Der Dieselskandal beschäftigt auch das Landgericht Waldshut-Tiengen. Beim Neujahrsempfang der Justiz des Landgerichtsbezirks Waldshut-Tiengen sprachen die Verantwortlichen von einer Klagewelle, die durch den Abgas-Skandal des Autoherstellers VW verursacht wurde. Wir haben bei Claudia Jarsumbek, Vizepräsidentin des Landgerichts Waldshut-Tiengen, nachgefragt.
Wie viele Klagen bezüglich des Dieselskandals gingen beim Landgericht Waldshut-Tiengen ein?
Insgesamt liegen bisher rund 180 Klagen im Zusammenhang mit dem Dieselskandal beim Landgericht Waldshut-Tiengen vor. "Dies ist – gemessen an den üblichen Eingängen bei unserem Landgericht von etwa 420 Zivilsachen pro Jahr – eine beachtliche Zahl", sagt Claudia Jarsumbek.
Ab wann gingen die Klagen ein?
Die ersten (drei) Klagen sind 2016 eingegangen. Es folgten weitere Klagen im Jahr 2017 (circa 25) und insbesondere im letzten Jahr (etwa 150 Klagen). Die Kläger kommen laut Auskunft der Vizepräsidentin aus dem gesamten Landgerichtsbezirk, etwa aus Waldshut-Tiengen, aus Bad Säckingen und aus St. Blasien.
Fällt das Landgericht Waldshut-Tiengen auch Urteile in Sachen Dieselskandal oder gibt es die Klagen lediglich weiter?
"Unsere Zivilrichter verhandeln nahezu jede Woche Fälle", bestätigt Claudia Jarsumbek. Fälle, die die Richter in Waldshut entschieden haben, gehen regelmäßig anschließend an die Außenstelle des Oberlandesgerichts in Freiburg weiter.
„180 Klagen sind – gemessen an den üblichen Eingängen bei unserem Landgericht von etwa 420 Zivilsachen pro Jahr – eine beachtliche Zahl.“Claudia Jarsumbek, Vizepräsidentin des Landgerichts Waldshut-Tiengen
Handelt es sich bei den Klägern ausschließlich um VW-Fahrer oder betrifft die Klagewelle auch andere Fabrikate?
"Es klagen vorwiegend Eigentümer eines Fahrzeugs mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189. Dies betrifft Fahrzeuge der Marke Volkswagen, aber auch Skoda, Seat und Audi", teilt Claudia Jarsumbek auf Nachfrage mit.
Wie entscheiden die Richter in Waldshut?
"Da gibt es ganz unterschiedliche Konstellationen", sagt Jarsumbek – je nachdem, wie die Klage formuliert wurde. "Manche Autobesitzer machen eine Wertminderung geltend, andere möchten ihr Auto zurückgeben und fordern den Wert zurück", nennt die Juristin einige Beispiele. Das Landgericht habe sowohl bereits zugunsten der Kläger entschieden, als auch Klagen abgewiesen.
Ist es üblich, dass die Betroffenen bei den Gerichten vor Ort, in diesem Fall Waldshut-Tiengen, ihre Klage einreichen? Gibt es auch eine zentrale Anlaufstelle?
Die Kläger können wahlweise bei dem zuständigen Gericht am Sitz des Autohauses, am Sitz von VW (also am Landgericht Braunschweig) oder an ihrem eigenen Wohnsitzgericht klagen. "Viele Kläger aus unserem Landgerichtsbezirk nutzen die Möglichkeit, an 'ihrem' Wohnsitzgericht, also beim Landgericht Waldshut-Tiengen, zu klagen", sagt die Juristin. Unabhängig davon bestehe die Möglichkeit, sich der Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG, die beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängig ist, anzuschließen.
Bis wann können Betroffene noch Klage einreichen? Gibt es eine Frist?
"Eine generelle Ausschlussfrist gibt es nicht. Die einzelnen Ansprüche unterliegen jedoch der Verjährung", sagt Vizepräsidentin Claudia Jarsumbek.
Hintergründe zum Dieselskandal
- Der Auslöser: Am 18. September 2015 wurde bekannt, dass die Volkswagen AG eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung ihrer Diesel-Fahrzeuge verwendete, um die US-amerikanischen Abgasnormen zu umgehen. Die Aufdeckung wurde durch die US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) angestoßen. Laut Volkswagen ist die betreffende Software in weltweit etwa elf Millionen Fahrzeugen mit der Motorenreihe VW EA 189 im Einsatz, in den USA ist auch die Nachfolgereihe VW EA 288 betroffen.
- Die Musterfeststellungsklage: Hunderttausende Besitzer von Volkswagen-Autos mit manipulierter Abgas-Steuerung fordern von dem Braunschweiger Konzern Schadenersatz. Bis zum 31. Dezember 2018 hätten sich mehr als 300 000 VW-Besitzer in die Liste für die Musterfeststellungsklage eingetragen, sagte ein Sprecher des Bundesamtes für Justiz.