Oswald Tröndle bremst das Quad am Hang der Höchenschwander Albtalhalde. Das Knattern des Motors verstummt und der Waldbauer zeigt mit dem Finger in den Wald hinein. „Hier ist alles tot“ sagt er, ohne den Blick abzuwenden. „Es ist brutal“, resümiert er nach kurzem Innehalten die Situation, der unzählige Privatwaldbesitzer im Landkreis und weit darüber hinaus ausgesetzt sind.
Wo noch vor wenigen Wochen ein dichtes Waldstück stand, scheint heute die Sonne durch die kahlen Fichtenzweige. Alleine hier besteht der Waldboden auf einer Fläche von mehreren Hundert Quadratmetern stellenweise mittlerweile nur noch aus einem braunen Teppich toter Nadeln. Überall ist Bohrspan zu sehen.

Der Borkenkäfer „Buchdrucker“ hat ihn auf seinem Weg quer durch die Nährstoffbahnen der Bäume aus der Rinde befördert. Tröndle, gleichzeitig Kreisvorsitzender des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV) Waldshut und damit Sprecher der hiesigen Waldbauern, zeigt auf eine grüne, scheinbar gesunde Baumgruppe. „In 14 Tagen ist auch da alles hinüber“, sagt er ernst.
„Wir hatten schon immer Borkenkäfer, aber wie in diesem Jahr habe ich es noch nie erlebt“, berichtet auch Clemens Speicher, seit 40 Jahren Holzbauer im Raum Bad Säckingen und dortiger BLHV-Kreisvorsitzender. Auch hier das gleiche Bild: Überall zeugen graubraune Fichten-Wipfel von der Käferplage. Selbst hier, in Ibach, wo Speicher seine eigenen 40 Hektar Wald bewirtschaftet, ist das Wüten des Schädlings bereits angekommen. Allerorts zeugen frische Lichtungen von den verzweifelten Versuchen, die Plage aus dem Wald zu schneiden.
Situation gleicht Vollbrand
Vergebens, denn „die Situation gleicht einem Vollbrand“, sagt Kreisforstamtsleiter Helge von Gilsa. Es gebe einfach zu viele befallene Stellen, um wirksam vorzugehen und zu helfen. „Wir sind sprachlos, was da gerade abläuft“, ergänzt er. Normalerweise wird der Ausbreitung des Borkenkäfers mit dem Einschlag befallener Bäume begegnet.

Sie werden aus dem Wald entfernt, bevor die zweite Generation ausfliegen und weitere Bäume befallen kann. Hierfür werden die Wälder regelmäßig kontrolliert. Im Optimalfall kann eine Ausbreitung so bereits im Keim erstickt werden. Jedoch: „Das ist nur während der ersten Käfergeneration wirksam“, erklärt von Gilsa.
Trotz aller Bemühungen konnte sich der Käfer ausbreiten. Die Ursache sieht von Gilsa darin, dass das Wetter verrücktspiele. Anhaltende Hitze und Trockenheit haben der Fichte, aber auch etlichen anderen Baumarten, die Möglichkeit zur Selbstverteidigung geraubt. Im Überlebensmodus kann der Baum nur wenig von dem Harz produzieren, mit dem er einen Befall der Rinde normalerweise abwehrt.

In diesem Jahr überträfe das Ausmaß an Trockenschäden und Käferholz deutlich sämtliche Schadereignisse seit dem Zweiten Weltkrieg, berichtet von Gilsa. Neben der Fichte seien zudem auch Tannen und erste Laubbäume betroffen. In Zahlen lasse sich die Krise derzeit aber nicht ausdrücken.
Holzmarkt vor Zusammenbruch
Was mit dem Einschlag von Käferholz bereits im Frühling begonnen hatte, entwickelt sich mittlerweile auch zu einer wirtschaftlichen Krise. Das Überangebot an Fichtenholz kann von den Sägewerken nicht mehr verarbeitet werden. Die Nachfrage ist dadurch so gut wie zum Erliegen gekommen. Entsprechend fallen die Preise ins Bodenlose.
Oswald Tröndle startet den Motor seines Quads und gibt Gas. Während der Fahrt durch den Wald bei Oberweschnegg zeigt er immer wieder auf braune Fichtenwipfel und lichte Flächen. Über den braunen Nadelteppich hinweg geht es vorbei an unzähligen, teils schon wochenalten Holzlagern entlang der schmalen Waldwege. Während des nächsten Stopps ist in einiger Entfernung das Rattern einer Kettensäge zu hören.

