. Untermettingen kam 1974 als fünfter Ortsteil hinzu und ab dem Jahr 1975 Berau, Birkendorf und Brenden. Die Gemeinde führte als Zugeständnis an den größten Ortsteil Birkendorf den Doppelnamen Ühlingen-Birkendorf und wurde zudem flächenmäßig die zweitgrößte Gemeinde des Landkreises Waldshut.
Der Neuanfang war für die Verwaltungsmitarbeiter ein Umbruch. Personal, Akten, Personenstandsbücher, Einwohnerkartei, Grundbücher, Schreibmaschinen, Büromaterial und alles Wichtige aus den Rathäusern der Ortsteile wechselten ins Ühlinger Rathaus. Der Umzug ging geordnet vonstatten. Die Bürgermeister der ehemals selbstständigen Gemeinden waren jetzt Ortsvorsteher und Karl Sternadl Bürgermeister für alle.
Mit Stolz trug er bei allen offiziellen Anlässen die Amtskette und legte Wert darauf, mit „Herr Bürgermeister“ angesprochen zu werden. Rechnungsamtsleiter Otto Müller aus Ühlingen war sein engster Berater. Annemarie Hermuth war Bürgermeister-Sekretärin und die Seele im Rathaus, die für jeden ein offenes Ohr hatte. Lothar Isele aus Brenden wurde Hauptamtsleiter und Herbert Bichlmeier aus Untermettingen Leiter des Einwohner-, Standes-, Bau- und Wahlamts.
Die beiden waren federführend beim Aufbau der Verwaltung der Gesamtgemeinde. Die Kassengeschäfte führte davor schon Gemeinderechner Günther Brogle aus Ühlingen. Robert Böhler aus Hürrlingen war seit 1962 bei der Gemeinde Hürrlingen und Untermettingen in Teilzeit in Kasse und Rechnungsamt tätig und wurde Mitarbeiter von Otto Müller. Die Ratschreiber Hubert Morath aus Riedern und Erich Albrecht aus Birkendorf übernahmen die Aufgaben des Grundbuchamts, das im alten Schulhaus untergebracht war. Mit Walter Freundel und Ursula Ortlieb aus dem Rathaus Birkendorf und Ernst Isele aus Berau kam Verstärkung. Annemarie Stritt wurde im April 1975 und einige Monate später Luzia Kaiser für das Hauptamt eingestellt.

Den ehemaligen Mitarbeitern bleibt Sternadl nicht nur als erfolgreicher Kommunalpolitiker der Freien Wähler und Chef der Verwaltung in Erinnerung, sondern auch als Tierfreund. So fand man in seinem Amtszimmer immer Käfige mit verletzten Vögeln und Futter zum Aufpäppeln vor. Im Speicher des Rathauses hatten Katzen ihr Domizil und in seinem Privathaus pflegte der Bürgermeister mit Unterstützung seiner Sekretärin etliche Igel wieder gesund. Damals war es nicht ungewöhnlich, dass Rathaus-Mitarbeiter in die Tierpflege eingebunden wurden, wenn Sternadl und Hermuth abwesend waren.
Die ersten Kommunalwahlen mit unechter Teilortswahl meisterten Herbert Bichlmeier und Lothar Isele mit Bravour. Amtmann Otto Müller sorgte für bessere, tarifgerechte Entlohnung für alle. Karl Sternadl war bemüht, Versprechungen aus der Eingemeindung einzulösen. Das Haus des Gastes, das mit Zuschüssen fast vollständig finanziert werden konnte, weckte Konkurrenzdenken und Neid der Ortsteile. Man sah darin eine Bevorzugung Birkendorfs. Misstrauen in der Bürgerschaft waren Alltag, während die Rathaus-Belegschaft schnell in gutem Betriebsklima zusammenarbeitete.
Im Rathaus Ühlingen wurde gespart. Noch längst hatte nicht jeder Mitarbeiter einen eigenen Platz mit Schreibtisch und Bürostuhl. Im Winter konnte es vorkommen, dass die Mitarbeiter montags bei elf Grad in kühlen Amtsstuben saßen. Um zu sparen, waren am Wochenende alle Heizungen ausgeschaltet. Frau Hermuth hatte im Obergeschoss des Rathauses ihre Wohnung und musste sich warm anziehen. Wer wie sie Krieg und Vertreibung erlebt hatte, nahm das ohne Aufbegehren in Kauf. Selbstverständlich wurde vom Rathauspersonal erwartet, dass ein Teil des Urlaubs zugunsten der Gemeinde verschenkt wird, was einige befolgten.
Mit Ablauf seiner Amtszeit war Karl Sternadl im Jahr 1980 erstmals Bürgermeisterkandidat für die Gesamtgemeinde. Die Unzufriedenheit über die Eingemeindung schlug sich in seiner Wahlniederlage nieder. Mit einem Gegenkandidaten hatte er nicht gerechnet. Der aus Norddeutschland stammende Hans-Gerd Hoffmann wurde Bürgermeister. Die Enttäuschung war groß.
„Jedem Menschen recht getan, ist eine Kunst die niemand kann!“, war Sternadls Fazit. Otto Müller ging 1981 in den Ruhestand und Fritz Rönz aus Lauchringen wurde Rechnungsamtsleiter. Die Rathaus-Ära Sternadl war zu Ende, er war noch bis 1984 Kreisrat. Für seine Verdienste wurde Sternadl 2005 zum ersten Ehrenbürger der Gemeinde Ühlingen-Birkendorf ernannt. Er starb im Oktober 2009 im Alter von 93 Jahren.