Während im Stadtwald, wie jüngst in der Nähe des Waldshuter Wildgeheges, mit sogenannten „Harvestern“ und Vollerntern gerade ganze Landstriche kahlgeschoren werden, versuchen viele der kreisweit rund 10 000 Privatwaldbesitzer derzeit ebenfalls entsprechende Unternehmen zu beauftragen oder notfalls noch „von Hand“ zu retten, was zu retten und vor allem zu verkaufen ist. Von der Käferplage überrollt kommen sie mit der Arbeit aber kaum nach.
Clemens Speicher berichtet von ausgebuchten Forstunternehmen, zudem seien deren Kapazitäten derzeit urlaubsbedingt vermindert. Vielerorts sei das schwierige Gelände des Schwarzwalds nur mit spezieller Ausrüstung und Kränen zu bewältigen. Er selbst habe seinen Sohn zur Hilfe geholt. Mit einer Seilwinde ziehen sie dutzende Tonnen schwere Stämme samt Tausenden von Käfern und ihrer Larven aus dem Wald. Mittlerweile habe er sein Jahrespensum von 300 Festmetern mehr als verdoppelt. „Der Käfer ist schneller, als wir aufschaffen können“, sagt Speicher.
Forderung nach finanzieller Hilfe
Andere Waldbesitzer resignieren und lassen die befallenen Bäume stehen. Aus diesen Niststätten heraus wird sich schon bald die nächste Generation des Borkenkäfers auf den Weg machen. Er verstehe auch diese Waldbesitzer, sagt Speicher. Oft sei der finanzielle Aufwand zu groß, denn die Kosten für den Holzschlag sind aufgrund der fallenden Preise nicht mehr durch den Ertrag seines Verkaufs zu decken. Nur nasskaltes Wetter könne die Ausbreitung jetzt noch stören. „Wir stehen mit dem Rücken an der Wand.

Diejenigen, die dennoch bereit sind, einzuschlagen, müssen finanziell unterstützt werden“, fordert Speicher von der Politik und fügt an: Ich hoffe, es gibt zeitnah die notwendigen Entscheidungen.“ Und das auch längerfristig, denn mit dem Ende des Sommers und damit dem Leben eines Großteils der Millionen von Borkenkäfer, ist die Krise noch lange nicht bewältigt.
Holzmarkt ist übersättigt
Was in diesem Jahr aufgrund des übersättigten Holzmarkts in Lagern liegenbleibt, wird diesen auch im kommenden Jahr noch behindern und damit die Preise ebenso drücken, wie die Bereitschaft der Privatwaldbesitzer, ihr dann beinahe wertloses Holz einzuschlagen. Sollte der Käfer dann wieder zuschlagen, wäre die Krise bereits von Beginn an perfekt. Gerade deshalb müsse schon jetzt an die Zukunft gedacht werden, meint Speicher: „Für die Wiederaufforstung brauchen wir Fachkenntnis.“
Die Borkenkäferkrise ist mittlerweile auch in den höchsten Stellen der Landespolitik angekommen. Vor zwei Wochen war der baden-württembergische Landesagrarminister Peter Hauk (CDU) vor Ort. Am kommendne Dienstag, 20. August, will sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) persönlich ein Bild von der Situation in Waldshut machen. Hier sollen dem Landesministerium zufolge auch Maßnahmen für die Zukunft vorgestellt werden.
Hoffen auf schnelle Entscheidungen
Die Privatwaldbesitzer erhoffen sich vor allem schnelle Entscheidungen. Vom bisherigen Zögern sind sie ernüchtert. „Ich habe nichts anderes erwartet“, sagt Speicher. Nun hoffe er, dass spätestens im September Gelder für die Unterstützung der Privatwaldbesitzer und der Waldgemeinschaften freigemacht werden.
Was Stadt und Landkreis gegen den Käfer tun
- Der Stadtwald: Der Landkreis Waldshut verfügt über rund 56 000 Hektar Wald. Zwei Drittel davon sind Nadelhölzer, mehr als die Hälfte des Gesamtbestands sind Fichten. Circa 44 Prozent des Waldshut-Tiengener Waldes gehört rund 10 000 Privatwaldbesitzern.
- Der Borkenkäfer: Der Borkenkäfer „Buchdrucker“ befällt vor allem Fichten. Er bohrt sich in die Rinde und legt dort seine Eier ab. Die Larven fressen sich anschließend quer zum Verlauf der Nährstoffbahnen des Baums. Gut gesättigt verpuppen sie sich und entwickeln sich wenige Tage später selbst zu Käfern. Diese fliegen wiederum aus und befallen weitere Bäume. Der Zyklus wiederholt sich bis zum Ende des Sommers mehrere Male. Mittlerweile sind im Landkreis etliche Millionen der kleinen Tiere unterwegs.
- Die Baumfällungen: Zwischen Montag und Mittwoch dieser Woche wurden in der Nähe des Waldshuter Wildgeheges knapp 1800 Festmeter an Käferholz des 1300 Hektar großen Stadtwalds Waldshut-Tiengen eingeschlagen. 1600 waren es davor in Tiengen. Die nächste Aktion soll bei Aichen stattfinden. Die Stadt Waldshut-Tiengen rechnet in diesem Jahr mit über 20 000 Festmetern an Käferholz. Das ist mehr als doppelt soviel wie im Durchschnitt.
- Die Maßnahmen: Der Landkreis hat seit dem Dürresommer 2018 verschiedene Maßnahmen gegen eine schon damals absehbare Borkenkäferplage eingeleitet. Hierzu gehören die Beauftragung einer Borkenkäfermanagerin, Elena Kummer, im Frühling. Weitere Maßnahmen waren laut Forstamt ein intensives Monitoring des Befalls, die Suche nach neuen Wegen der Holzvermarktung gemeinsam mit den Waldgenossenschaften und die Einrichtung von Zwischenlagern.